AGG Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit

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So einfach ist es nun auch wieder nicht....

Das BAG hat am 19.08.2010 mit Urteil (Az. 8 AZR 466/09) entschieden, dass selbst bei scheinbar offenkundiger Diskriminierung nicht automatisch auch eine schadensersatzbegründende Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorliegen muss. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG erfordert stets eine rechtswidrige Verletzung der Gleichbehandlung der in § 1 AGG geschützten Personenkreise.

Der zugrundeliegende Sachverhalt:

 Der Beklagte ist Teil einer evangelischen Landeskirche und suchte für eine auf elf Monate befristete Projektstelle „Schulung von Multiplikatorinnen/-en im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen/-en" eine Fachkraft mit abgeschlossenem Studium der Sozialwissenschaft/ Sozialpädagogik sowie Erfahrungen in der Projektarbeit und Kompetenzen in der projektspezifischen Thematik. Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche wurde dabei ebenfalls verlangt. Die Klägerin ist türkischer Herkunft und Muslimin. Sie hat eine Ausbildung zur Reisekauffrau absolviert und danach Erfahrungen in Integrationsprojekten für Menschen mit Migrationshintergrund gesammelt.

Über eine Hochschulausbildung verfügte sie nicht. Nach Eingang ihrer Bewerbung sprach eine Mitarbeiterin des Beklagten die Klägerin auf ihre Religions- und Kirchenzugehörigkeit an. Schließlich stellte der Beklagte eine in Indien geborene Bewerberin ein, die ein Hochschuldiplom im Fach Sozialwissenschaften vorweisen konnte, und sagte der Klägerin ab. Diese verlangte eine Entschädigung wegen unmittelbarer Benachteiligung aufgrund der Religion und mittelbarer Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft.

Das BAG hat letztinstanzlich die Klage abgewiesen.

Die Begründung des BAG (Auszug):

Der mit dieser Entscheidung befasste Achte Senat des BAG hatte nach seiner Auffassung hier überhaupt nicht zu prüfen, ob die Klägerin unmittelbar wegen der Religion oder mittelbar wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden ist. Denn bei ihrer Bewerbung befand sich die Klägerin nicht in „vergleichbarer Situation" zu der schließlich vom Beklagten eingestellten Bewerberin. Die Klägerin verfügt anders als diese nicht über ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Dies hatte der Beklagte mit nicht zu beanstandenden Gründen zur Voraussetzung für eine Einstellung gemacht. Bei einem Schulungsprojekt für Multiplikatoren in der Sozialarbeit entspreche es der Verkehrsanschauung, eine Hochschulausbildung zu verlangen. Der Beklagte hat sich bei seiner Entscheidung gegen die Klägerin auch nicht von dieser Anforderung gelöst.

Die unmittelbare Benachteiligung wegen eines vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpönten Merkmals müsse vielmehr in „vergleichbarer Situation" geschehen. Diese Vergleichbarkeit der Bewerbung ist nach dem vom Arbeitgeber entwickelten Anforderungsprofil zu beurteilen, wenn dieses nach der allgemeinen Verkehrsanschauung plausibel erscheint.

Fazit: 

Ich will nicht überheblich klingen, aber seit Einführung des AGG scheint sich nahezu jeder plötzlich diskriminiert zu fühlen wenn er – vermeintlich- (im Internet) liest, dass die Absage an eine(n) Bewerber(in), die/der zu den vom AGG geschützten Personenkreisen gehört stets unzulässig sei.

Diese Auffassung läuft der gesetzlichen Intention des AGG zuwider und trifft, wie das vorliegende Urteil zeigt, auch keineswegs immer zu.

Es bedarf stets der gründlichen Prüfung im Einzelfall, ob der Verdacht einer unzulässigen Diskriminierung auch tatsächlich begründet ist.

Wäre dies nicht der Fall, dann hätte in der Tat die (wohl nur in der Phantasie der Arbeitsrechtler existente) 70-jährige, dunkelhäutige Muslimin im Rollstuhl den Prozess ja quasi schon gewonnen, wenn es der Vermieter wagen sollte, ihr und ihrer Lebensgefährtin die begehrte Wohnung nicht zu vermieten....