AGG-Hopping – Betrug? (Rechtsauffassung des OLG München)

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, AGG-Hopping, Diskriminierung, Entschädigung, Strafbarkeit
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Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 25.01.2016 zu den Aktenzeichen 2 Ws 1/16 und 2 Ws 2/16 entschieden, dass AGG-Hopping eine Betrugsstraftat darstellen kann und hat eine Hauptverhandlung gegen sogenannte mögliche AGG-Hopper zugelassen.

Täuschungshandlung

Dazu müsste zunächst eine Täuschungshandlung durch eine (nicht ernst gemeinte) Bewerbung vorliegen und sodann Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG angemeldet werden.

Jens Usebach
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Für die Richter des Oberlandesgerichts liegen strafrechtlich relevante Täuschungshandlungen beim AGG-Hopping vor, da die AGG-Hopper jeweils über die subjektive Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbungen täuschten.

Nach allgemeiner Auffassung ist Tathandlung des Betrugs eine täuschende Erklärung über Tatsachen, wobei auch

  • innersubjektive Zustände,
  • Vorgänge,
  • Kenntnisse
  • und Absichten

Tatsachen im Sinne des Betrugsstraftatbestands sein können.

Hierzu zählt u.a. auch die Absicht, in der Zukunft bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen.

Das Geltendmachen von Forderungen, auf die kein Anspruch besteht, ist für die Richter des Oberlandesgerichts München eine Täuschung i.S.v. § 263 StGB, wenn ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbehauptung hergestellt wird.

Bei einer nicht ernst gemeinten Bewerbung auf eine Stellenausschreibung mit anschließender Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG wird diese Tatbestandsvoraussetzung erfüllt.

Hierdurch täuschten die AGG-Hopper konkludent vor, dass sie als Bewerber ernsthaftes Interesse an der Stelle des Arbeitgebers gehabt haben.

Es muss zudem zweifelsfrei feststehen, dass die AGG-Hopper bei ihren jeweiligen Bewerbungen zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatten, die ausgeschriebenen Stellen auch wirklich anzutreten, sondern, dass es ihnen lediglich darauf ankam, potenziell AGG-widrige Stellenausschreibungen auszunutzen, um im Falle einer erwarteten Absage einen Anspruch nach § 15 AGG geltend zu machen.

Nach den Richtern des Oberlandesgerichts ergibt sich AGG-Hopping

  • aus einer Vielzahl von mehreren hundert Bewerbungen über einen Zeitraum von nur gut zwei Jahren auf in Art und inhaltlicher Ausrichtung vollkommen unterschiedliche Stellen,
  • die mit der beruflichen Qualifikation der AGG-Hopper zu einem nicht unerheblichen Teil allenfalls im entferntesten Sinne übereinstimmen.

Weitere Indizien für AGG-Hopper kann dabei sein:

  • Forderung nach überhöhter Fahrtkostenerstattung
  • Schriftverkehr des AGG-Hoppers hinsichtlich der Schwierigkeiten, eine Absage zu erreichen und hinsichtlich der Auswahl der Arbeitgeber.

Die Richter des Oberlandesgerichts berücksichtigten dabei, dass die subjektive Ernsthaftigkeit einer Bewerbung nicht Tatbestandsvoraussetzung für einen späteren Entschädigungsanspruch gem. § 15 AGG ist, jedoch nach der zwischenzeitlicher arbeitsrechtlich gefestigter Rechtsprechung bei fehlender Ernsthaftigkeit der Bewerbung dem Anspruch der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden kann.

Somit ist die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung eine Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit des AGG-rechtlichen Anspruchs, über die in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht werden kann.

Die Richter des Oberlandesgerichts berücksichtigten auch, dass sich aus § 22 AGG eine Beweislastumkehr im arbeitsrechtlichen Verfahren ergibt, so dass einer Vermögensgefährdung bei dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber bereits durch das erste Forderungsschreiben besteht.

Der potenzielle Arbeitgeber hat nämlich regelmäßig keinen Überblick über Art und Anzahl der weiteren Bewerbungen des Anspruchstellers, sondern kennt nur den ihn betreffenden Einzelfall.

Die Darlegung des Rechtsmissbrauchs mangels Ernsthaftigkeit der Bewerbung ist daher für die Arbeitgeber erschwert.

Eine betrugsrelevante Täuschung ist nach dem Oberlandesgericht dann anzunehmen, wenn der AGG-Hopper zu keinem Zeitpunkt eine tatsächliche Arbeitsaufnahme beabsichtigt.

Aus der Täuschung muss der AGG-Hopper sodann einen Irrtum bei den jeweiligen stellenausschreibenden Arbeitgeber erregen.

Versuch

Das Versuchsstadium erreichen AGG-Hopper gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber dann, wenn sie die Forderung hinsichtlich eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG stellen.

Die bloße Bewerbung des AGG-Hoppers beim Arbeitgeber stellt hingegen lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung dar.

Zwar ist die Bewerbung eines AGG-Hoppers der erste notwendige Schritt, um zu einem späteren Zeitpunkt eine Absage durch den Arbeitgeber zu erhalten, insoweit also eine unabdingbare Vorbereitungshandlung.

Ein unmittelbares Ansetzen ist allein in der Bewerbung hingegen noch nicht zu sehen, weil der AGG-Hopper damit noch nicht alles getan hatte, um nach seiner Vorstellung von der Tat den Entschädigungsanspruch rechtsmissbräuchlich geltend zu machen.

AGG-Hopper können nämlich trotz Absage von der Geltendmachung einer Forderung nach dem AGG absehen.

Gerade das Geltendmachen der Forderung ist daher die Voraussetzung, um die Schwelle zum „Jetzt geht’s los!“ zu überschreiten und somit von der bloßen Vorbereitung der Tat in das Versuchsstadium überzugehen.

Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt dann vor, wenn der AGG-Hopper die vermeintliche Entschädigungsforderung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht weiterverfolgt.

Der Versuch ist auch dann nicht fehlgeschlagen, wenn der AGG-Hopper die Geltendmachung der Forderung in unterschiedlichen Verfahrensstadien beendet, wie z.B.

  • nach Ablehnung durch den potenziellen Arbeitgeber
  • oder durch Klagerücknahme.

Wenn potenzieller Arbeitgeber den geltend gemachten Anspruch des AGG-Hoppers ablehnen, lassen viele AGG-Hopper nicht etwa ohne weiteres den Anspruch fallen, was naheläge, wenn es ihnen nur auf den „Überrumpelungseffekt“ und mangelnde Rechtskenntnis bei den von ihnen angeschriebenen Forderungsgegnern angekommen wäre.

Nach alledem kann nicht zu Lasten der AGG-Hopper angenommen werden, dass sie im Falle einer Weigerung der Arbeitgeber davon ausgehen mussten, dass ihr Versuch gescheitert war.

Wenn AGG-Hopper jedoch ein klageabweisendes Urteil durch das Arbeitsgericht erhalten und sodann nicht sämtliche Rechtsmittel, wie Berufung zum Landesarbeitsgericht und die Revision bzw. die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ausschöpften, kann ein fehlgeschlagener Versuch vorliegen, da der AGG-Hopper aufgrund der jeweiligen Begründung der Klageabweisung von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgehen könnte und sodann ein Rücktritt in Form der fehlenden Weiterverfolgung des Anspruchs ausgeschlossen ist.

Rechtsanwalt & Fachanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. mit den Tätigkeitsschwerpunkten Kündigungsschutz & Arbeitsrecht von der Schwerpunktkanzlei JURA.CC informiert Sie gern zum Kündigungsschutzrecht bei einer Kündigung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber.