Aus der Praxis: Mobbing und Abmahnungen – empfiehlt sich eine Klage?

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Abmahnung, Mobbing, Kündigungsschutzklage, Personalakte
5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
1

Muss der Betroffene immer gegen eine Abmahnung klagen?

Des Öfteren kann ich bei meiner Beratung beobachten, dass von Arbeitgebern Arbeitnehmer, die man gerne los wäre, mit Abmahnungen traktiert werden.

Die erhobenen Vorwürfe sind nach Darstellung der von mir beratenen Arbeitnehmer meistens falsch oder nur teilweise richtig.

Nach ständiger überwiegender Rechtsprechung können Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung eine Klage auf Zurücknahme und Entfernung aus der Personalakte samt aller damit zusammenhängender Unterlagen erheben, wenn die Abmahnung der Sache nach falsch ist.

Ein weit verbreiteter Irrtum von Arbeitnehmern ist, sie seien verpflichtet, gegen eine Abmahnung zu klagen oder wenigstens dagegen zu protestieren. Dahinter steht die Befürchtung, dass viele glauben, die Tatsache, dass jemand gegen eine Abmahnung nichts unternimmt, würde die Richtigkeit des Vorwurfs beweisen. Wenn man später vom Arbeitgeber eine Kündigung bekomme, würde der vom Arbeitgeber behauptete Verstoß bereits als bewiesen gelten.

Das ist – ich erwähnte es bereits - ein Irrtum.

Angenommen, der Arbeitgeber mahnt zuerst ein Fehlverhalten ab und kündigt später wegen eines weiteren vergleichbaren Fehlverhaltens:Wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhebt, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er eine ordnungsgemäße Abmahnung erteilt hat, dass dem Arbeitnehmer die Abmahnung zugegangen ist und auch, dass die Abmahnung zu Recht erfolgt ist. Diesen Beweis muss der Arbeitgeber auch dann erbringen, wenn der Arbeitnehmer sich zu der Abmahnung bisher nicht geäußert hat. (Auch muss selbstverständlich vom Arbeitgeber bewiesen werden, dass das Fehlverhalten, das zu der Kündigung geführt hat, tatsächlich vorgelegen hat.)

Welche Nachteile hat eine Klage?

Wenn der Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung sofort eine Klage erhebt, kann ihm das auch Nachteile bringen: Es ist immer denkbar, dass eine gegen eine Abmahnung gerichtete Klage auch verloren wird. Vor Gericht und auf hoher See.. .

Im Falle eines solchen „Unfalls" hätte der Arbeitgeber schon einen Vorteil erlangt. Im Falle einer späteren Kündigung wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens hätte er schon einmal die Sicherheit „in der Tasche", dass die Abmahnung wegen des früheren Fehlverhaltens zu recht erfolgt ist.

Keine Frage, dass eine solche Sachlage die Erfolgsaussicht des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess erheblich verschlechtern würde.

Weitere Gesichtspunkte können dagegen sprechen, gegen eine Abmahnung zu klagen:

Wenn die Abmahnung auf Zeugenaussagen gestützt wird, so verschlechtern sich grundsätzlich gesehen die Aussichten des Arbeitgebers, seine Sachverhaltsversion zu beweisen. Je länger der Vorfall, wegen dessen abgemahnt wurde, zurückliegt, desto mehr wird die Erinnerung des Zeugen verblassen. Durch Aussitzen verbessert der Arbeitnehmer also vielleicht seine Prozessaussichten. Von der sofortigen Klage wäre daher abzuraten.

Außerdem können sich z.B. Macht- und Beziehungsverhältnisse zu Gunsten des Arbeitnehmers verschieben, Zeugen, mit denen man früher nicht rechnen konnte, werden vielleicht später entlassen und haben dann mehr Mut zu einer Aussage, die den Arbeitgeber benachteiligt.

Alternative: Gegenerklärung

In der Regel empfehle ich betroffenen Arbeitnehmern, eine schriftliche Gegenerklärung zur Personalakte zu reichen und den Arbeitgeber unter Fristsetzung zur Rücknahme der Abmahnung und Entfernung aus der Personalakte aufzufordern. (Im Einzelfall kann dieses aber auch im Hinblick auf die konkrete Geschichte unklug sein)

Wenn der Arbeitgeber dann die Abmahnung nicht zurücknimmt, sollte immer noch je nach Lage des Einzelfalls überlegt werden, ob eine Klage sinnvoll ist.

In Mobbing-Fällen kann es durchaus einmal ratsam sein, als Arbeitnehmer in die Offensive zu gehen, um zu verhindern, dass diskriminierendes Verhalten sich ausweitet.

Immer sinnvoll: Den Betriebsrat ansprechen

Auch empfehle ich Betroffenen in der Regel, sich an ihren Betriebsrat zu wenden. Gemäß § 85 BetrVG in Verbindung mit § 75 BetrVG hat der Betriebsrat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken.


Ralf-Carsten Bonkowski
Rechtsanwalt
und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Violenstr. 13
28195 Bremen

T. 0421 – 36 48 696

Das könnte Sie auch interessieren
Musterverträge und Briefe Für Arbeitgeber: Abmahnung schreiben