BEM-Verfahren und leidensgerechter Arbeitsplatz

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Handlungsmöglichkeiten nach überstandener Erkrankung und Unfällen

Ausgangssituation:

Es kommt häufig vor, dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin nach einem Unfall, einem Arbeitsunfall oder einer schwerwiegenden Erkrankung die arbeitsvertraglich vereinbarte Leistung nicht mehr vollständig erbringen kann. Beispiele hierfür wären die Busfahrerin, die nach einem Schlaganfall nicht mehr als Bus- oder Straßenbahnfahrerin arbeiten oder der Lagerist, der aufgrund einer Erkrankung der Wirbelsäule, nicht mehr schwer heben darf. Die Beispiele für solche krankheits- oder unfallbedingten Minderleistungen sind vielfältig. In aller Regel wird es an der Bereitschaft des Arbeitgebers fehlen, dem Arbeitnehmer eine neue leidensgerechte Stelle zuzuweisen. Häufig ist der Arbeitgeber nicht bereit, seinen Geschäftsbetrieb neu zu organisieren. Häufig befürchtet der Arbeitgeber auch weitergehende krankheitsbedingte Fehlzeiten des Arbeitnehmers.

Christian Sehn
Partner
seit 2024
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht
Beethovenstr. 8
68165 Mannheim
Tel: 062061859121
Web: https://www.ra-sehn.de
E-Mail:
Sozialversicherungsrecht, Berufsunfähigkeitsversicherung, Steuerrecht
Preis: 100 €

In dieser Situation wird der Arbeitgeber regelmäßig eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz mit dem Verweis auf fehlende offene Stellen verweigern. Der Arbeitnehmer läuft dann irgendwann Gefahr, aus dem Leistungsbezug des Krankengeldes und des Arbeitslosengeldes herauszufallen und eventuell sogar Bürgergeld beantragen zu müssen. Er ist deshalb an einer abschließenden rechtlichen Klärung der unbefriedigenden Arbeitsplatzsituation interessiert. In den seltensten Fällen bietet der Arbeitgeber von sich aus eine brauchbare Lösung für alle Beteiligten an. Regelmäßig hat der Arbeitgeber die Hoffnung, dass der Arbeitnehmer im Krankenstand verbleibt und irgendwann entmutigt oder auf Druck der Arbeitsagentur/des Jobcenters das Arbeitsverhältnis selbst beendet. In dieser schwierigen rechtlichen Situation sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht eingeschaltet werden. Dieser muss zunächst mit der Mandantin /dem Mandanten erörtern, wie diese sich ihre berufliche und private Zukunft vorstellen und dann arbeitsrechtliche und/oder sozialversicherungsrechtliche Lösungsansätze anbieten.    

Tipp 1: Schon frühzeitig einen Fachanwalt kontaktieren und mit diesem zunächst die Kostenfrage (Anwaltsgebühren) besprechen. Mit einer bereits bestehende Rechtschutzversicherung sollte die Kostenfrage nachrangig sein. Anderenfalls gibt es ebenfalls praktikable Lösungsmöglichkeiten.

Die sozialversicherungsrechtlichen Lösungsansätze werde ich in einem weiteren Beitrag beleuchten.

In diesem Beitrag werde ich mich auf die arbeitsrechtlichen Instrumentarien beschränken. Die Stichworte heißen BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement), leidensgerechte Beschäftigung und Wiedereingliederung. Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, auf den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers jederzeit Rücksicht zu nehmen. Sobald ein Mitarbeiter länger als 6 Wochen im Jahr arbeitsunfähig ist, sind alle Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflicht zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Arbeitnehmer als Schwerbehinderter anerkannt oder ob er einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist (sog. Gleichstellung). Auch mit dem Arbeitnehmer ohne Schwerbehindertenstatus oder ohne Gleichstellung ist ein BEM durchzuführen. Stellt der Arbeitgeber also fest, dass der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Arbeitsleistung zu erbringen, dann muss er auf jeden Fall präventiv mit dem Arbeitnehmer das Gespräch suchen.

Tipp 2: Die Beteiligung eines Rechtsanwalts auf Seiten des Arbeitnehmers kann nicht verhindert werden.

An diesem Verfahren sind ferner zu beteiligen:

  • Betriebsrat (sofern vorhanden)
  • Schwerbehindertenvertretung (sofern Schwerbehinderung vorliegt und SBV vorhanden)
  • Eventuell Werks- oder Betriebsarzt
  • Rehabilitationsträger
  • Integrationsamt (im Falle einer Schwerbehinderung)

Tipp 3: Das BEM-Verfahren sollte nicht unterschätzt werden. Häufig lässt sich durch Umorganisation des Arbeitsplatzes, durch Bereitstellen von Arbeitsmitteln erreichen, dass die bisherige Arbeitstätigkeit auch mit der vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgeübt werden kann. Häufig ist die Versetzung des Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsplatz die Lösung. Gelegentlich werden in diesem Verfahrensstadium auch schon Beendigungslösungen (Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag, Kündigung mit Abfindungslösung) diskutiert. Finanzielle Unterstützungsleistungen für den Arbeitgeber durch die Rehabilitationsträger sind möglich.

Sofern es im Unternehmen einen leidensgerechten freien Arbeitsplatz gibt, dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts auf diesen freien Arbeitsplatz versetzen. Verweigert der Arbeitgeber Lösungsansätze, dann kommen unter Umständen nach entsprechender Fristsetzung Schadensersatzansprüche/Verzugslohnansprüche des Arbeitnehmers in Betracht. Anwalt und Mandant sollten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausführlich erörtern, um selbst Lösungsansätze anbieten zu können.

Tipp 4: Wurde im BEM-Verfahren eine Lösung gefunden, dann folgen eine Vielzahl weiterer arbeitsrechtlicher Schritte (Ausarbeitung und Kontrolle des neuen Arbeitsvertrages) oder im Abwicklungsfall (Ausarbeitung und Kontrolle des Aufhebungsvertrages etc.). Wird im BEM-Verfahren keine Lösung gefunden, dann wird der Rechtstreit möglicherweise vor das Arbeitsgericht verlagert oder es müssen in Übereinstimmung mit den Sozialversicherungsträgern sonstige Beendigungslösungen gefunden werden.  

Rechtsanwalt Christian Sehn
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht/Sozialversicherungsrecht
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