Das Online-Lexikon zum Kündigungsschutz im Arbeitsrecht Teil VI

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Kündigungsschutz, Verdachtskündigung, Wehrdienst, Zeitarbeit
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Von Umstrukturierung über Verdachtskündigung bis Wehrdienst und Zeitarbeit

Das Online-Lexikon zum Kündigungsschutz im Arbeitsrecht Teil VI

Das Online-Lexikon zum Kündigungsschutz im Arbeitsrecht soll dem Leser die im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen immer wieder fallenden Begrifflichkeiten näher bringen. In einem ersten Schritt wird aufgezeigt, für was ganz allgemein der jeweilige Begriff steht. Im nächsten Schritt wird dessen kündigungsrechtliche Relevanz dargestellt. Dem Arbeitgeber, der sich zum Ausspruch einer Kündigung veranlasst sieht, dient das Lexikon somit in seiner auf das Wesentliche gestrafften Form als Checkliste zur Vorbereitung einer gerichtsfesten Kündigung. Dem von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer dient das Stichwortverzeichnis zur ersten Orientierung in einem sich anbahnenden Kündigungsrechtsstreit - das Wissen um die eigenen Rechte schafft Sicherheit und stärkt die Verhandlungsposition in der Auseinandersetzung mit dem kündigenden Arbeitgeber. Teil VI erstreckt sich von Umstrukturierung über Verdachtskündigung bis Wehrdienst und Zeitarbeit. Die Reihe wird fortgesetzt.

Umstrukturierung als betriebsbedingter Kündigungsgrund

Jörg Halbe
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Gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten sehen sich Arbeitgeber, etwa um bei ausbleibendem Umsatz Personalkosten zu sparen, zur Umstrukturierung und Rationalisierung von Betriebsabläufen veranlasst. Dabei können Arbeitgeber im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit durchaus Maßnahmen zur Umstrukturierung und Rationalisierung von Betriebsabläufen treffen, die sich mindernd auf die benötigte Stärke der Belegschaft auswirken. Hierzu gehören etwa die Einführung von technischen Neuerungen, durch die menschliche Arbeitskraft ersetzt wird oder aber auch die Verschlankung von Hierarchieebenen sowie sonstige Maßnahmen zur Leistungsverdichtung.

Ob diese Maßnahmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn machen, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit einer hierauf gestützten betriebsbedingten Kündigung ohne Belang. Besteht die Unternehmerentscheidung allerdings allein in dem Entschluss, einem oder mehreren Arbeitnehmern zu kündigen, so kann diese Entscheidung des Arbeitgebers, was schon aus dem Kündigungsschutzgesetz folgt, nicht frei sein. Eine solche Kündigung wäre zwingend unwirksam.

Entscheidend ist also, ob durch die Umstrukturierungsmaßnahmen der Bedarf an Arbeitskraft im Betrieb tatsächlich entfällt. Dies hat der kündigende Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess en detail darzulegen und zu beweisen. Dem gegen die betriebsbedingte Kündigung klagenden Arbeitnehmer reicht insoweit zunächst bloßes Bestreiten.

Soll zum Beispiel die Führungsstruktur im Betrieb durch Wegfall von einzelnen Stellen oder einer ganzen Hierarchieebene schlanker werden, reicht es zum Nachweis des innerbetrieblichen Kündigungsgrundes nicht aus, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess lediglich das neue Organigramm seines Betriebes vorlegt. Der Arbeitgeber hat vielmehr darzulegen, wie die im Betrieb anfallenden Arbeiten nach Umsetzung der von ihm nachweisbar getroffenen Unternehmensentscheidung vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen bewältigt werden. Im ersten Schritt ist hierbei vom Arbeitgeber zu dokumentieren, mit welchen Aufgaben der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer in welchem zeitlichen Umfang jeweils beschäftigt war. Im zweiten Schritt ist durch Schilderung der Arbeitsabläufe darzulegen, welche der einzelnen Tätigkeiten des gekündigten Arbeitnehmers nicht mehr gebraucht werden und welche der Aufgaben nach vollzogener Umstrukturierung von anderen Mitarbeitern übernommen werden können. Entschließt sich der Arbeitgeber etwa zur Einführung neuer Fertigungstechniken oder Maschinen, so hat er dem Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess nachzuweisen, dass er die betreffenden Maschinen tatsächlich angeschafft hat und dass sich hierdurch der von der Kündigung betroffene „menschliche“ Arbeitsplatz einsparen lässt.

Kann der Arbeitgeber den danach zur Rechtsfertigung einer betriebsbedingten Kündigung geforderten Nachweis nicht erbringen, ist die Kündigung unwirksam – eine hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hat Erfolg.

Verdachtskündigung

Bei einer Verdachtskündigung wird die Kündigung nicht auf eine vom gekündigten Arbeitnehmer begangene schuldhafte Pflichtverletzung selbst, sondern allein darauf gestützt, dass der Gekündigte im Verdacht steht, eine Vertragsverletzung – etwa eine Straftat oder einen sonstigen schwer wiegenden Vertrauensbruch – begangen zu haben. Eine Verdachtskündigung setzt voraus, dass sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Der Verdacht muss sich aus objektiven, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Tatsachen ergeben, die geeignet sind, einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung zu veranlassen. Ferner muss der Verdacht dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen hat.

Schließlich muss der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Dies hat durch Anhörung des Arbeitnehmers im Rahmen der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Es reicht dabei nicht, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber lediglich mit einer völlig unsubstantiierten Wertung konfrontiert wird. Die Anhörung muss sich vielmehr auf einen hinsichtlich Ort, Art und Zeit konkretisierten Sachverhalt beziehen. Der Arbeitgeber darf dem betroffenen Arbeitnehmer hierbei keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten, die ihm im Anhörungszeitpunkt bereits vorlagen. Bis zur Anhörung des Arbeitnehmers ist die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, wonach eine fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen hat, regelmäßig gehemmt.

Der gekündigte Arbeitnehmer, der sich zu Unrecht verdächtigt sieht, sollte zur Wahrung seiner Rechte Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Denn auch wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den Sachverhalt sorgfältig ermittelt hat und nach seinem damaligen Kenntnisstand aufgrund der festgestellten objektiven Umstände ein dringender Verdacht gegeben war, ist die Kündigung unwirksam, wenn sich der Arbeitnehmer nachträglich im Kündigungsschutzprozess entlasten kann.

Wehrdienst

Von der Zustellung des Einberufungsbescheides bis zur Beendigung des Grundwehrdienstes sowie während einer Wehrübung darf der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer nicht kündigen, § 2 Abs. 1 Arbeitsplatzschutzgesetz. Entsprechendes gilt auch für Soldaten auf Zeit. Geht dem Arbeitnehmer während dieses Zeitraums gleichwohl eine Kündigung zu, ist diese zwingend unwirksam. Dies selbst dann, wenn die Kündigung noch während der Probezeit ausgesprochen wurde.

Das Kündigungsverbot gilt jedoch nur zu Gunsten der Arbeitnehmer, deren Einberufung durch Maßnahmen veranlasst worden ist, die auf der Deutschen Wehrgesetzgebung beruhen. Es gilt nicht für ausländische Arbeitnehmer, die in ihrem Heimatland Wehrdienst leisten. Das Kündigungsverbot erstreckt sich im Übrigen auch nur auf ordentliche Kündigungen durch den Arbeitgeber. Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt, wobei die Einberufung zum Wehrdienst einen solchen selbstverständlich nicht darstellt.

Für Zivildienstleistende gilt nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Zivildienstgesetz der Kündigungsschutz nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz entsprechend.

Zeitarbeit

In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs sind gerade die in Zeitarbeit beschäftigten Leiharbeitnehmer von betriebsbedingten Kündigungen betroffen.

Dabei wird jedoch vergessen, dass ein Zeitarbeitsverhältnis einem herkömmlichen Arbeitsverhältnis hinsichtlich des vom Arbeitnehmer zu erwerbenden sozialen Besitzstandes in nichts nachsteht. So genießt der Zeitarbeitnehmer grundsätzlich die gleichen Arbeitnehmerrechte wie sein unmittelbar für den Entleiher tätiger Kollege. Allerdings sind diese Rechte gegenüber dem Verleiher und nicht gegenüber dem Entleiher geltend zu machen.

Bei der Zeitarbeit (Arbeitnehmerüberlassung) stellt der Verleiher bei ihm angestellte Arbeitnehmer einem anderen Unternehmer (Entleiher) gewerbsmäßig zur Erbringung von Arbeitsleistung zur Verfügung. Ein Arbeitsverhältnis besteht daher nur zwischen dem Verleiher und dem Zeitarbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis kann demzufolge auch nur vom Zeitarbeitnehmer oder dem Verleiher, nicht hingegen vom Entleiher außerordentlich oder ordentlich gekündigt werden.

Die Kündigung eines Zeitarbeitnehmers unterliegt dabei grundsätzlich den gleichen Wirksamkeitsvoraussetzungen wie die Kündigung eines herkömmlichen Arbeitsverhältnisses. Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes bedarf die Kündigung eines Zeitarbeiternehmers daher gleichfalls eines personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Grundes. Danach kommt eine verhaltensbedingte Kündigung etwa bei Pflichtwidrigkeiten des Zeitarbeiters im Betrieb des Entleihers in Betracht, soweit diese sich auch nach Abmahnung wiederholen und deshalb den Entleiher berechtigen, vom Verleiher den Abzug des Zeitarbeiters zu verlangen. Eine betriebsbedingte Kündigung kann in Betracht kommen, wenn die Möglichkeit, den Zeitarbeitnehmer zu beschäftigen, mangels erteilter Aufträge dauerhaft entfällt.

Kündigungsschutzklagen hat der Zeitarbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang gegen den Verleiher und nicht gegen den Entleiher zu richten.

WAGNER HALBE Rechtsanwälte
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