Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - machtlos vor dem gelben Schein?

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Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers?

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt für viele Arbeitgeber ein rotes Tuch dar. Das mag daran liegen, dass sie häufig dagegen machtlos sind, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit anzeigt. Wahrscheinlich wird es noch häufiger darin begründet sein, dass sie der Bescheinigung nicht trauen und davon ausgehen, mal wieder vorgeführt zu werden von dem Arbeitnehmer, der sowieso machen kann, was er will und hierbei durch das Arbeitsrecht und die Arbeitsgerichte auch noch geschützt wird. Doch was hat es auf sich mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und steht ihr der Arbeitgeber wirklich machtlos gegenüber? Erste Antworten darauf soll der folgende Beitrag liefern.

Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer kraft des Arbeitsvertrages verpflichtet, seine Arbeitsleistung in dem vereinbarten Umfang zu leisten. Tut er dies nicht, so wird er vertragsbrüchig und der Vertragspartner ist berechtigt, hieraus Konsequenzen zu ziehen, jedenfalls muss er für die nicht geleistete Arbeit keine Gegenleistung erbringen, sprich keine Vergütung zahlen. Wenn dies mal so einfach wäre.

Christine George-Jakubowski
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Das Gesetz stellt den Arbeitnehmer auf Grund seiner schwächeren Position unter besonderen Schutz

Das deutsche Recht geht – meines Erachtens auch nicht ohne Grund – davon aus, dass der Arbeitnehmer strukturell in der schwächeren Position und daher schutzwürdig ist. Und in der Tat ist es so, dass der Arbeitnehmer in der Regel mit seiner Arbeit nicht nur einen von vielen Punkten in seiner wirtschaftlichen Bilanz erledigt, sondern dass er damit seine Existenz sichert, sprich damit sorgt er für sich und seine Kinder sowohl für das Brot als auch für die Butter oben drauf. Während es also für den Arbeitgeber im Grunde um einen Kosten/Nutzen-Faktor geht, steht für den Arbeitnehmer dessen Existenz auf dem Spiel. Wie gesagt, dies ist in der Regel und strukturell so. Das heißt nicht, dass nicht mancher Arbeitgeber das Wohlergehen seiner Angestellten vor das eigene stellt. Jedoch ist dies die Situation, der das Arbeitsrecht begegnen muss und an der sich die einzelnen Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit orientieren.

Entgegen dem oben gesagten, kann der Arbeitnehmer also unter Umständen die Gegenleistung verlangen, obwohl er seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

§ 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz besagt:

"Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen."

Eine Regelung, deren Gehalt den meisten Arbeitgebern keine Probleme bereitet. Schwierig wird es allerdings im Einzelfall. Genauso wenig, wie an der grundsätzlichen Berechtigung der Entgeltfortzahlung gerüttelt werden soll, kann geleugnet werden, dass es Arbeitnehmer gibt, die sich diese Regelung zunutze machen, ohne dass in ihrem Fall die grundsätzlichen die Regelung tragenden Erwägungen verwirklicht wären.

Nicht umsonst hat die deutsche Sprache hierfür einen eigenen Begriff entwickelt:

krank|fei|ern (umgangssprachlich scherzhaft) für einige Zeit der Arbeit fernbleiben, ohne wirklich so krank zu sein, dass es ein
Zuhausebleiben rechtfertigt (Quelle: www.duden.de Stichwort: Krankfeiern)

Wie also steht es um die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers und Arbeitgebers im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers?

Zunächst einmal wird der Arbeitnehmer von seiner vertraglichen Pflicht, in der vertraglichen Zeit Arbeitsleistung zu erbringen, frei, wenn er diese Leistung nicht erbringen kann. Sie ist ihm "unmöglich" und niemand soll etwas müssen, was er nicht kann. So lautet bereits einer der Grundsätze des römischen Rechts (Ultra posse nemo obligatur).

Aufgrund der bereits beschriebenen strukturellen Unterlegenheit ordnet das Gesetz zusätzlich an, dass der Arbeitgeber die Vergütung schuldet, obwohl er seinerseits die vereinbarte Leistung nicht erhält.

So weit, so gut. Was kann der Arbeitgeber aber tun, wenn er davon ausgeht, dass tatsächlich nicht der Fall des § 3 EFZG sondern der des „Krankfeierns“ vorliegt?

Im Regelfall reicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus und erfordert keine weiteren Erklärungen

An diesem Punkt kommt man erneut an grundsätzliche Überlegungen. Haben Sie als Arbeitgeber Interesse daran, Ihren Gesundheitszustand mit Dritten zu diskutieren? Sicher, wenn es nur eine Erkältung ist, kann man es ja mitteilen, aber würden Sie verpflichtet sein wollen, alle Erkrankungen die einen so treffen, vor Anderen ausbreiten zu müssen? Wahrscheinlich nicht. Und eben dieses gilt auch für Ihre Arbeitnehmer. Und daher besagt auch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, dass es im Regelfall ausreicht, wenn der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, die seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Den besagten gelben Schein.

Liegt eine solche Bescheinigung vor, so kommt ihr ein hoher Beweiswert zu, so die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Als Arbeitgeber kann man also im Normalfall nicht damit durchdringen, dass man Zweifel daran hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank sei. Wie gesagt: im Normalfall.

Was kann der Arbeitgeber aber tun, wenn nicht der Normalfall vorliegt, sondern objektive Tatsachen den Schluss nahelegen, dass der Arbeitnehmer entweder den Arzt über das Vorliegen von Beschwerden getäuscht, oder – auch das soll vorkommen – der Arzt ohne näheres hinschauen eine Arbeitsunfähigkeit aus Gefälligkeit gegenüber seinem Patienten bescheinigt?

Es gibt Tatsachen die zu Zweifeln an der Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung berechtigen

Liegen solche Tatsachen vor, so ist nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Das heißt, dass allein diese Bescheinigung nicht den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erbringen kann. Was solche Tatsachen sein können, lässt sich nicht abschließend abstrakt festlegen. Vielmehr muss dies im Einzelfall geprüft werden. Als Umstände, die den Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung erschüttern können, sind zum Beispiel anerkannt worden:

-      Erteilung einer Bescheinigung ohne Untersuchung oder nur nach telefonischer Rücksprache

-      Ankündigung einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer

-      Erkrankung nach Ablehnung eines Urlaubsantrages

-      Wiederholte Erkrankung jeweils im Anschluss an den Heimaturlaub ausländischer Arbeitnehmer

-      Umbuchung eines Urlaubsrückflugs vor Krankschreibung auf den Tag des Endes der Krankschreibung

-      Durchführung von beschwerlichen Reisen

-      Mit der Arbeitsunfähigkeit unvereinbare Freizeitaktivitäten

-      Arbeit außerhalb der Arbeitsstelle

Liegen solche Umstände vor, heißt das aber nicht, dass der Arbeitnehmer nicht krank war. Es heißt lediglich, dass der Arbeitnehmer seine Erkrankung nicht allein durch die Vorlage der Bescheinigung nachzuweisen hat. Als Arbeitgeber steht man aber nach wie vor  vor dem Problem, die Tatsachen nicht zu kennen und erst recht die vermuteten Umstände in der Regel nicht beweisen zu können.

Hier gibt es mehrere Handlungsmöglichkeiten, die der Arbeitgeber ergreifen kann.

Als Erstes kann er den medizinischen Dienst der Krankenkassen informieren. Die Krankenversicherung hat bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dessen Stellungnahme einzuholen.

Darüber hinaus kann der Arbeitgeber, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch die Bescheinigung allein nicht nachgewiesen ist, die Entgeltfortzahlung zurückhalten. Sollte es über die Zahlungspflicht zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren kommen, muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit beweisen.

Eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit kann eine Kündigung rechtfertigen

Stellt sich heraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat, um die Entgeltfortzahlung zu erlangen, kann der Arbeitgeber schließlich das Arbeitsverhältnis grundsätzlich auch kündigen. Dabei gilt es jedoch zweierlei zu beachten.

Erstens genügt es hier nicht, den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern. Vielmehr muss der Arbeitgeber beweisen können, dass der Arbeitnehmer nicht krank war. Zweitens sind, wie bei allen verhaltensbedingten Kündigungen, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Ohne deren Prüfung ist eine Einschätzung darüber, ob eine Kündigung wirksam ist, nicht möglich.

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