Die krankheitsbedingte Kündigung am Beispiel häufiger Kurzerkrankungen
Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, KündigungMittlerweile hat sich nicht nur bei den Arbeitgebern, sondern auch bei den meisten Arbeitnehmern herum gesprochen, dass eine Krankheit nicht davor schützt, eine Kündigung zu erhalten.
Doch – so fragt sich mancher – wie oft darf ich denn krank sein, ohne eine Kündigung befürchten zu müssen? Nun, die Antwort ist wie so oft: „Es kommt darauf an.“
Zunächst ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt oder nicht. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von mindestens sechs Monaten Dauer. Ferner darf kein Kleinbetrieb vorliegen, d.h. es müssen mehr als zehn Arbeitnehmer (ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten) beschäftigt werden. Findet das Gesetz keine Anwendung, kann der Arbeitgeber regelmäßig ohne Grund eine Kündigung erklären, selbst wenn der Arbeitnehmer nie krank war.
Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, darf der Arbeitnehmer krankheitsbedingt gekündigt werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Es liegt eine negative Prognose hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers vor.
- Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Fehlzeiten des Mitarbeiters führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen durch Lohnfortzahlungskosten), die eine billigerweise nicht mehr hinzunehmende Belastung des Arbeitgebers darstellen.
Nun muss, um diese Kriterien mit Leben zu füllen, in einem zweiten Schritt unterschieden werden zwischen den in Betracht kommenden Krankheitsarten, da die Anforderungen an eine negative Prognose davon abhängen, mit welchem Krankheitsbild man es zu tun hat:
- Häufige Kurzerkrankungen
- Lang andauernde Arbeitsunfähigkeit
- Krankheitsbedingtes Unvermögen, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen
- Erhebliche krankheitsbedingte Leistungsminderung
Wir wollen uns in diesem Ratgeber mit der Frage befassen, wann denn bei häufigen Kurzerkrankungen mit einer rechtmäßigen Kündigung zu rechnen ist:
Zu 1. : Für eine negative Prognose muss von weiteren häufigen Kurzerkrankungen in der Zukunft auszugehen sein. Weil der Arbeitgeber die Ursachen der Kurzerkrankungen zum Zeitpunkt der Kündigung zumeist nicht kennt, darf er nach der Rechtsprechung zunächst einmal davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer, der über einen Beobachtungszeitraum von 24 Monaten aufgrund von Kurzerkrankungen insgesamt mehr als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig krank war, auch weiterhin oft krank sein wird. Will der Arbeitnehmer diese negative Prognose im Kündigungsschutzprozess widerlegen, muss er seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und konkret darlegen, dass seine häufigen Kurzerkrankungen nicht auf ein chronisches Grundleiden, sondern auf voneinander unabhängige Krankheitsursachen zurückzuführen sind.
Zu 2. : Häufige Kurzerkrankungen sind für den Arbeitgeber vergleichsweise teuer, da er immer wieder erneut bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten muss, wohingegen er bei einer lang andauernden Krankheit nur einmal für sechs Wochen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist und danach die Krankenkasse Krankengeld zahlt. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers in der Regel erheblich beeinträchtigt sind, wenn er über einen Zeitraum von zwei aufeinander folgenden Jahren jeweils mehr als sechs Wochen pro Jahr Entgeltfortzahlung leisten muss. Wirtschaftliche Interessen können auch durch Umsatzeinbußen oder durch zusätzliche Personalkosten beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nimmt die Rechtsprechung an, wenn immer wieder Aushilfskräfte eingearbeitet werden müssen oder wenn der Betriebsfrieden durch die ständige Mehrbelastung von Arbeitskollegen gestört wird.
Weiterhin ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die zu Punkt 2. festgestellte Beeinträchtigung seiner betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Interessen (noch eben gerade) zugemutet oder eben nicht mehr zugemutet werden kann. Dieser Prüfungspunkt hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, jedoch muss der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der 20 Jahre zur Zufriedenheit gearbeitet hat, mehr Kurzerkrankungen zubilligen als einem erst wenige Jahre beschäftigten und bereits von Anfang an immer wieder krankheitsbedingt ausfallenden Arbeitnehmer. Beruhen die Beeinträchtigungen der Interessen des Arbeitgebers allein auf der Belastung mit Lohnfortzahlungskosten, müssen diese nach der Rechtsprechung pro Jahr für mindestens ungefähr 45 bis 60 Krankheitstage anfallen und damit "erheblich" über dem Sechswochenzeitraum des § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz liegen.