Diskriminierung von Vätern wegen verlängerten Mutterschaftsurlaubs?

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Der Europäische Gerichtshof hat am 18.11.2020 zum Aktenzeichen C-463/19 entschieden, dass in einem nationalen Tarifvertrag ein zusätzlicher Mutterschaftsurlaub ausschließlich Müttern vorbehalten werden darf, jedoch ist darzutun, dass dieser zusätzliche Urlaub den Schutz der Arbeitnehmerinnen hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft und ihrer Mutterschaft bezweckt.

Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 139/2020 vom 18.11.2020 ergibt sich:

Jens Usebach
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Das Syndicat CFTC du personnel de la Caisse primaire d’assurance maladie (CPAM) de la Moselle (Gewerkschaft CFTC des Personals der gesetzlichen Krankenkasse des Département Moselle) klagt gegen die Weigerung dieser Krankenkasse, dem Vater eines Kindes den Urlaub zu gewähren, der Arbeitnehmerinnen zusteht, die ihr Kind selbst erziehen, und der im nationalen Tarifvertrag für das Personal der Sozialversicherungsträger vorgesehen ist.
Der von der Gewerkschaft angerufene Conseil des prud’hommes de Metz (Arbeitsgericht Metz) weist auf ein Urteil der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) hin, die entschieden habe, dass der fragliche Urlaub einen zusätzlichen Mutterschaftsurlaub nach Ablauf des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs darstelle und somit dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Frau und ihrem Kind in der Zeit nach der Schwangerschaft und der Entbindung diene. In Anbetracht dieses Urteils hat das genannte Arbeitsgericht den EuGH gefragt, ob das Unionsrecht die Möglichkeit ausschließt, nach dem Mutterschaftsurlaub einen dreimonatigen Urlaub bei halber Bezahlung oder einen eineinhalbmonatigen Urlaub bei voller Bezahlung sowie einen einjährigen unbezahlten Urlaub Arbeitnehmerinnen, die ihre Kinder selbst erziehen, vorzubehalten.

Der EuGH hat entschieden, dass die Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG (ABl. 2006, L 204, 23) einem nationalen Tarifvertrag nicht entgegensteht, der den Arbeitnehmerinnen, die ihr Kind selbst erziehen, einen Anspruch auf Urlaub nach Ablauf des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs vorbehält, sofern dieser zusätzliche Urlaub den Schutz der Arbeitnehmerinnen sowohl hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft als auch hinsichtlich ihrer Mutterschaft bezweckt, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung insbesondere der Voraussetzungen für die Gewährung dieses Urlaubs, seiner Ausgestaltung und Dauer sowie des mit diesem Urlaub verbundenen rechtlichen Schutzniveaus zu prüfen hat.

Die Gleichbehandlungsrichtlinie verbiete jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, so der EuGH. Jedoch könne ein Mitgliedstaat nach Ablauf des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs der Mutter des Kindes einen zusätzlichen Urlaub vorbehalten, wenn dieser die Mutter nicht in ihrer Eigenschaft als Elternteil, sondern sowohl hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft als auch hinsichtlich ihrer Mutterschaft betreffe. Ein solcher zusätzlicher Urlaub müsse nämlich dazu dienen, den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau sowie der besonderen Beziehung der Mutter zu ihrem Kind in der Zeit nach der Entbindung zu gewährleisten.

Ein Tarifvertrag, der einem Arbeitnehmer, der sein Kind selbst erziehe, einen solchen zusätzlichen Urlaub verwehre, schaffe eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Eine solche Ungleichbehandlung erscheine nur dann mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar, wenn sie den Schutz der Mutter sowohl hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft als auch hinsichtlich ihrer Mutterschaft bezwecke, d.h., wenn sie den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau sowie der besonderen Beziehung der Mutter zu ihrem Kind in der Zeit nach der Entbindung gewährleisten soll. Sollte der im Tarifvertrag vorgesehene Urlaub für Frauen allein in ihrer Eigenschaft als Elternteil gelten, würde er mithin eine unmittelbare Diskriminierung der Arbeitnehmer begründen.

Ein Urlaub, der sich an den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub anschließe, könne als integraler Bestandteil eines Mutterschaftsurlaubs angesehen werden, dessen Dauer für Arbeitnehmerinnen länger und günstiger ist als die gesetzliche Dauer. Allerdings sei die Möglichkeit, einen den Müttern vorbehaltenen Urlaub nach Ablauf des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs einzuführen, von der Voraussetzung abhängig, dass der Urlaub selbst den Schutz der Frauen bezwecke. Folglich genüge die bloße Tatsache, dass ein Urlaub unmittelbar auf den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub folge, nicht für die Annahme, dass er den Arbeitnehmerinnen, die ihr Kind selbst erziehen, vorbehalten werden könne.

Zudem müsse das nationale Gericht konkret prüfen, ob der vorgesehene Urlaub im Wesentlichen den Schutz der Mutter sowohl hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft als auch hinsichtlich ihrer Mutterschaft bezwecke.

Die im Tarifvertrag vorgesehene Urlaubsdauer – von eineinhalb Monaten bis zu zwei Jahren und drei Monaten – könne stark variieren. Diese Dauer könne somit erheblich länger sein als die des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs von 16 Wochen nach dem französischen Code du travail (Arbeitsgesetzbuch), und der fragliche Urlaub sei, wenn er für die Dauer von einem oder zwei Jahren in Anspruch genommen werde, „unbezahlt“, was für die Arbeitnehmerin nicht die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder den Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung zu gewährleisten scheine; dies werde für Mutterschaftsurlaub nach der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG (ABl. 1992, L 348, 1) aber zwingend vorausgesetzt.

Rechtsanwalt & Fachanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. mit den Tätigkeitsschwerpunkten Kündigungsschutz & Arbeitsrecht von der Schwerpunktkanzlei JURA.CC informiert Sie gern zum Kündigungsschutzrecht bei einer Kündigung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber.