Kündigung = Abfindungsanspruch?

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Kündigung, Aufhebungsvertrag, Abfindung, Kündigungsschutz, Sperrzeit
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Wann ich eine Abfindung verlangen kann

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht bekomme ich häufig die Frage zu hören: "Ich habe mir schließlich nichts zuschulden kommen lassen. Wenn der Arbeitgeber nun das Arbeitsverhältnis beenden will, muss er doch sicherlich eine Abfindung bezahlen?"

Ob und inwieweit dies zutrifft, soll nachfolgend dargestellt werden.

  1. Gesetzlicher Anspruch auf Abfindung? (§ 1 a KSchG)

Entgegen einer verbreiteten Ansicht – und möglicherweise auch entgegen dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden - sieht das Gesetz nur in ganz besonderen Ausnahmefällen einen Anspruch auf eine Abfindung vor.

Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung kann sich namentlich aus § 1 a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ergeben:

Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung dann, wenn dieser ihm die Abfindung in der Kündigungserklärung ausdrücklich für den Fall versprochen hat, dass der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Weitere Voraussetzungen dieses Anspruches sind, dass die Abfindung ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr beträgt und dass der Grund für die Kündigung betriebsbedingt ist und ebenfalls in der Kündigungserklärung ausdrücklich so benannt ist.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so bedarf es auf Seiten des Arbeitnehmers keiner weiteren Handlung. Der Anspruch auf die Abfindung entsteht in diesem Fall „automatisch" in dem Moment, in dem die dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage endet, ohne dass eine solche erhoben wird.

  1. Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag

Ein Anspruch auf Bezahlung einer Abfindung kann sich auch aus einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Diese Verträge werden – je nach Gestaltung – als „Aufhebungsvertrag" oder „Abwicklungsvertrag" bezeichnet.

Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses, wonach dieses zu einem bestimmten Termin enden soll. Selbstverständlich enthält ein Aufhebungsvertrag typischerweise weitere Regelungen, beispielsweise zur Herausgabe von Arbeitsmaterialien, zum Inhalt eines Arbeitszeugnisses, Urlaubsregelungen, pp. Weiterhin werden in einem Aufhebungsvertrag typischerweise Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers postuliert.

Demgegenüber regelt ein Abwicklungsvertrag die Wirkungen einer zuvor oder daneben ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Regelmäßig enthält ein solcher Abwicklungsvertrag neben typischen Regelungen, wie sie auch ein Aufhebungsvertrag enthält, den Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Der ursprüngliche Hauptgrund für den Abschluss eines Abtretungsvertrages neben dem Ausspruch einer Kündigung war, die mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages verbundenen Nachteile, insbesondere beim Bezug von Arbeitslosengeld (Sperrzeit) zu umgehen.

Die Sozialgerichte haben jedoch schnell erkannt, dass ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied zum Aufhebungsvertrag nicht besteht. Der Abwicklungsvertrag wird daher sozialrechtlich im Wesentlichen gleich behandelt, wie der Aufhebungsvertrag und führt somit ebenfalls zu einer Sperrzeit. (hierzu weiter unten)

  1. Sozialplan

In Betrieben mit einem Betriebsrat kann dieser unter der Voraussetzung, dass in dem Unternehmen regelmäßig mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt werden, den Abschluss eines Sozialplans durchsetzen, wenn wesentliche Betriebsänderungen zu Nachteilen für die Mitarbeiter führen.

Solche Betriebsänderungen sind beispielsweise die Einschränkung oder Stilllegung eines Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen, die Verlegung eines gesamten Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen, der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben, pp.

Liegt eine solche Betriebsänderungen vor und hat diese nachteilige Auswirkungen auf wesentliche Teile der Belegschaft, so kann der Betriebsrat auch gegen den Willen des Arbeitgebers (ggfs. durch Spruch der Einigungsstelle) einen Vertrag mit dem Arbeitgeber durchsetzen, welcher die Minderung oder Beseitigung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile zum Gegenstand hat. Dies kann, wenn die Betriebsänderung die Entlassung von Mitarbeitern zum Gegenstand hat oder zur Entlassung von Mitarbeitern führt, einen Anspruch auf eine Abfindung beinhalten.

Der Sozialplan ist eine so genannte „Betriebsvereinbarung". Dies bedeutet unter anderem, dass jeder einzelne Arbeitnehmer des Betriebs sich unmittelbar auf den Inhalt des Sozialplans berufen kann und notfalls in einem arbeitsgerichtlichen Prozess die Bezahlung der darin vereinbarten Abfindung einklagen kann.

  1. Arbeitsgerichtlicher Vergleich

Im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Klageverfahrens können die Parteien jederzeit über den Klageanspruch in der Weise verfügen, dass sie eine Einigung („Vergleich") schließen. Dies ist vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so gewünscht. Hierzu sieht das Prozessrecht ausdrücklich und zwingend einen ersten Termin vor, welcher gerade den Zweck hat, eine Einigung zwischen den Parteien des Rechtsstreits herbeizuführen (so genannter „Gütetermin").

Inhaltlich wird in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich, welcher häufig im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses geschlossen wird, nichts anderes vereinbart, als typischerweise in einem Aufhebungsvertrag oder einem Abwicklungsvertrag geregelt wird.

In den allermeisten Fällen erklärt sich der Arbeitgeber in einem solchen Vergleich bereit, eine Abfindung an den Arbeitnehmer zu bezahlen. Hintergrund ist die besondere Prozessrisiko Lage des Arbeitgebers:

Mit der Kündigung hat der Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht, dass er den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann. Würde er ihn nun über das Ende der Kündigungsfrist hinaus weiter beschäftigen, widerspräche er damit dem von ihm selbst behaupteten Kündigungsgrund. Faktisch kann der Arbeitgeber daher, sofern er seine Chancen beim Kündigungsschutzprozess nicht vollständig verlieren möchte, den Arbeitnehmer nicht mehr einsetzen.

Andererseits wiederum läuft er Gefahr, dass das Gericht – möglicherweise auch erst in zweiter Instanz – feststellt, dass die Kündigung unwirksam ist. Dies hätte zur Folge, dass der Arbeitgeber für die Vergangenheit nicht bezahlten Lohn nachentrichten muss (ohne die Leistungen in Anspruch genommen zu haben) und weiterhin den Arbeitnehmer nun wieder beschäftigen muss.

Hält man sich nun vor Augen, dass bei einem Verfahrensgang über zwei Instanzen von einer Dauer von ca. 1 bis 1 1/2 Jahren auszugehen ist, so wird deutlich, dass der Arbeitgeber ein hohes Risiko trägt, wenn er sich nicht einigt, sondern dem Kündigungsschutzverfahren seinen Lauf lässt.

Dieses Risiko ist natürlich für den Arbeitgeber höher, je geringer seine Aussichten im Kündigungsschutzprozess sind. Da aber ohnedies die Verteidigung einer Kündigung im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess für den Arbeitgeber ein „hartes Brot" ist, bei dem letztlich eine hundertprozentige Gewissheit nur selten von Anfang an besteht, sind Arbeitgeber regelmäßig bereit, eine Abfindung zu bezahlen um so Sicherheit zu erhalten.

  1. Arbeitsgerichtliches „Gestaltungsurteil" (§§ 9, ff. KSchG

Stellt das Arbeitsgericht in einem Kündigungsschutzverfahren fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, kann es auf gesonderten Antrag das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufheben, gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe das Gericht festlegt. Hierbei ist das Gericht allerdings an die Begrenzungen in § 10 KSchG gebunden.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die antragstellende Partei unzumutbar geworden ist. Die Gründe für die Unzumutbarkeit liegen hier regelmäßig in dem Zeitraum nach Ausspruch der ursprünglich streitgegenständlichen Kündigung (Beispielsweise Beleidigungen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses). Die bereits im Rahmen der Kündigung vorgebrachten Gründe, die zur Rechtfertigung der Kündigung nicht genügten, können hingegen nicht einfach „umgewandelt" werden und nun zur Rechtfertigung des Auflösungsantrags herangezogen werden.

Zu beachten ist, dass bei bestimmten Arbeitnehmern, namentlich so genannten „leitenden Mitarbeitern" eine Begründung des Arbeitgebers für den Auflösungsanspruch nicht erforderlich ist. Bei leitenden Arbeitnehmern kann der Arbeitgeber also dann, wenn das Kündigungsschutzverfahren erfolgreich ist, stets die Auflösung des Arbeitsverhältnisses (wenn auch nur gegen Zahlung einer Abfindung) erreichen.

  1. Höhe der Abfindung

Soweit die Abfindung auf einer Vereinbarung zwischen den Parteien (Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag, Vergleich) beruht, unterliegt ihre Höhe allein der Verhandlung. Diese gleicht hier ein wenig den Verhandlungen auf einem orientalischen Basar:

Der Arbeitgeber möchte gerne die Sicherheit erreichen, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet ist. Der Arbeitnehmer demgegenüber hat zunächst ein Interesse daran, das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Um eine Abfindung zu erreichen, muss der Arbeitnehmer jedenfalls vorgeben, dieses Interesse weiter zu verfolgen, auch wenn er möglicherweise bereits eine neue Stelle in Aussicht hat und/oder nach dem Ausspruch der Kündigung ohnedies kein hinreichendes Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber mehr besteht.

Diese typische Verhandlungssituation hat in der Vergangenheit zur Ausbildung typischer Vergleichsinhalte geführt. So gehen die Gerichte davon aus, bei Unklarheit darüber, wer den Kündigungsschutzprozess gewinnen oder verlieren wird, sei eine Abfindungszahlung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr angemessen (so genannte „Regelabfindung").

Hieraus ergibt sich aber auch, dass eine höhere Abfindung zu erreichen sein wird, wenn die Chancen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess besser sind und eine niedrigere, wenn die Chancen des Arbeitnehmers schlechter sind. Feste Regeln über die Höhe der Abfindung bestehen jedenfalls nicht.

  1. Steuern, Sozialversicherung, Sperrzeit

Abfindungen sind grundsätzlich nicht steuerfrei. Sie sind jedoch unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich begünstigt. Dies setzt voraus, dass es sich um eine so genannte „steuerliche Einmalzahlung" handelt.

Es wird davon ausgegangen, dass eine Abfindung nach mehrjähriger Tätigkeit für einen Arbeitgeber eine Vergütung darstellt, die nicht nur für den laufenden Besteuerungszeitraum sondern für mehrere Besteuerungszeiträume in der Vergangenheit geleistet wird.

Es gilt in einem solchen Fall die so genannte Fünftel-Regelung (§ 34 EStG) deren wesentlicher Inhalt darin besteht, dass die Abfindung zwar in voller Höhe der Einkommensteuer unterworfen wird, jedoch für die Ermittlung der Progressionsstufe lediglich ein Fünftel der Abfindungssumme zu Grunde gelegt wird.

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Abfindung als Einmalzahlung geleistet wird und dass der Jahresbetrag der Einkünfte einschließlich der Abfindung denjenigen übersteigt, der bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses im laufenden Besteuerungszeitraum erzielt worden wäre.

Die Abfindung ist nicht der Sozialversicherung unterworfen.

Grundsätzlich wird die Abfindung auch nicht angerechnet auf Ansprüche auf Arbeitslosengeld. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn mit der Vereinbarung zugleich eine Verkürzung der Kündigungsfrist verbunden ist oder wenn in der Abfindung Urlaubsabgeltungsansprüche enthalten sind.

Wurde in der Aufhebungsvereinbarung eine Verkürzung der Kündigungsfrist vereinbart, so beginnt der Anspruch auf Arbeitslosengeld erst dann, wenn 60 % der Abfindung bei Weiterbeschäftigung in der Kündigungsfrist als Lohn gezahlt worden wäre (§ 158 SGB III).

Vor allem ist jedoch die Sperrzeitregelung des § 159 Abs.1 Ziff.1 SGB III zu beachten. Danach wird eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld von regelmäßig zwölf Wochen verhängt, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

Jede Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber ist damit grundsätzlich mit der Gefahr verbunden, dass die Arbeitsagentur eine Sperrzeit verhängt. Gleiches gilt aber auch für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eines Abtretungsvertrages.

Dem Grunde nach ist es zwar so, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages dann nicht zu einer Sperrzeit führen würde, wenn das Arbeitsverhältnis auch ohne den Abschluss des Vertrages zum selben Zeitpunkt wirksam beendet worden wäre. Allein eine entsprechende Formulierung des Aufhebungsvertrages („... zur Vermeidung einer ansonsten unumgänglichen arbeitgeberseitigen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen") gibt jedoch nicht die Gewissheit, dass die Arbeitsagentur dies auch „glauben" wird.

Sicherheit kann in solchen Fällen nur der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs bieten. Enthält ein arbeitsgerichtlicher Vergleich die Formulierung

„Die Parteien sind sich darin einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung vom XX.XX.XXXX sein fristgemäßes Ende finden wird",

so sind auch die Arbeitsagentur und die Sozialgerichte hieran gebunden. Eine Sperrzeit wird dann also nicht verhängt.

Arbeitnehmer, denen ein Abwicklungsvertrag oder ein Aufhebungsvertrag angeboten wird, sollten sich also dringend vor Unterzeichnung arbeitsrechtlich beraten lassen. Gewähr für umfangreiche arbeitsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen bietet der von der Rechtsanwaltskammer verliehene Titel „Fachanwalt für Arbeitsrecht".

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