Kündigung wegen Diebstahls von Büromaterial wirksam?

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Diebstahl stellt schwerwiegenden Vertrauensverlust dar

Ein Interview von Toni Ivanov mit Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Toni Ivanov: Kann der Diebstahl von geringwertigen Arbeitsmaterialien die fristlose Kündigung begründen?


Fachanwalt Bredereck: Was auf den ersten Blick wie ein harmloses Kavalierdelikt aussieht, kann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Verübt ein Angestellter einen Diebstahl am Arbeitsplatz zulasten des Arbeitgebers, verletzt er zugleich seine arbeitsvertraglichen Pflichten so erheblich, dass der Arbeitgeber einen rechtlich ausreichenden Grund dafür hat, eine fristlose Kündigung auch ohne vorausgehende Abmahnung auszusprechen. Der Grund dafür liegt darin, dass sogar die erstmalige Mitnahme von bloßem Büromaterial ein zum Nachteil des Arbeitgebers vorsätzlich begangenes Eigentums- oder Vermögensdelikt darstellt. Der Arbeitnehmer sollte daher, unabhängig vom Wert der „Beute", mit einer (fristlosen) Kündigung rechnen.
Dasselbe gilt für das private Kopieren von Unterlagen am Arbeitsplatz, da dies ebenfalls eine rechtswidrige Aneignung von fremden Materialien (Toner und Papier) darstellt.

Toni Ivanov: Wann ist das Aussprechen einer außerordentlichen Kündigung rechtmäßig?

Fachanwalt Bredereck: Zu fragen ist, ob im Einzelfall eine Abmahnung ausgereicht hätte. Das ist nicht der Fall, wenn in dem Diebstahl zugleich ein schwerer Vertragsverstoß gegen die Hauptleistungspflichten bzw. gegen die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 II BGB zu sehen ist. Hier liegt eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vor, wobei zu prüfen ist, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. Als Argumente, die gegen eine Kündigung sprechen, kommen insbesondere die längere Beschäftigungsdauer ohne Beanstandungen sowie die Unwahrscheinlichkeit einer Wiederholung des Diebstahls in Betracht. In diesem Fall wäre das Aussprechen einer fristlosen Kündigung unverhältnismäßig.

Toni Ivanov: Muss ich etwas unternehmen, wenn ich über einen solchen Fall Bescheid weiß?

Fachanwalt Bredereck: Sie müssen Ihrem Arbeitgeber den Diebstahl anzeigen, wenn er sich in Ihrem Tätigkeitsbereich abspielt und Wiederholungsgefahr besteht. Andernfalls riskieren Sie selbst eine Kündigung. Ratsam ist es daher in diesem Fall, dass Sie Ihrem Arbeitgeber zumindest anonym einen Hinweis diesbezüglich zu geben.

Fachanwaltstipp für Arbeitgeber

Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, um bösgläubige Mitarbeiter zur Rechenschaft zu ziehen. Eine heimliche Überwachung per Videokamera ist zwar nicht erlaubt, da Sie dadurch das grundgesetzlich garantierte allgemeine Persönlichkeitsrecht ihrer Angestellten verletzen. Eine Taschenkontrolle ist ebenso unzulässig, es sei denn, sie wird angemessen durchgeführt (sämtliche Arbeitnehmer nehmen teil) und die ernste Gefahr von Diebstählen besteht. Die Durchführung eines Protokolls mit den zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterialien ist dagegen zulässig und kann durchaus effektiv sein.

Beachten Sie ferner, dass beim Diebstahl geringwertiger Sachen gem. § 248a StGB eine Strafanzeige ihrerseits bei der Polizei für die Strafverfolgung erforderlich ist. Mit deren Hilfe können Sie dann Diebesfallen einsetzen, um den Täter strafrechtlich überführen zu können.

Fachanwaltstipp für Arbeitnehmer

Gehen Sie als Arbeitnehmer mit dem „Ausleihen" von Büromaterial sehr vorsichtig vor. Trotz der Geringwertigkeit der Sachen, kann Ihnen dies den Job kosten. Verdächtigt der Arbeitgeber Sie dagegen zu Unrecht, dann können Sie in bestimmten Fällen sogar selber kündigen. Es wird aber zuerst eine Abmahnung vorausgesetzt.

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