Kündigungsschutz im Kleinbetrieb bei treu- bzw. sittenwidriger Kündigung

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Maßstäbe der Sittenwidrigkeit

Nach dem Kündigungsschutzgesetz bedürfen ordentliche Kündigungen des Arbeitgebers zu ihrer Wirksamkeit der sozialen Rechtfertigung durch Gründe, die entweder in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers, oder aber durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt sind.

Anwendung findet das Kündigungsschutzgesetz jedoch nur, wenn in dem Betrieb des gekündigten Arbeitnehmers ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden dabei mit 0,50, Arbeitnehmer mit nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 gezählt. Wird danach der Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern nicht erreicht, fällt das zu kündigende Arbeitsverhältnis nicht in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Der Arbeitgeber ist dann in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung weitestgehend frei, jedenfalls solange diese nicht gegen Treu und Glauben verstößt oder sittenwidrig ist.

Jörg Halbe
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Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zur Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG ausgeführt, dass den Arbeitnehmern im Kleinbetrieb das größere rechtliche Risiko eines Arbeitsplatzverlustes angesichts der schwerwiegenden grundrechtlichen geschützten Belange der Arbeitgeber zuzumuten ist, gleichzeitig aber betont, die Arbeitnehmer seien auch im Kleinbetrieb nicht komplett schutzlos gestellt. Obgleich die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetz nicht greifen, seien die Arbeitnehmer insoweit durch die zivilrechtlichen Generalklauseln der § 138 und § 242 BGB vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts, d.h. vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen des Arbeitgebers geschützt.

An die Prüfung der Sittenwidrigkeit ist dabei aber ein strenger Maßstab anzulegen. Die Sittenwidrigkeit einer Kündigung kann insbesondere nicht auf Gründe gestützt werden, die in den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen. Nicht jede Kündigung, die bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als sozialwidrig beurteilt werden müsste, ist deshalb schon sittenwidrig. Der schwere Vorwurf der Sittenwidrigkeit kann vielmehr nur in besonders krassen Fällen, die die Einhaltung eines „ethischen Minimums" vermissen lassen, erhoben werden. Das ist zum Beispiel anzunehmen, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv des kündigenden Arbeitgebers, wie zum Beispiel Rachsucht beruht oder aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht.

Das Kündigungsschutzgesetz hat zudem die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes geht, abschließend geregelt. Umstände, die im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes zu würdigen wären und welche die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen ließen, kommen daher als Verstöße gegen Treu und Glauben grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Kündigung verstößt nur dann gegen Treu und Glauben und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die vom Kündigungsschutzgesetz nicht erfasst sind, erfolgt und sich dabei als grob treuwidrig erweist. Dies ist typischerweise bei widersprüchlichem Verhalten des Arbeitgebers, einer Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form oder aber einer Kündigung, die den Arbeitnehmer diskriminiert, der Fall.

Der gekündigte Arbeitnehmer ist insoweit, anders als bei einer Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, voll darlegungs- und beweisbelastet, d.h. er hat vor dem Arbeitsgericht einen Sachverhalt vorzutragen, der eine Sitten- bzw. Treuwidrigkeit der Kündigung indiziert. Bleibt der klagende Arbeitnehmer derartigen Vortrag prozessual schuldig, ist eine auf Feststellung der Unwirksamkeit einer vermeintlich treu- bzw. sittenwidrigen Kündigung gerichtete Klage als unbegründet abzuweisen.

Fazit:

Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz auf Arbeitnehmer in Kleinbetrieben keine Anwendung findet, ist der Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt: Treu- und sittenwidrige Kündigungen sind nicht wirksam. Gegen diese kann gerichtlich vorgegangen werden. Der gegen seine Kündigung klagende Arbeitnehmer muss dann aber umfassend zu den Umständen vortragen, aus denen sich die Treu- bzw. Sittenwidrigkeit ableiten lässt. Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen dieser Umstände, muss der Arbeitnehmer diese beweisen, was – jedenfalls soweit es sich um innere Tatsachen, wie etwa Rachsucht, handelt – nicht einfach zu bewerkstelligen sein wird.

Kündigungswilligen Arbeitgebern ist daher auch im Kleinbetrieb dringend zu empfehlen, sich über die Kündigungsgründe weithin, insbesondere aber im Kündigungsschreiben, geschlossen zu halten.

Bei Fragen zur Kündigung im Kleinbetrieb können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen. Wir beraten und vertreten Arbeitgeber und Arbeitnehmer deutschlandweit!

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