Neues zum Mobbing am Arbeitsplatz

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Mobbing, Arbeitsplatz, Degradierung, Schmerzensgeld, Unterlassung
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Anmerkungen zum Urteil des ArbG Leipzig - Az 9 Ca 2854/11 -

Persönlichkeitsverletzungen am Arbeitsplatz, insbesondere das sog. Mobbing, beschäftigen seit einigen Jahren verstärkt die Arbeitsgerichte. In einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Leipzig wurden einem Oberarzt EUR 53.000,00 Schmerzensgeld zugesprochen. Sie soll zum Anlaß genommen werden, die wichtigsten Fragen zum Thema "Mobbing am Arbeitsplatz" zu beantworten.

Was versteht man unter dem Begriff "Mobbing"?

Der Begriff "Mobbing" bezeichnet die zielgerichtete Schikane oder Diskriminierung einer bestimmten Person, die oft von mehreren Kollegen gemeinsam, von Vorgesetzten oder sogar vom Arbeitgeber selbst ausgeübt wird. In Betracht kommen Tätlichkeiten, Ehrverletzungen, Demütigungen, Isolierung, unsinnige und schikanöse Arbeitsanweisungen, sachlich unbegründete Ungleichbehandlungen oder Ausschluss von Informationen und Kommunikation. Kennzeichnend für Mobbing ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen und Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzungshandlung. Oftmals kommt den einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet noch keine rechtliche Bedeutung zu - erst die fortgesetzte Kombination einiger oder mehrerer Handlungsformen erlangt in ihrer Gesamtschau die rechtliche Qualität des "Mobbings". Arbeitsausfälle, Fehlzeiten bis hin zur Kündigung oder lang andauernde Krankheit, die sonst nicht eingetreten wären, können die Folge sein.

Aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Leipzig zur sachgrundlosen Degradierung eines Oberarztes

In einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Leipzig (Az 9 Ca 3854/11) wurden einem Oberarzt 53.000,00 EUR Schmerzensgeld zugesprochen. Das entspricht dem 6,5-fachen des Monatsgehalts, so "Focus Online" am 14.01.2013 über das Urteil. Der Chefarzt einer Klinik hatte dem Oberarzt verboten, weiterhin Operationen durchzuführen. Er begründete dies damit, dass die vom Oberarzt durchgeführten Operationen schlecht verlaufen seien. In der Folge sollte er deswegen nur noch in der Ausbildung tätig sein und der Chefarzt schlug dem Oberarzt vor, sich einen anderen Job zu suchen. 

Der Oberarzt fühlte sich gemobbt und klagte, das angerufene Arbeitsgericht urteilte zugunsten des Oberarztes. Die Behauptung einer Schlechtleistung sei nicht bewiesen und stütze sich ausschließlich auf die Meinung des Chefarztes. Der Aufgabenentzug stelle in den Augen der übrigen Beschäftigten eine Degradierung dar. Auch der Hinweis, der Oberarzt solle sich einen anderen Job suchen, sei überzogen, berichtet "Focus Online" über das Urteil.

Ansprüche bei Mobbing und Beweislast

Arbeitnehmer, die von Mobbing betroffen sind, haben grundsätzlich Anspruch auf

- Zurückhaltung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Gehalts

- außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Schadensersatz durch Fortzahlung des Gehalts bis zur nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit zzgl. einer eventuellen Abfindung

- Schadensersatz und Schmerzensgeld

- Anspruch auf Unterlassung der Mobbingmaßmaßnahme, ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung

Grundsätzlich gelten auch bei Mobbing die Beweisregeln der Zivilprozessordnung. Der Arbeitnehmer muss die Tatsachen darlegen und beweisen, die den Schluss auf die von ihm begehrte Rechtsfolge zulassen. Eine wichtige Beweiserleichterung enthält § 22 AGG: Der Arbeitnehmer genügt seiner anfänglichen Beweislast mit der Geltendmachung von Tatsachen, die eine Benachteiligung i. S. v. § 1 AGG aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität vermuten lassen.

In der Praxis kommt der Aussage des Mobbing-Opfers nach dem Grundsatz der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens erhebliche Bedeutung im Verfahren zu. Betroffenen ist unbedingt zu empfehlen, die Mobbingmaßnahmen zu dokumentieren und Art, Zeitpunkt und den/die Handelnden schriftlich festzuhalten.

Ausschlussfristen beachten

Vertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen gelten auch für die Ansprüche aus auf Mobbing beruhenden Persönlichkeitsrechts- oder Gesundheitsverletzungen, ohne dass es einer besonderen Erwähnung dieser Ansprüche in einer entsprechenden Klausel bedarf. Zu berücksichtigen ist allerdings der zeitlich gestreckte Tatbestand der Anspruchsentstehung, der sich über einen längeren Zeitraum prozesshaft entwickelt. Aus diesem Grund knüpft die Rechtsprechung für die Bestimmung der Anspruchsentstehung im Sinne ihrer Fälligkeit an der letzten Schädigungshandlung an.

Fazit

Betroffene sollten bei fortgesetzten und zielgerichteten Mobbingmaßnahmen am Arbeitsplatz durch Kollegen und Vorgesetzte frühzeitig einen im Arbeitsrecht tätigen Rechtsanwalt aufsuchen, um die bestehenden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings prüfen zu lassen und frühzeitig rechlich geeignete Schritte gegen den bzw. die Verursacher einzuleiten. Das aktuelle Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig zeigt, dass bei einer bloßen Behauptung mangelhafter Arbeitsleistung und einer damit zusammenhängenden sachgrundlosen Degradierung ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld dem Grunde nach bestehen kann. Auch die Höhe des vom Arbeitgericht Leipzig zugesprochenen Schmerzensgeldanspruchs ist für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlich hoch. Es bleibt abzuwarten, ob die Instanzgerichte die Vorgaben des Bundesarbeitgerichts, bei Mobbing eine genaue Sachprüfung und eine abgewogene rechtliche Beurteilung vorzunehmen, zukünftig stärker beachten.

Leserkommentare
von guest-12325.01.2013 10:02:03 am 25.01.2013 09:31:29# 1
Sehr geehrte Damen und Herren,



das erwähnte Urteil ist leider eine sehr seltene Ausnahme und macht Betroffenen unberechtigte Hoffnung. Die sehr verallgemeinerte Kommentierung Ihrerseits tut ein Übriges. Als Betroffener habe ich einen Mobbingprozess durch alle Instanzen erlebt. Die Gerichte sind noch weit davon entfernt, Vorgaben des BAG umzusetzen. Trotz erfahrenem Anwalt, umfangreichem Tagebuch, 8-monatiger Arbeitsunfähigheit und Wiedereingliederungsvorschlag wurden Beweise ignoriert und die ZPO mit Füßen getreten.



Mit freundlichen Grüßen