Sozialversicherungspflicht für GmbH-Geschäftsführer?

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Bei GmbH-Geschäftsführern stellt sich häufig die Frage, ob sie der Sozialversicherungspflicht unterfallen. Diese Frage kann bedeutsam werden, wenn unternehmerisch tätige Geschäftsführer in den Genuss der Vorteile der gesetzlichen Sozialversicherung gelangen wollen. Weitere Gründe können sein, die Gesellschaft möchte umgekehrt die als lästig empfundenen Beitragspflichten oder etwa die sechswöchige Frist zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EFZG vermeiden.

Kann ein Geschäftsführer als "Chef" und Leiter eines Unternehmens überhaupt sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein?

In der gesetzlichen Rentenversicherung sind versicherungspflichtige Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB - VI. Buch). Das Gesamtbild der Arbeitsleistung ist entscheidend. Die sozialrechtliche Beurteilung erfolgt unabhängig davon, dass der Geschäftsführer nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und dazu BFH, Urteil vom 20.10.2010, VIII R 34/08).

Wie lauten die Voraussetzung für die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und abhängigem Beschäftigungsverhältnis?

Grundsätzlich sind für die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und abhängigem Beschäftigungsverhältnis auch beim GmbH-Geschäftsführer die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen, die das Bundessozialgericht (BSG) zu diesem Zweck aufgestellt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BAG, Urteil vom 20.1.2010, 5 AZR 99/09). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Wie sind diese Merkmale auf den Geschäftsführer anzuwenden?

Bei der GmbH sind zu unterscheiden die Gesellschafter-Geschäftsführer, die zugleich Anteile am der Gesellschaft halten, und die Fremdgeschäftsführer. Gesellschafter-Geschäftsführer müssen zunächst mehr als 50 % der Anteile halten, oder - falls die Satzung der Gesellschaft für die Beschlussfassung der Gesellschafter-Versammlung qualifizierte Mehrheiten von über 50 % erfordert - eine sog. Sperrminorität haben. Dadurch können Sie gegen sich gerichtete Beschlüsse verhindern und sind so regelmäßig als Selbständige anzusehen (BSG, Urteil vom 17.5.2001, B 12 KR 34/00). Ein Beschäftigungsverhältnis ist nämlich regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter auf die Willensbildung der Gesellschaft einen maßgeblichen rechtlichen oder tatsächlichen Einfluss ausübt und damit Einzelanweisungen jederzeit verhindern kann (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85, L 8 KR 272/09).

Bei Gesellschafter-Geschäftsführern ohne Mehrheit oder zumindest eine Sperrminorität der Stammanteile und Fremdgeschäftsführern ist demgegenüber regelmäßig von einem Arbeitsverhältnis auszugehen.

Gibt es davon Ausnahmen?

Eine Selbständigkeit kann in Einzelfällen jedoch anzunehmen sein, wenn die Gesellschafter von der Ausübung ihres Weisungsrechts absehen, und der Geschäftsführer frei "schalten und walten" kann. Denkbar sind hier etwa der "Familienpatriarch" bei Unternehmen in Familienbesitz. Ferner Geschäftsführer mit einem überlegenen technischen oder kaufmännischen Fachwissen, von denen die Gesellschaft auf Grund dessen abhängig ist und deshalb zur Erteilung von Weisungen nicht in der Lage ist (BSG, Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85, LSG, Baden-Württemberg, Urteil vom 26.6.2012, L 11 KR 2769/11; Hessisches LSG, Urteil vom 27.10.2011, L 8 KR 272/09).

Diese Kriterien müssen jedoch durchgehend erfüllt sein. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", bei denen der Geschäftsführer lediglich Handlungsfreiheit hat, solange sich alle Gesellschafter mit dem Geschäftsführer übereinstimmen, gibt es nicht (BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R; BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R).

Was sollte bei der Prüfung der Selbständigkeit zuerst erfolgen?

Bei einer Prüfung, ob Selbständigkeit des Geschäftsführers vorliegt oder nicht, ist zuerst bei den (schriftlichen) Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer anzusetzen.

Achtung: Vereinbarungen können sich auch konkludent aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben.

Zu beachten ist, nach der Rechtsprechung geben die tatsächlichen Verhältnisse im Betrieb den Ausschlag, wenn sie von den getroffenen Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 22.6.2005 - SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 5 Rdnr. 7). Dies bezieht sich auf solche Konstellationen, bei denen durch nur zum Schein getroffenen schriftlichen Vereinbarungen eine Selbständigkeit oder Arbeitnehmer-Eigenschaft entgegen den tatsächlichen Verhältnissen lediglich vorgetäuscht werden soll. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, die tatsächlichen Verhältnisse geben den Ausschlag, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R; BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R).

Leserkommentare
von Rechtsanwalt Andre Jahn am 04.09.2014 13:57:33# 1
Danke, für den Text, nur eine Mini-Ergänzung für weitere Recherchen ist außer der genannten Rspr. ein ziemlich hilfreiches Recherchetool, das man aber nur schwer findet, das gemeinsame Rundschreiben zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen der Träger der Sozialversicherungen vom 13. April 2010, das auf DRV-Homepage anscheinend auch immer an die aktuelle Rspr. angepasst wird.