Überstunden: Wann darf der Arbeitgeber Überstunden anordnen? Serie Teil 2

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Im zweiten Teil der Serie zum Thema Überstunden geht es speziell um die Frage, wann der Arbeitgeber eigentlich Überstunden anordnen darf. Müssen Arbeitnehmer diese Anordnung dann auch befolgen? Was droht Arbeitnehmern, wenn sie Überstunden zu Unrecht verweigern? Dazu mehr im folgenden Beitrag.

Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zur Ableistung von Überstunden verpflichtet

Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich seine Arbeitsleistung auch nur während der regulären Arbeitszeit erbringen, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt. In Arbeitsverträgen sind in der Regel bestimmte Stundenzahlen pro Woche oder Monat sowie die täglichen Arbeitszeiten geregelt. Überstunden, die darüber hinausgehen, muss ein Arbeitnehmer grundsätzlich erst einmal nicht ableisten.

Arbeitgeber kann Überstunden in Notlagen anordnen

Es gibt allerdings Ausnahmen. Aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht ergibt sich, dass der Arbeitnehmer in Fällen besonderer Notlagen vom Arbeitgeber wirksam zur Überstundenableistung verpflichtet werden kann. Das gilt aber nur für tatsächliche Notfälle, die zugleich auch Ausnahmefälle darstellen. Der Betreiber eines Rettungsdienstes kann daher von seinen Mitarbeitern keinen Bereitschaftsdienst für Notfälle nach Ende der Arbeitszeit verlangen, ohne dass es eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung dazu gibt. In solchen Fällen ist der Notfall nämlich der Regelfall und er muss vom Arbeitgeber organisiert werden (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 5 TaBV 7/14 –, juris). Notfälle sind also solche, die vom Arbeitgeber im regelmäßigen Betriebsablauf weder vorhersehbar noch planbar waren. Brennt es zum Beispiel in den Büroräumen, kann die Sekretärin nicht einfach Feierabend machen, weil Überstunden nicht vereinbart sind.

Ansonsten Überstunden nur bei vertraglicher Vereinbarung

Abgesehen von den beschriebenen Notlagen kann der Arbeitgeber Überstunden nur anordnen, wenn deren Ableistung ausdrücklich vertraglich vereinbart ist (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 2 Sa 559/11 –, Rn. 31, juris).

Interessenabwägung

Bei der Frage der Überstunden kollidiert das Interesse des Arbeitgebers daran, dass dringende Aufgaben schnell abgearbeitet werden, mit dem Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Arbeitszeiten, die durch Arbeitsvertrag, Arbeitszeitgesetz und Schichtplangestaltung vorgegeben werden. In der Praxis kommt es dann oftmals zu Konflikten, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen privaten Termin hat und deshalb die Ableistung von Überstunden ablehnt. Hier muss eine Interessenabwägung stattfinden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Arbeitnehmer ein Interesse an einer vorhandenen, planbaren und störungsfreien Freizeit zur freien Gestaltung und zu Erholungszwecken hat (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 5 TaBV 7/14 –, juris).

Unberechtigte Ablehnung von Überstunden kann Abmahnung oder Kündigung zur Folge haben

Um eine Arbeitsverweigerung zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer sehr genau überlegen, bevor sie die Ableistung der vom Arbeitgeber angeordneten Überstunden verweigern. Bei rechtmäßiger Anordnung kann eine Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers nämlich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (zum Beispiel Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 5 TaBV 7/14 –, juris). In jedem Fall taugt sie für eine ordentliche Kündigung bzw. eine Abmahnung.

Überstunden unter Vorbehalt ableisten

In vielen Fällen, insbesondere wenn es auf eine Interessenabwägung ankommt, wird der Arbeitnehmer nicht eindeutig entscheiden können, ob die Anordnung berechtigt ist oder nicht. In solchen Fällen empfehle ich, die Überstunden zunächst unter Protest und unter Vorbehalt abzuleisten. Besteht Wiederholungsgefahr, kann man dann anschließend, notfalls gerichtlich die Berechtigung des Arbeitgebers zur Anordnung der Überstunden klären lassen. Der Vorteil dieser Variante ist, dass man keine Abmahnung bzw. Kündigung riskiert.

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