Vergütung bei Annahmeverzug und Schadensersatz

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Vorsicht bei der einvernehmlichen Beendigung von Anstellungsverhältnissen im Kündigungsschutzprozess

Annahmeverzug des Arbeitgebers bei Beschäftigungsanspruch und Schadensersatz
[BAG, Urteil vom 24.06.2015 (Az.:5 AZR 462/14)]

In einer bereits vor 5 Jahren getroffenen Entscheidung hat das BAG geurteilt, dass der Schutzzweck des von der eigenen Rechtsprechung entwickelten Beschäftigungsanspruchs von Beschäftigten und die daraus resultierenden Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber durch das individuelle Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten bestimmt wird.

Helge Müller-Roden
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Wollen Arbeitgeber ihre Beschäftigungspflicht nicht anerkennen und befolgen sie sie nicht, erleiden Beschäftigte hierdurch mangels Entgeltzahlung einen Verdienstausfall.

Entgeltanspruch besteht auch bei Nichtarbeit

Der entgangene Verdienst beinhaltet aber keinen ersatzfähigen Schaden der Beschäftigten! Deren finanzielle Absicherung im Falle ihrer Nichtbeschäftigung ergebe sich bereits aus dem § 615 Satz 1 BGB, wonach die Vergütung nur unter den Voraussetzungen des Verzugs gem. §§ 293ff. BGB beansprucht werden kann und ein Entgeltanspruch trotz Nichtarbeit besteht,
vgl. zum Eintritt des Annahmeverzugs § 615 S 1, § 611 Abs. I i.V.m. §§ 293ff. BGB.

Im Falle einer Arbeitgeberkündigung des Arbeitsverhältnisses kommen Arbeitgeber mit der fristgerechten Einreichung einer Kündigungsschutzklage in Verzug, ohne dass Beschäftigte darüber hinaus ein Angebot der Arbeitsleistung unterbreiten müssen (ständige Rechtsprechung des BAG [vgl. etwa BAG vom 24.10.2013 (Az.: 2 AZR 1078/12)Rn. 56 mwN)]..

Anspruch verjährt in drei Jahren

Das gilt aber nur so lange, wie das Arbeitsverhältnis im Anspruchszeitraum noch besteht.

Der Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs verjährt in drei Jahren gem. § 195 BGB, beginnend am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. I Nr.1).

Da § 615 S 1 BGB nach Ansicht des BAG keinen eigenständigen Anspruch begründet, sondern den Vergütungsanspruch der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis trotz der nicht geleisteten Arbeit aufrechterhält [BAG vom 24.09.2014 (Az.: 5 AZR 593/12) Rn. 23)],
richten sich die Ansprüche nach den Grundlagen des Anstellungsvertrags (z.B. Fälligkeit).

Wird daher im Verfahren vor einem Arbeitsgericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. I S.2 KSchG rückwirkend zu dem von § 9 Abs. 2 KSchG bestimmten Zeitpunkt
rechtskräftig festgestellt, entfällt der durch Einreichung der Klage eingetretene Annahmeverzug kraft Gesetz auch rückwirkend zum Zeitpunkt der Auflösung [vgl. BAG vom 18.01.1963 zu II 2 b der Gründe (Az.: 5 AZR 200/62); BAGE 14, 31; zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung BVerfG vom 29.01.1990 (Az.: 1 BvR 42/82)].

Denn der Annahmeverzug setzt ein rechtlich (noch) bestehendes Arbeitsverhältnis voraus
[vgl. BAG vom 22.07.2014 Rn. 16 mwN (Az.: 9 AZR 1066/12); BAGE 148, 349].

Dadurch bleibt die zugunsten der Beschäftigten eigens entwickelte Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber ohne Folgen, weil der beharrliche Verstoß dagegen keine Schadensersatzpflicht begründet, die eben nicht im Schutzzweck der Norm liege.

Die von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht zur Beschäftigung verpflichte Arbeitgeber zum vertragsgemäßen Einsatz der Mitarbeiter, wenn diese es verlangen. Rechtsgrundlage sind die §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB, der eine
Wertentscheidung der Art. 1 GG (Würde des Menschen) und Art. 2 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) beinhaltet. Arbeitnehmer sollen als Ausdruck und in Achtung ihrer Persönlichkeit und Entfaltungsrechte tatsächlich arbeiten dürfen [BAG Großer Senat vom 27.02.1985 (Az.: GS 1/84) zu C I 2 der Gründe; BAGE 48, 122)].

Diese tragend auf den Persönlichkeitsschutz abstellende Ableitung des Anspruchs auf die Beschäftigung schließe einen Schaden in Form entgangenen Verdienstes aber aus.

Daher besteht in solchen Fällen weder ein Anspruch auf Vergütung gem. § 615 Satz 1 BGB noch ein Schadensersatzanspruch wegen der erfolgten Nichtbeschäftigung.

Im Zivilrecht stellt § 823 BGB dagegen eine zentrale Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dar, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht geschützt ist.

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Helge Müller-Roden
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