Wie interpretiere ich mein Arbeitszeugnis?

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Die Geheimsprache im Arbeitszeugnis - Welche Note hat mein Arbeitszeugnis oder Zwischenzeugnis wirklich?

Arbeitszeugnisse sind ein wichtiger Bestandteil Ihrer Bewerbungsunterlagen und können einen erheblichen Einfluss auf Ihre zukünftigen Karrierechancen haben. Sie bieten potenziellen Arbeitgebern einen Einblick in Ihre Leistung und Ihr Verhalten am Arbeitsplatz. Allerdings kann die Interpretation eines Arbeitszeugnisses für Laien eine Herausforderung sein, da die Formulierungen oft verschlüsselt und nicht immer leicht zu verstehen sind. Dieser Leitfaden soll Ihnen helfen, Ihr Arbeitszeugnis besser zu verstehen und einzuschätzen.

Struktur eines Arbeitszeugnisses

Ein Arbeitszeugnis besteht in der Regel aus mehreren Teilen: Einleitung (Angaben zur Person und zur Beschäftigungsdauer), Aufgabenbeschreibung, Leistungsbeurteilung, Verhaltensbeurteilung und Schlussformel. Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung sind die wichtigsten Teile, da sie Aufschluss über Ihre Fähigkeiten und Ihr Verhalten am Arbeitsplatz geben.

Qualifiziertes oder einfaches Arbeitszeugnis?

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis enthält im Gegensatz zum einfachen Arbeitszeugnis eine detaillierte Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers. Während das einfache Arbeitszeugnis lediglich Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit macht, geht das qualifizierte Arbeitszeugnis auf die Qualität der Arbeitsleistung, das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden sowie auf besondere Erfolge und Fähigkeiten ein.

Die Geheimsprache der Arbeitszeugnisse

Arbeitszeugnisse sind oft in einer Art Codesprache verfasst. Positive Formulierungen wie "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" bedeuten eine sehr gute Beurteilung, während Formulierungen wie "hat die ihm übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit erledigt" nur eine ausreichende Beurteilung darstellen. Es ist wichtig, diese Feinheiten zu verstehen, um die wahre Bedeutung Ihres Zeugnisses zu erkennen.

Häufige Formulierungen und ihre Bedeutung

Es gibt eine Reihe von gängigen Formulierungen in Arbeitszeugnissen, die auf den ersten Blick positiv klingen, aber tatsächlich eine negative Bewertung darstellen können. Zum Beispiel bedeutet "Er hat sich bemüht, die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen" in der Regel, dass die Leistung nicht den Erwartungen entsprach.

In Deutschland wird die Leistung von Arbeitnehmern in Arbeitszeugnissen oft anhand von Schulnoten bewertet. Hier sind einige Beispiele für Formulierungen, die jeweils einer bestimmten Note entsprechen:

  1. Sehr gut (Note 1): - "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt." - "Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets vorbildlich."
  2. Gut (Note 2): - "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt." - "Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei."
  3. Befriedigend (Note 3): - "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt. " - "Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei."
  4. Ausreichend (Note 4): - "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt." - "Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war im Großen und Ganzen einwandfrei."
  5. Mangelhaft (Note 5): - "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben meistens zu unserer Zufriedenheit erledigt." - "Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war meistens einwandfrei."
  6. Ungenügend (Note 6): - "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben leider nicht immer zu unserer Zufriedenheit erledigt." - "Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war leider nicht immer einwandfrei."

Bitte beachten Sie, dass diese Formulierungen nur Beispiele sind und es viele Variationen gibt. Die genaue Interpretation eines Arbeitszeugnisses kann von verschiedenen Faktoren abhängen und sollte von einem Experten durchgeführt werden.

Die Schlussformel im Arbeitszeugnis

Die Schlussformel im Arbeitszeugnis ist von besonderer Bedeutung, da sie Aufschluss über die Zufriedenheit des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer gibt und oft einen Hinweis auf den Grund des Ausscheidens enthält. Eine Formulierung wie "Wir bedauern sein Ausscheiden sehr und danken für die stets gute Zusammenarbeit" deutet auf eine sehr gute Beurteilung hin. Fehlt der Dank oder das Bedauern über das Ausscheiden, kann dies als negatives Signal gewertet werden.

Aber: Es gibt höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland, die besagt, dass die Schlussformel in einem Arbeitszeugnis nicht zwingend erforderlich ist und ihr Fehlen nicht negativ ausgelegt werden darf. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden (Urteil vom 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11), dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine bestimmte Schlussformel in seinem Arbeitszeugnis hat, insbesondere nicht auf die oft verwendeten Formulierungen "Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit" oder "Wir wünschen für die Zukunft alles Gute".

Ihre Abwesenheit sollte daher nicht als Mangel oder als negativer Hinweis interpretiert werden. Es ist immer das gesamte Zeugnis und der Gesamtkontext, der bei der Beurteilung eines Arbeitszeugnisses berücksichtigt werden muss.

Trotz dieser Rechtsprechung spielt in der Praxis die Schlussformel oft eine Rolle und ihr Fehlen kann von potenziellen zukünftigen Arbeitgebern möglicherweise negativ interpretiert werden. Es ist daher im Interesse des Arbeitnehmers, eine positive und wohlwollende Schlussformel in seinem Arbeitszeugnis zu haben.

Was tun bei einem schlechten Zeugnis?

Wenn Sie glauben, dass Ihr Arbeitszeugnis ungerecht oder ungenau ist, haben Sie das Recht, eine Korrektur zu verlangen. Es ist ratsam, einen Anwalt zu konsultieren, um Ihre Optionen zu besprechen.


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