Widerruf der Anerkennung als politisch verfolgt

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Bundesamt verstößt gegen die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention

Zur Widerrufspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu Lasten irakischer Staatsangehöriger

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) mit seiner Zentrale in Nürnberg und den Außenstellen in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder ist für viele Deutsche kein Begriff. Ausländer jedoch kennen diese Behörde nur zu gut. Denn das BAFl entscheidet über alle in Deutschland gestellten Asylanträge und damit über das Schicksal tausender Asylantragsteller.

Doch nicht nur über die Anerkennung der Asylbewerber wird entschieden. Auch in den Widerrufsverfahren ist das BAFl die zuständige Behörde. Wird ein Bewerber als Asylberechtigter nach Art. 16 GG, §§ 51, 53 AuslG und/oder nach der Genfer Flüchtlingskonvention als politisch Verfolgter anerkannt, bedeutet dies noch nicht, dass er aufgrund seiner Verfolgung für immer in Deutschland bleiben darf. Das deutsche Ausländergesetz sieht vor, dass die Anerkennung als politisch Verfolgter unverzüglich zu widerrufen ist, sobald deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Das Bundesamt hat nun begonnen, systematisch die Anerkennungen irakischer Staatsbürger in Deutschland zu widerrufen. Als Begründung dafür wird angeführt, dass sich die Lage im Irak grundlegend geändert und die einstige Staatsmacht unter Saddam Hussein ihre Herrschaftsmacht vollständig verloren habe, folglich von ihr keine politische Verfolgung mehr ausginge. Diese Praxis ist mittlerweile auch obergerichtlich durch einige Oberverwaltungsgerichte der Länder bestätigt worden.

Nichtsdestotrotz verstößt das Bundesamt mit dieser Praxis gegen die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention, die auch in Deutschland verbindlich ist. Die Widerrufspraxis ist somit rechtswidrig. Die Genfer Flüchtlingskonvention sieht lediglich unter bestimmten, ausdrücklich genannten Voraussetzungen eine Beendigung des Flüchtlingsstatus vor (Art. 1 C Nr. 1-6 GFK). Wann die Voraussetzung dieser Beendigungsklausel vorliegen, wurde durch die Richtlinie des UNHCR zur Beendigung der Flüchtlingseigenschaft (Richtlinien zum internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6) des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, HCR/GIP/03/03, 10. Februar 2003) konkretisiert. Hiernach setzt das Erlöschen der Schutzbedürftigkeit aufgrund Wegfalls der Anerkennungsvoraussetzungen

  • eine grundlegende
  • und dauerhafte Änderung der Situation
  • sowie die Wiederherstellung von Strukturen im Herkunftsstaat voraus, die den betroffenen Flüchtlingen wirksamen Schutz gegen neuerliche Verfolgung bieten
voraus.

Das BAFl führt die Widerrufsverfahren lediglich aufgrund der Feststellung, dass mit dem Sturz der Regierung Saddam Husseins im März 2003 eine grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse im Irak eingetreten sei. Hierbei beschränkt es die Prüfung des Vorliegens einer grundlegenden Änderung der Umstände ausschließlich auf den Sturz der ehemaligen Regierung Saddam Husseins, ohne auf die mögliche Entstehung neuer Fluchtgründe einzugehen. Darüber hinaus setzt es sich weder mit der Dauerhaftigkeit der Veränderungen im Irak noch mit der Frage der Wiederherstellung eines effektiven Schutzes für rückkehrende Iraker auseinander.

Die tatsächliche Situation im Irak lässt derzeit die Feststellung, dass sich die politischen Verhältnisse grundlegend und dauerhaft geändert haben und der Einzelne deshalb bei Rückkehr in den Irak wirksam vor Verfolgung geschützt sei, nicht zu. Dies gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund, dass nach den verheerenden Anschlägen auf Einrichtungen der Vereinten Nationen am 19. August 2003 und weiterer humanitärer Organisationen im Herbst 2003 praktisch keine unabhängigen Mitarbeiter internationaler Organisationen mehr im Irak tätig sind, die die Entwicklungen vor Ort objektiv beobachten und umfassend bewerten könnten. Ein Wegfall des Schutzbedürfnisses für irakische Flüchtlinge kommt deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Fazit:

Aus diesem Grund ist die Durchführung von Widerrufsverfahren gegenüber irakischen Staatsangehörigen derzeit rechtswidrig und führt zu einer nicht hinnehmbaren Verkürzung grundlegender Flüchtlingsrechte.


Von Rechtsanwältin Regine Filler, Göttingen, Tel. : 0551 - 79 77 666
Interessenschwerpunkte: Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Insolvenzrecht, Familienrecht, Straßenverkehrsrecht