Die Haftung des Vermögensverwalters bei der Verletzung von Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag

Mehr zum Thema: Bankrecht, Vermögensverwalter, Haftung, Anleger
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

1.) Einleitung

Die Haftung des Vermögensverwalters bei der Verletzung von Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag

Die aktuelle Finanzkrise hat zu erheblichen Verwerfungen an den Kapitalmärkten geführt. Seit Beginn der akuten Krise im Spätsommer des Jahres 2008 haben viele Anleger erhebliche Verluste in ihren Depots erlitten. Betroffen davon sind Vermögensanlagen der unterschiedlichsten Art - von Wertpapiervermögen auf Fondsbasis bis hin zu Unternehmensbeteiligungen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich für Anleger, die aufgrund der Tätigkeit eines Vermögensverwalters Verluste in ihren Depots verzeichnen, die Verpflichtungen eines Vermögensverwalters bei der Verwaltung von Kapitalanlagen - insbesondere in Krisenzeiten - genauer zu betrachten. Schließlich stellt sich für diese Anleger die Frage, ob die Tätigkeit ihres Vermögensverwalters im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu überprüfen ist.

2.) Qualifizierung eines Vertrages als Vermögensverwaltungsvertrag

Zunächst ist zu klären, ob ein Anleger wirklich einen sogenannten Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen hat. Vereinzelt werden formularmäßige Vermögensverwaltungsverträge auf Veranlassung des Verwalters nämlich unter der Bezeichnung „Anlageberatungsvertrag" abgeschlossen. Der Vermögensverwalter wird darin konsequenterweise als „Berater" benannt. Hintergrund dessen ist, dass ein Anlageberater weniger scharf für Pflichtverletzungen haftet als der Vermögensverwalter; insofern „flüchtet" der Vermögensverwalter in Konfliktfällen gern in den Status des bloßen Anlageberaters.

Martin Diefenbach
Partner
seit 2004
Rechtsanwalt
Kapellstraße 16
40479 Düsseldorf
Tel: 0211-158 361-88
Web: http://www.legitas.de/diefenbach
E-Mail:
Erbrecht, Kapitalanlagenrecht

Insofern sind neben dem Vertrag gegebenenfalls weitere Dokumente bei der Bestimmung der richtigen Vertragsart heranzuziehen. Häufig enthalten diese Dokumente - wie etwa eine von dem Anleger zusätzlich zu unterzeichnende Vollmacht - einen Hinweis auf die Eigenschaft des Vertragspartners als „Vermögensverwalter". Auch wird der Anleger gewöhnlich vor Vertragsschluss in einem auszufüllenden Formular zum Anlegerprofil regelmäßig danach gefragt, ob er bereits „Erfahrung mit einer Vermögensverwaltung" hat. Diese formellen Gesichtspunkte lassen bereits einen ersten Rückschluss auf die Vertragsart zu.

Darüber hinaus sind für das Vorliegen eines Vermögensverwaltungsvertrages selbstverständlich die materiellen Aspekte maßgeblich. Unterstellt wird, dass ein Vermögensverwaltungsvertrag die fortdauernde Verpflichtung eines Beraters enthält, für das Vermögen des Anlegers Sorge zu tragen. Insofern enthält ein Vermögensverwaltungsvertragsverhältnis die typisierte Verpflichtung des Beraters/ Verwalters zur ständigen Beobachtung der von dem Anleger in seinem Depot gehaltenen Werte.

Hingegen ist mit Erteilung des konkreten Anlagerates im Rahmen eines Anlageberatungsverhältnisses die entsprechende Leistungspflicht erfüllt und das Vertragsverhältnis beendet.

Im Gegensatz zur reinen Anlageberatung handelt es sich bei dem Vermögensverwaltungsvertrag daher um ein Dauerschuldverhältnis. Der jeweilige Berater/ Verwalter erhält dabei typischerweise eine Vollmacht, auf deren Grundlage er für den Anleger verwaltend tätig wird. Damit besitzt der Verwalter im Vergleich zum reinen Anlageberater ein „Mehr" an Befugnissen: Während der Anlageberater lediglich Empfehlungen ausspricht, die vom Anleger gegebenenfalls umgesetzt werden, hat der Vermögensverwalter im Grundsatz die Möglichkeit der eigenen Umsetzung von Anlageentscheidungen.

Die einzelnen Pflichten bei der Durchführung eines Vermögensverwaltungsvertrages ergeben sich typischerweise aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen. Für die Annahme eines Vermögensverwaltungsvertrages sprechen im Einzelnen die folgenden Pflichten, sofern diese wenigstens teilweise im betreffenden Vertrag vereinbart worden sind:

  • Pflicht zur laufenden Registrierung und dauerhaften Kontrolle bestehender Anlagen und ihrer Erträge;
  • Rentabilitätsprüfungen und –vergleiche in Bezug auf die bereits getätigten und die noch vorzunehmenden Anlagen; Vorschläge zum Kaufen, Halten und Verkaufen von Wertpapieren mit anschließender Umsetzung;
  • Erarbeitung von Entscheidungsvorschlägen und Support bei der Umsetzung von Anlageentscheidungen;
  • Status Quo-Analyse anhand umfassender Aufnahme der Depotdaten;
  • Ausarbeitung eines strategischen Anlagekonzepts;
  • Verpflichtung zur Vornahme von Absicherungsgeschäften im Krisenfall;
  • Analyse der getätigten und vorzunehmenden Anlagegeschäfte unter Berücksichtigung der Vorgaben des Auftraggebers;
  • Regelmäßige Performanceaufstellungen.

In seiner Beratungspraxis sind dem Verfasser formularmäßige Vermögensverwaltungsverträge zur Kenntnis gebracht worden, die den vorstehenden Pflichtenkatalog zwar aufweisen, an anderer Stelle im Vertrag jedoch eine Regelung enthalten, wonach sich die Leistungspflicht des Verwalters in der Erbringung von „Beratungsleistungen" erschöpfen soll. Auch insofern wurde seitens des betreffenden Vermögensverwalters vorsorglich ein Schlupfloch im Vertrag eingebaut, das ihm gegebenenfalls zur „Flucht" in die bloße Anlageberatung verhelfen soll. Eine solche Klausel ist allerdings unwirksam; denn die Pflicht zur dauerhaften Überwachung getätigter Anlagegeschäfte kann in einem Vermögensverwaltungsvertrag nicht durch formularmäßige Regelung abbedungen werden (BGH WM 1994, 834).

Bei der Beurteilung, ob es sich in einem bestimmten Fall um einen Vermögensverwaltungsvertrag handelt, ist im Zweifelsfalle auf eine Gesamtschau der einzelnen Vereinbarungen abzustellen. Sofern sich aus einer Gesamtbetrachtung überwiegend der Rückschluss ergibt, dass von den Parteien objektiv ein Vermögensverwaltungsverhältnis gewollt gewesen ist, bei dem dauerhafte Leistungen erbracht werden sollen, ist von dem Vorliegen eines entsprechenden Vertragstypus auszugehen.

3.)Typische Pflichtverletzungen eines Vermögensverwalters

a) Verstoß gegen das Gebot der Einhaltung von Anlagerichtlinien

Die Pflicht des Anlageberaters zur anlegergerechten Beratung ist seit langem anerkannt. Diese Verpflichtung des Anlageberaters gilt erst recht für den Vermögensverwalter im Rahmen eines allgemeinen Vermögensverwaltungsvertrages.

Der Verwalter hat bei seiner Verwaltungstätigkeit daher die Zielvorstellung des Anlegers im Sinne einer Anlagerichtlinie, die er unter Berücksichtigung der Vorgaben des Anlegers erarbeiten muss, strikt einzuhalten. Gibt der Anleger etwa an, dass er innerhalb von drei Jahren das Geld aus dem Depot zum Erwerb einer Immobilie benötigt, so hat der Verwalter diesen kurzen Anlagehorizont bei seiner Anlagestrategie zu berücksichtigen und wird eher in konservative Papiere, etwa festverzinsliche Wertpapiere, investieren.

In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass Verwalter nach einer gewissen Vertragslaufzeit – zum Teil schlichtweg aus Nachlässigkeit - von den Anlagerichtlinien abweichen bzw. die Zielvorstellung des Depotinhabers aus dem Auge verlieren. Dies stellt grundsätzlich eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar.

b) Verstoß gegen das Gebot der ordentlichen Verwaltung

Darüber hinaus obliegt dem Verwalter die Verpflichtung zur ordentlichen Verwaltung. Diese Pflicht beinhaltet das aus der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Ziff. 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) resultierende Gebot des Vermögensverwalters zur Erbringung seiner Dienstleistung mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Hierunter versteht man die Beachtung diverser Grundsätze wie insbesondere

  • das Gebot der produktiven Vermögensverwaltung sowie das
  • Verbot der Spekulation/ Gebot der Risikoreduktion.

Das Gebot der produktiven Verwaltung beinhaltet die Verpflichtung zur ständigen Überwachung des Vermögens des Anlegers, gegebenenfalls verbunden mit Maßnahmen zur Vermögensabsicherung (Kurssicherung). Gerade bei Investments in risikoreichere Werte sind diese Papiere von dem Vermögensverwalter ständig zu beobachten. Damit ist auch die Pflicht verbunden, dem verwalteten Depot eine gemäß den sich fortwährend ändernden Rahmenbedingungen entsprechende optimale Struktur zu geben. Sollte sich herausstellen, dass bestimmte Wertpapiere nicht (mehr) optimal in das Portfolio des Anlegers passen, ist der Vermögensverwalter zu entsprechenden Gegenmaßnahmen verpflichtet. Insofern hat er nicht nur Umschichtungen im Depot vorzunehmen; nach in der juristischen Fachliteratur teilweise vertretener Ansicht besteht auch eine Verpflichtung des Verwalters, sogenannte Stopp-Loss-Kurse zu definieren und im Rahmen der Verwaltungstätigkeit zu beachten.

In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass Vermögensverwalter gerade ihrer Überwachungspflicht nur unzureichend nachkommen. Stopp-Loss-Kurse werden – sofern definiert – nicht konsequent eingehalten. Daraus resultiert dann fast schon zwangsläufig, dass der Vermögensverwalter den richtigen Zeitpunkt für erforderliche Umstrukturierungen im Depot verpasst.

Im Rahmen des Gebotes der Risikoreduktion hat der Vermögensverwalter das Vermögen des Anlegers diversifiziert anzulegen. Er hat insofern, ausgehend von den Anlagerichtlinien und dem Anlegerprofil, die Anlagen in verschiedene Risikobereiche zu streuen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Risikoreduktion ist regelmäßig als Verletzung des Vermögensverwaltungsvertrages anzusehen.

c) Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Benachrichtigung

Ebenfalls regelmäßig kommt es zur Verletzung von Benachrichtigungspflichten. Hat etwa das verwaltete Depot erhebliche Verluste erlitten, ist der Anleger darüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Abhängig von der Struktur des Portfolios wird eine Benachrichtigungspflicht teilweise bereits ab einem Verlust von 5% angenommen, wobei anerkannt ist, dass bereits das Entstehen von bloßen Buchverlusten, also etwa ein Kursrückgang bei Wertpapieren, die Benachrichtigungspflicht auslöst. Auf die Realisierung von Verlusten durch den Verkauf von Wertpapieren kommt es dabei nicht an.

Dem Vermögensverwalter wird insofern allgemein eine Frist von ein bis zwei Wochen als angemessene Reaktionszeit in Bezug auf die Erfüllung seiner Benachrichtigungspflicht zugebilligt.

4.)Rechte des Anlegers im Falle von Pflichtverletzungen

Kommt es zu Pflichtverletzungen des Vermögensverwalters, kann dem Anleger die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Vermögensverwalter im Einzelfall nicht länger zumutbar sein. Der Depotinhaber ist dann zur fristlosen Kündigung des Vermögensverwaltungsvertrages berechtigt.

Als typische Folge von Pflichtverletzungen steht dem Anleger zudem ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermögensverwalter zu. Bei Berechnung des dem Vermögensverwalter ursächlich zuzurechnenden Schadens kommt es nach überwiegender Ansicht in der juristischen Fachliteratur nicht auf die Entwicklung der einzelnen Depotwerte im Sinne einer isolierten Betrachtung an; vielmehr ist insofern grundsätzlich die Wertentwicklung des Depots in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen. Analog zum Entstehen der Benachrichtigungspflicht entsteht ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich schon mit dem Eintritt von Buchverlusten, denn die aktuellen Kurse stellen den Wert der entsprechenden Wertpapiere dar.

Sofern ein Anleger Verluste in seinem von einem Vermögensverwalter betreuten Depot zu verzeichnen hat, kann es angebracht sein, die Tätigkeit des Verwalters genauer auf eventuelle Pflichtverletzungen zu untersuchen. Hierbei sollte die Beratung durch einen auf Anlegerrechte spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch genommen werden.

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.