Haftung des Anlagevermittlers

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Sachverhalt

Haftung des Anlagevermittlers

Für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages kann es genügen, wenn der Anleger den Anlagevermittler um einen Beratungstermin bittet und der Anlagevermittler dann Angaben zu der fraglichen Anlage macht.

Bundesgerichtshof Urteil vom 12. Mai 2005, Az. III ZR 413/04

Nach Gesprächen mit dem Beklagten beteiligte sich die Klägerin unter anderem mit Anträgen vom 27. April 1992, 3. September 1993 und 8. April 1994 an BGB-Gesellschaften, die von der P. C. GmbH als alleiniger Geschäftsführerin und Vertreterin geführt wurden. Hierauf zahlte sie an den Treuhänder der BGB-Gesellschaften "P. C. GbR.. ." - einschließlich einer 10 prozentigen Abschlussgebühr, die der P. C. GmbH zufließen sollte - insgesamt 57.900 DM (= 29.603,80 Euro).

Der Beklagte hatte der Klägerin erklärt, 91 % ihrer Anlage bei P. C. seien abgesichert und es seien Renditen zwischen 0,4 % und 2 % p.m. zu erwarten. Nach dem prospektierten Anlagekonzept waren Arbitrage-Geschäfte mit Triple A-Staatsanleihen geplant. Die P. C. GmbH geriet 1995 in Vermögensverfall; über ihr Vermögen wurde das Konkursverfahren eröffnet. Es stellte sich heraus, dass sie nach dem Schneeballsystem gearbeitet hatte.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch, weil er Auskunftspflichten, die ihm als Anlagevermittler oblegen hätten, schlecht erfüllt habe. Der Beklagte schulde ihr daher Erstattung der Aufwendungen, die ihr durch die Beteiligung an dem Anlagemodell der P. C. GmbH entstanden seien.

Die Gerichtsentscheidungen

Das Landgericht hat der Klägerin - unter Berücksichtigung, dass sie von P. C. angebliche Renditezahlungen erhielt - 17.920,60 Euro nebst Zinsen zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren, die Klage vollständig abzuweisen, weiter. Der BGH hat die Revision abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte und nicht eine durch diesen vertretene C. GmbH habe der Klägerin die Anlage bei P. C. vermittelt. Im Zuge der Anlagevermittlung sei zwischen den Parteien ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Seiner Auskunftspflicht habe der Beklagte indes nicht genügt. Das Anlagekonzept von P. C. sei fragwürdig gewesen. Nach dem Prospekt habe eine konservative Anlagestrategie, nämlich Arbitrage-Geschäfte mit Triple A-Staatsanleihen, verfolgt werden sollen. Der Beklagte habe sich bei der gebotenen Plausibilitätsprüfung fragen und diese Zweifel der Klägerin offenbaren müssen, wie mit solchen weitgehend risikolosen Geschäften dauerhaft Renditen zwischen 4,8 % und 24 % p.a. erzielt werden könnten. Denn andere - spekulativ einsetzbare - Anlagegelder als diejenigen, mit denen der Erwerb der amerikanischen Staatsanleihen hätte finanziert werden sollen, hätten nicht zur Verfügung gestanden.

Der Klägerin steht nach Auffassung des BGH gegen den Beklagten ein Schadenseratzanspruch in Höhe des zuerkannten Betrages zu. Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz beanspruchen, weil er einen mit ihr geschlossenen Auskunftsvertrag schuldhaft verletzt hat.


  1. Stillschweigendes Zustandekommen eines Auskunftsvertrages

    Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH Urteile vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92 - NJW-RR 1993, 1114, vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99 - ZIP 2000, 355, 356 und vom 11. September 2003 - III ZR 381/02 - NJW-RR 2003, 1690).

  2. Zustandekommen eines Auskunftsvertrages bei Wunsch nach Beratung

    Zwischen den Parteien ist ein Auskunftsvertrag im vorbeschriebenen Sinn zustande gekommen. Die Klägerin erfuhr von P. C., als der Beklagte ihrem Sohn dieses Anlagemodell in dessen Wohnung vorstellte. Sie vereinbarte damals einen Beratungstermin mit dem Beklagten, bei dem dieser das Beteiligungskonzept erörterte und die hohe Rendite aufzeigte.

    Die Revision wendet gegen die Annahme einer vertraglichen Auskunftspflicht ein, nach dem Vorbringen des Beklagten sei die Klägerin schon vor ihrer ersten Zeichnung fest entschlossen gewesen, sich bei P. C. zu beteiligen. Sie habe es nämlich abgelehnt, eine detaillierte Vermögensberatung entgegenzunehmen, und immer nur die Kapitalanlage P. C. gewünscht. Von anderen, ihr vom Beklagten angebotenen Kapitalanlagen habe sie nichts wissen wollen. Diese Umstände stellen die Würdigung des Berufungsgerichts indes nicht durchgreifend in Frage (§ 286 ZPO).

    Die Klägerin mag das Anlagemodell P. C. als für sie attraktiv angesehen haben, nachdem sie es bei Gelegenheit eines Werbegesprächs des Beklagten mit ihrem Sohn kennengelernt hatte. Sie wünschte aber dennoch einen eigenen Beratungstermin. Das durfte das Berufungsgericht dahin verstehen, dass die Klägerin von dem als sachkundig eingeschätzten Beklagten dann eine verbindliche Auskunft zur Anlage bei P. C. erwartete. Ließ sich der Beklagte - wie geschehen - auf ein solches Ersuchen ein, ist der Auskunftsvertrag zustande gekommen.

  3. Schuldhafte Verletzung des Auskunftsvertrages

    Der Beklagte hat den mit der Klägerin geschlossenen Auskunftsvertrag schuldhaft verletzt.


    1. Pflicht zur Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit

      Kapitalanlagevermittler sind unabhängig davon, ob sie besonderes Vertrauen genießen, verpflichtet, das Anlagekonzept, bezüglich dessen sie Auskunft erteilen sollen, (wenigstens) auf Plausibilität, insbesondere auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu prüfen. Sonst können sie keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Fehlende Sachkunde muss der Anlagevermittler dem Vertragspartner offenlegen (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2000 aaO S. 356).

    2. Keine Entlastung durch Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsinformationen

      Der Beklagten war nicht deshalb der Plausibilitätsprüfung enthoben, weil sich aus Prüfvermerken von Wirtschaftsprüfern ergab, dass der Geschäftsablauf, insbesondere der Mittelzufluss und die Mittelverwendung, nach den vertraglichen Vereinbarungen erfolgt sei. Den Beklagten entlastet ferner nicht der Informationsbrief von "kapital-markt intern" vom 22. Mai 1992, wonach P. C. als "seriöser als zahlreiche Vergleichsofferten" angesehen wurde. Diese Unterlagen besagten erkennbar nichts darüber, ob das Anlagekonzept von P. C. tragfähig und die von dem Beklagten in Aussicht gestellte Rendite von 4,8 % bis 24 % p.a. realistisch war (vgl. BGH Urteil vom 13. Januar 2000 aaO).

    3. Widerspruch zwischen Anlagestrategie und Rendite

      Bei mithin gebotener Plausibilitätsprüfung hätte dem Beklagten die Fragwürdigkeit des Anlagekonzepts von P. C. auffallen müssen. Die von dem Beklagten erwartete Rendite von bis zu 24 % p.a. konnte mit der von P. C. prospektierten Anlagestrategie schwerlich erzielt werden.

      Dem Berufungsurteil ist zu entnehmen, dass im Prospekt nicht spekulative, sondern weitgehend risikolose Geschäfte konservativen Charakters angekündigt wurden. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision vergeblich. Sie macht geltend, das Berufungsgericht habe Vortrag des Beklagten übergangen (§ 286 ZPO), demzufolge das Anlagekapital zu 100 % habe spekulativ arbeiten sollen; es hätten TED-Spread- und NOB-Spread-Tradings geschlossen werden sollen, bei denen sehr hohe Renditen gewunken hätten.

      Die Rüge ist unbegründet. Nach dem - von dem Beklagten beispielhaft vorgelegten - Prospekt waren TED-Spread- und NOB-Spread-Geschäfte, die nach der Behauptung des Beklagten Spekulation waren, zugleich aber außerordentliche Gewinnchancen boten, gerade nicht geplant; sie wurden "zur Zeit nicht angeboten" (S. 10 des Prospekts). Vielmehr sollte laut Prospekt Staatsanleihen-Arbitrage-Handel mit Triple A-Staatsanleihen, also mit Wertpapieren höchster Bonität, betrieben werden. Die Arbitrage war laut Prospekt von Spekulationsgeschäften zu unterscheiden. Es handele sich um ein Geschäft, das Preisunterschiede für dasselbe Objekt an verschiedenen Märkten - vor allem Börsen - zur Gewinnerzielung ausnutze. Voraussetzung sei eine schnelle Nachrichtenübermittlung sowie eine Kursdifferenz, die höher sei als die anfallenden Kosten. Da per Arbitrage nur örtliche Kursdifferenzen ausgenutzt würden, sei sie theoretisch risikolos. Die Triple A-Staatsanleihen würden ausschließlich von der "Summe der einzelnen monatlichen Beträge der GbR" von der Broker-Gesellschaft geordert und dem Gesamtpool zugeführt (S. 10 des Prospekts). Diesen Prospektangaben durfte das Berufungsgericht durchaus entnehmen, P. C. habe - zumindest für einen wesentlichen Teil der Anlagegelder - eine konservative, "theoretisch risikolose" Anlagestrategie angekündigt. Damit war aber, wie auf der Hand liegt und die Revision nicht bezweifelt, eine Rendite zwischen 4,8 % und 24 % p.a. nicht zu erzielen. Auf die Frage, wie die weiter prospektierte "91 %ige Kapitalsicherheit" (vgl. S. 5, 6, 7, 11, 13, 18 des Prospekts) gewährleistet war, kam es nicht mehr an.

    4. Offenbarungspflicht des Anlageberaters

      Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts hat der Beklagte die vorbeschriebenen, im Zuge der Plausibilitätsprüfung gebotenen Überlegungen nicht angestellt. Hatte der Beklagte aber die Schlüssigkeit des prospektierten Anlagekonzepts nicht geprüft, dann hätte er auf die Erklärung, es seien Renditen in einer Größenordnung zwischen 4,8 % und 24 % jährlich zu erwarten, verzichten oder zumindest offenbaren müssen, dass es sich um eine rein subjektive Einschätzung handelte, die er ohne Prüfung des Anlagekonzepts abgebe (vgl. BGH Urteil vom 13. Januar 2000 aaO S. 357). Wenn der Beklagte Kraftfahrer war, keine gesonderte Ausbildung im Finanzdienstleistungssektor hatte und deshalb das Anlagekonzept nicht durchschauen konnte, hätte er dies gegenüber der Klägerin aufdecken oder von der Anlagevermittlung überhaupt Abstand nehmen müssen.

Wirkung für die Praxis

Der BGH stellt klar, dass ein Anlageberatungsvertrag zustande kommt, wenn ein Anleger zu einer bestimmte Anlageentscheidung die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Fehlt es hieran, haftet der Berater.