Arbeitseinstellung ist kein Mittel zur Durchsetzung von Nachtragsangeboten

Mehr zum Thema: Baurecht, Architektenrecht, Arbeitseinstellung, Nachtragsangebot, Treu und Glauben, Mehrkosten, Zurückbehaltungsrecht
4,5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
2

Ohne Einigung über Zahlung einer Vergütung für eine geänderte oder zusätzliche Leistung besteht grundsätzlich kein Recht zur Arbeitseinstellung um diese "Nachträge" durchzusetzen.

Recht zur Arbeitseinstellung nach Treu und Glauben

Etwas anderes kann sich Nach den Grundsätzen von  Treu und Glauben  ergeben, durch die die Pflicht des Auftragnehmers zur Vorleistung im Einzelfall überwunden werden kann. Bei unberechtigter Einstellung der Arbeiten kann nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist zur Fortsetzung der Arbeiten ein wichtiger Grund zur Kündigung des Bauvertrages bestehen.

Meinungsverschiedenheiten über ein Nachtragsangebot

Beispielsweise der Entscheidung OLG Frankfurt, Urteil vom 21.09.2011, Az. 1 U 154/10 lag ein solcher Sachverhalt zugrunde. Während  Abbrucharbeiten auf der Basis eines VOB/B-Vertrages durchgeführt wurden entstanden Meinungsverschiedenheiten über ein  Nachtragsangebot des Abbruchunternehmers. Der Bauherr kündigte an, das Angebot eingehend zu prüfen und dann über die Vergabe des Nachtrages zu entscheiden. Gleichzeitig forderte er den Unternehmer dazu auf, die Arbeiten unverzüglich fortzusetzen und den Bauschutt entsprechend zu entsorgen.

Markus Koerentz
Partner
seit 2011
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Marienburger Str. 22
50968 Köln
Tel: 0221 280 659 37
Web: http://www.marko-baurecht.de
E-Mail:
Baurecht, priv., Verwaltungsrecht, Kaufrecht, Vertragsrecht

Entstehung kündigungsbedingter Drittunternehmerkosten

Das Abbruchunternehmen reagierte, indem es auf dem Postweg darauf hinwies, den Schutt erst abzutransportieren und zu entsorgen, wenn der Bauherr Zahlung von mindestens 70 % des kalkulierten Preises garantierte. Dem kam der Bauherr nicht nach, sondern forderte den Abbruchunternehmer dazu auf, die Arbeiten wieder aufzunehmen. Da sämtliche Aufforderungen erfolglos blieben, kündigte er sodann den bestehenden Vertrag. Der Bauherr verlangte von einem Abbruchunternehmer diejenigen Mehrkosten die er durch die kündigungsbedingte Beauftragung eines Drittunternehmers aufwenden musste.

Anspruch auf Mehrkostenerstattung

Das OLG Frankfurt bejahte den Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten unabhängig von der Frage, ob der Abbruchunternehmer tatsächlich mit seinen Arbeiten im Verzug war, um die Kündigung aus wichtigem Grund zu ermöglichen. Das umstrittene Recht zur Arbeitseinstellung bei Nichtbeauftragung von Nachtragsleistungen besteht jedenfalls dann nicht, wenn die Nachtragsforderung dem Grunde nach unberechtigt ist. Die unberechtigte Einstellung der Arbeiten war unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls als wichtiger Grund zur Kündigung geeignet. Dies insbesondere auch deshalb, weil sich die durchzuführenden Arbeiten auf die nach dem ursprünglichen Vertrag geschuldete Bauleistung bezogen.

Rechtsanwalt Markus Koerentz, LL.M. empfiehlt: Die Arbeitseinstellung ist für jeden Unternehmer am Bau nicht ohne Risiko. Die Prognose, ob die Einstellung der Arbeiten zu Recht oder zu Unrecht erfolgte ist nur schwer möglich und unterliegt ex post der gerichtlichen Kontrolle. Erschwerend kommt hinzu, dass auf Grund der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers kein Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 273, 320 BGB besteht. Eine Ausnahme kommt nach Treu und Glauben, § 242 BGB, nur in Fällen in Betracht, in denen die Leistungsfortführung für den Auftragnehmer schlechthin unzumutbar ist. Unklarheiten über die Höhe des Vergütungsanspruchs sind hierfür nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr, dass der Bauherr entweder ein in jeder Hinsicht ordnungsgemäßes Nachtragsangebot ohne Grund endgültig ablehnt oder er sich nachhaltig weigert, in Nachtragsverhandlungen einzutreten, obwohl die Nachtragsforderung offenkundig berechtigt ist.

Voraussetzungen einer darauf gestützten Arbeitseinstellung des Unternehmers sind die Berechtigung des Nachtrags dem Grund und der Höhe nach. Diese sind nicht gegeben, wenn sich die Anordnung des Bauherrn auf eine vom Vertrag bereits umfasste Leistung erstreckt, es sei denn der Bauherr hat in Bezug auf die gesonderte Vergütungspflicht ein selbständiges Anerkenntnis abgegeben. Zudem muss der Unternehmer prüfbar abgerechnet haben, die Forderung muss auch der Höhe nach berechtigt sein und schließlich muss Fälligkeit bestehen. Das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers besteht ferner, wenn der Bauherr eine fällige Nachtrags-Forderung nicht bezahlt hat und fruchtloser Fristablauf zur Zahlung. Dementsprechend darf dem Bauherrn auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln zustehen.

Da es unerheblich ist, ob der Bauherr sein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, oder die Mängel zuvor gerügt hat, bestehen praktisch kaum überwindbar hohe Hürden. Deshalb ist die auf einen Zahlungsverzug gestützte Arbeitseinstellung für jeden Bauunternehmer mit erheblichen Risiken verbunden.

Quelle: http://marko-baurecht.de/rechtsanwalt-baurecht-immobilienrecht-architektenrecht-koeln/pfusch-am-bau.html

Rechtsanwalt Markus Koerentz, LL.M. steht Ihnen bei Fragen Rund ums Baurecht zur Verfügung.

Tel: 0221 280 65937
Fax: 0221 280 65938
Das könnte Sie auch interessieren
Baurecht, Architektenrecht Verpflichtung des den Bau überwachenden Architekten zur Mängelverhinderung
Baurecht, Architektenrecht Zusatzvergütung für Reparaturen vor Abnahme