Beurteilungssystem Zoll ist rechtswidrig

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Höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird erwartet

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat mit deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass dienstliche Beurteilungen von Zollbeamten nach dem derzeit angewandten System rechtswidrig und die Beurteilungen daher aus den Personalakten zu entfernen sind. Dabei setzt die Kritik nicht (nur) an den konkreten Beurteilungen, sondern auch am System selbst an. Dies ist der bislang veröffentlichten Pressemitteilung bereits ausdrücklich zu entnehmen.

gebündelte Dienstposten und Beurteilungen durch "Kreuzchen" sind nicht plausibel

Dort heißt es:

Nach Auffassung der Darmstädter Richter ergibt sich die Fehlerhaftigkeit der Beurteilungen zum einen daraus, dass die beurteilten Zollbeamten ausnahmslos ihren Dienst auf „gebündelten Dienstposten" verrichten. Bei dieser sog. „Topfwirtschaft" sind Dienstposten bzw. Ämter entgegen § 18 Satz 2 Bundesbesoldungsgesetz mehreren Besoldungsgruppen – hier A 9g bis  A 11 BBesO – zugeordnet. Die dienstlichen Beurteilungen lassen dementsprechend Differenzierungen hinsichtlich der Funktionen der Beamten und damit der Wertigkeit der bekleideten Dienstposten nicht erkennen. Dies kann letztlich dazu führen, dass bei einer Personalauswahlentscheidung, beispielsweise im Rahmen eines Beförderungsverfahrens, Beurteilungen von Bewerbern, die überwiegend Aufgaben eines Zollinspektors (A 9g BBesO) wahrgenommen haben, verglichen werden mit Beurteilungen von anderen Beamten, die mit den schwierigeren Tätigkeiten eines Zollamtmannes (A 11 BBesO) betraut waren.

Zum anderen sieht das Gericht einen weiteren Fehler des Beurteilungssystems darin, dass den Beurteilungen sowohl in den Einzelmerkmalen als auch beim Gesamturteil jegliche Verbalisierung fehlt, weil ausschließlich bestimmten Prädikaten zugeordnete Begrifflichkeiten („überragend ausgeprägt" – „sehr stark ausgeprägt" – „stark ausgeprägt" etc.) angekreuzt werden. Auf diese Weise gibt eine Beurteilung weder dem Dienstherrn noch dem Beamten Aufschluss darüber, wo der Beurteilte leistungsmäßig tatsächlich steht, wo seine Stärken liegen und wo Verbesserungspotenzial gesehen wird. Den Beurteilungen fehlt es somit insgesamt an der erforderlichen Nachvollziehbarkeit und Plausibilität; problematisch erscheint zudem, dass  jedenfalls in den hier entschiedenen Fällen nahezu alle 24 Einzelkriterien gleichlautend beurteilt worden waren.

In den drei Darmstädter Verfahren waren dienstliche Beurteilungen betroffen, denen die seit dem 01.06.2010 geltenden "Richtlinien für die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BRZV)" zugrunde lagen. Diese finden bundesweit – also auch in NRW und anderen Bundesländern – Anwendung. Darüber hinaus sind die hier nachgewiesenen Beurteilungsfehler "gebündelte Dienstposten" und "Bewertung durch ankreuzen" auch schon in vorangegangenen Beurteilungsverfahren zu kritisieren gewesen.

Das Gericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht und die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Es ist zu erwarten, dass die unterlegene Bundesrepublik von der Möglichkeit der Sprungrevision Gebrauch macht und so eine höchstrichterliche Klärung herbeiführt. (Die Urteile vom 16.03.2012 tragen die Aktenzeichen 1 K 314/11.DA, 1 K 632/11.DA und 1 K 983/11.DA und sind noch nicht rechtskräftig.)

Widerspruchs- und Klagefristen beachten

Bis dahin ist allen Beamtinnen und Beamten, die mit der letzten dienstlichen Beurteilung unzufrieden sind, zu raten, Widerspruch und ggf. auch Klage einzureichen. Nur so kann Rechtschutz in Anspruch genommen und von dieser Rechtsprechung profitiert werden.

In den ersten hier betreuten Verfahren haben wir die neue Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Darmstadt bereits, z.B. beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, eingeführt.

Leserkommentare
von Njuw am 05.04.2012 12:23:18# 1
Sehr geehrter Herr Hotstegs, da es sich bei einer Beurteilung eines Beamten nach der ständigen Rechtsprechung gerade nicht um einen VA handelt, ist auch keine Widerspruchs- bzw. Klagefrist zu beachten. Der Widerspruch bzw. - bei landesrechtlichem Ausschluss des Widerspruchsverfahrens - die Klage könnten nur unter strengen Anforderungen verwirkt sein. Oder hat sich meine Rechtsauffassung hier überholt?
    
von Rechtsanwalt Robert Hotstegs am 05.04.2012 16:35:42# 2
Sie haben grundsätzlich völlig recht. Das Bundesverwaltungsgericht lässt Widersprüche und Klagen regelmäßig bis zur nächsten dienstlichen Beurteilung zu. Allerdings gehen die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in Einzelfällen schon zu deutlich früheren Zeitpunkten von einer Verwirkung aus. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat so beispielsweise in einem Verfahren eine Verwirkung nach 1,5 Jahren angenommen, obwohl der Regelbeurteilungszeitraum 3 Jahre betrug. Darüber hinaus versuchen einzelne Behörden (hier bekannt von Kreispolizeibehörden) Rechtsmittelbelehrungen auf dienstliche Beurteilungen anzubringen. Wir halten dies für falsch und unzulässig. Rechtsprechung ist hierzu aber bislang nicht ergangen.
    
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