Bundesverfassungsgericht kippt Altersgrenze für Verbeamtung in NRW

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Aktuell kann damit in Nordrhein-Westfalen jeder altersunabhängig verbeamtet werden

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer heute bekannt gewordenen Entscheidung wieder für ein kleines Erdbeben gesorgt: Zwei Lehrer, die die bisherige Altersgrenze von 40 Jahren überschritten hatten und deshalb nicht verbeamtet wurden, haben diese Altersgrenze erfolgreich in Karlsruhe angegriffen. Damit darf die Regelung der Laufbahnverordnung nicht mehr angewendet werden. Es gibt also momentan keine Altersgrenze in Nordrhein-Westfalen.

Das ist eine wichtige Entscheidung für alle, die 40 Jahre und älter sind. Genauso auch für alle Bewerber und Angestellten in Nordrhein-Westfalen, deren Antrag auf Verbeamtung in der Vergangenheit abgelehnt worden ist. Jeder einzelne von ihnen sollte nun noch einmal neu überprüfen, ob sich das Blatt gewendet hat und die Chancen gestiegen sind.

Zwei Fälle vor dem Verfassungsgericht

Der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 1322/12 ist 1963 geboren und studierte von 1991 bis 1997 Malerei und Grafik. Nach Anerkennung seines Diploms als Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs wurde er im Jahr 2004 im öffentlichen Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen angestellt. Von 2005 bis 2007 absolvierte er den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst und schloss diesen mit der Zweiten Staatsprüfung ab. Anschließend wurde er als angestellter Lehrer beschäftigt. Im Jahr 2009 stellte er einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe, den die Bezirksregierung ablehnte.

Die 1959 geborene Beschwerdeführerin des Verfahrens 2 BvR 1989/12 legte 1984 die Erste und 1987 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt ab. Nach Kindererziehungszeiten war sie ab 1992 als Lehrkraft im katholischen Ersatzschuldienst tätig. Seit 2001 ist die Beschwerdeführerin im Schuldienst des Landes angestellt. 2009 stellte sie – zum zweiten Mal – einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe, den die Bezirksregierung ablehnte.

In beiden Fällen blieben die Klagen vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg.

Verfassung und Europarecht: Altersgrenzen sind erlaubt, müssen aber begründet werden

Das Grundgesetz gewährt jedem Deutschen das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG); dies gilt unbeschränkt und vorbehaltlos.

Einstellungshöchstaltersgrenzen stellen einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Recht dar. Sie schließen ältere Bewerber regelmäßig ohne Rücksicht auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vom Beamtenverhältnis aus und führen auf diese Weise zu einer Ungleichbehandlung. Da sie Zugangsbedingungen zum Beamtenverhältnis festlegen, kommt ihnen – ebenso wie Ruhestandsgrenzen – statusbildende Funktion zu.

Das Bundesverfassungsgericht hat daher an einem entsprechend hohen Maßstab geprüft, ob der nordrhein-westfälische Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Altersgrenze hinreichend und selbst bestimmt hat.

Das Ergebnis ist eindeutig: "Die pauschale Ermächtigung zur Regelung des Laufbahnwesens der Beamten in § 5 Abs. 1 Satz 1 LBG genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage nicht. Weder die Norm selbst noch ihr systematischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften noch die Gesetzgebungsmaterialien lassen erkennen, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber sich Gedanken über die Einführung von Einstellungshöchstaltersgrenzen und ihre grundrechtliche Eingriffsrelevanz gemacht hat. Es fehlt daher bereits im Ansatz an einer parlamentarischen Leitentscheidung."

Der Gesetzgeber hätte also eine Altersgrenze wirksam einführen können, er hat dies aber nicht getan. Ausdrücklich erklärt das Bundesverfassungsgericht, dass auch das Europarecht zwar eine Altersdiskriminierung verbietet. Aber auch unter dieser Einschränkung sei eine Altergrenze denkbar.

Sofortige Konsequenzen für alle?

Damit führt die brandaktuelle Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die bisherige Altersgrenze von 40 Jahren auf die Beschwerdeführer nicht angewendet werden darf. Das Bundesverwaltungsgericht muss nun neu entscheiden. Die Akten werden von Karlsruhe nach Leipzig zurückgeschickt.

Und auch alle anderen Bewerber und neue Antragsteller profitieren: Denn das Land NRW kann ihnen nun ebenfalls keine wirksame Altersgrenze entgegenhalten. Hier müsste zunächst der Landtag das Landesbeamtengesetz ändern und dann entweder selbst oder durch eine neue Laufbahnverordnung eine neue Altersgrenze eingezogen werden.

Dieses Prozedere gab es übrigens schon einmal, nämlich 2009. In dem Jahr nahmen auch die aktuell entschiedenen Fälle ihren Lauf. Damals musste allerdings nicht erst das Bundesverfassungsgericht für Recht und Ordnung sorgen, sondern "schon" das Bundesverwaltungsgericht kippte damals die vorherige Altersgrenze von 35 Jahren. Mühsam ernährt sich also das (beamtenrechtliche) Eichhörnchen.

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