Der Dienstweg braucht manchmal einen Ausweg...

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Projektbeispiel: Ombudsstelle Feuerwehr

Wenn es im Amt knallt, wenn sich Mitarbeitende über Vorgesetze ärgern, wenn Vorgesetzte an Schichtplänen verzweifeln, wenn bestimmte Arbeitsgeräte fehlen, wenn wichtige Informationen nicht alle Betroffenen erreichen... die Liste ist unendlich lang, warum es Grund genug geben kann, sich zu beschweren. Verwaltungen und Behörden unterscheiden sich dabei erst einmal nicht von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Aber ihre Strukturen sind andere. Und sie kennen das Beamtenrecht, das für alle Beschwerden streng den Dienstweg vorschreibt. Damit muss die Beschwerde oft genau an denjenigen adressiert werden, den man kritisiert und der derartige Beschwerden vielleicht auch nicht bearbeitet, sondern eher den Beschwerdeschreiber drangsaliert.

Ein Dilemma.

Deshalb braucht der Dienstweg manchmal einen Ausweg. Die Stadt Köln hat 2018 eine "Ombudsstelle Feuerwehr" für die Beschäftigten in der Berufsfeuerwehr, im Amt für Feuerschutz, Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz ins Leben gerufen und damit eine unabhängige Rechtsanwaltskanzlei beauftragt. So können Beschwerden, Hinweise und Anregungen anonym und vertraulich eingereicht werden.

Die Ausgangslage: "Beschwerden nur auf dem Dienstweg"

Das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen schreibt auch für Feuerwehrbeamte und Angehörige des Rettungsdienstes und der Verwaltung der Feuerwehr unmissverständlich vor:

"Die Beamtin oder der Beamte kann Anträge und Beschwerden vorbringen; hierbei hat sie oder er den Dienstweg einzuhalten. Der Beschwerdeweg bis zur obersten Dienstbehörde steht offen. Richtet sich die Beschwerde gegen die unmittelbare Vorgesetzte oder den unmittelbaren Vorgesetzten (§ 2 Absatz 5), so kann sie bei der nächsthöheren Vorgesetzten oder dem nächsthöheren Vorgesetzten unmittelbar eingereicht werden. Die Beamtin oder der Beamte kann jederzeit Eingaben an den Landtag unmittelbar richten.“


Entsprechende Regelungen gelten nicht nur für die Beamtinnen und Beamten, sondern auch entsprechend für Angestellte, denen das Einhalten des Dienstweges als Nebenpflicht im Arbeitsvertrag aufgegeben ist.

Wenn die Regelung ursprünglich einen sinnvollen Hintergrund hat, dass Beschwerden eben möglichst vor Ort an der richtigen Stelle ankommen sollen und auch dort besprochen und behoben werden können, hat der Gesetzgeber selbst schon erkannt, dass der Dienstweg auch seine Grenzen haben kann. Ist nämlich der unmittelbare Vorgesetzte Gegenstand der Beschwerde, kann er nicht gleichzeitig unparteiischer Adressat einer Beschwerde sein. Dann wäre der Gang zum nächsthöheren Vorgesetzten der richtige Weg.

Und wenn dieser auch Gegenstand der Beschwerde ist? Je nach Konstellation lässt das Gesetz die Betroffenen sprach- und hilflos zurück. Sie müssen ausweichen. Vielleicht auf das Gespräch mit einer Personalvertretung, mit einer Gleichstellungsbeauftragten, mit einer Schwerbehindertenvertretung? Vielleicht auf den Petitionsausschuss des Landtages?

Diese Wege gibt es und sie ergänzen den Dienstweg. Aber sie bergen jeweils ein Risiko: Die Beschwerdeführer müssen in Kauf nehmen, dass ihr Name bekannt wird.

Auch wenn ursprünglich Verschwiegenheit zugesichert wird, um arbeits- oder dienstrechtliche Konsequenzen zu verhindern, kann der Dienstherr und Arbeitgeber erzwingen, dass Namen offen gelegt werden. Ein von uns kürzlich betreutes Verfahren einer Hochschule hat dies sehr eindrücklich gezeigt. Der Vorsitzende des Personalrats hatte ein Jahr lang seinen Hinweisgeber verschwiegen, dann wurde er als Zeuge in einem Disziplinarverfahren zu den Vorwürfen befragt und zur Preisgabe der verheimlichten Namen gezwungen. Verhindern lässt sich dies im Behördenalltag nicht.

Das Konzept einer unabhängigen Ombudsstelle

Dieses Dilemma ist bekannt und es lässt sich umgehen. Schon heute haben Behörden vor allem im Bereich der Antikorruptionsarbeit Erfahrungen damit gesammelt, auch unabhängige, externe Beauftragte einzusetzen. Derartige Konzepte lassen sich auch für das allgemeine Beschwerdewesen in einer Behörde weiterentwickeln.

Im konkreten Fall hat sich die Stadt Köln dafür entschieden, die Ombudsstelle bei einer Rechtsanwaltskanzlei einzurichten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Rechtsanwälte sind zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet, sie verfügen über umfassende Zeugnisverweigerungsrechte in Verfahren, sodass die Herausgabe von Namen, Daten oder Informationen nicht erpresst werden kann.

Lediglich eine Hürde gilt es zu überwinden: Grundsätzlich hat der Auftraggeber, hier also die Stadt Köln, einen Anspruch darauf, die vollständige Dokumentation eines Mandats (die so genannte "Handakte") ausgehändigt zu bekommen. Dies würde die Vertraulichkeit unterlaufen.

Und deshalb besteht die Möglichkeit, unwiderruflich zu vereinbaren, dass der Auftraggeber auf die Herausgabe der Handakte verzichtet. Damit bleiben alle Hinweise, Eingaben und Beschwerde dort, wo der jeweilige Hinweisgeber sie platzieren möchte: bei dem externen Rechtsanwalt, bei der Ombudsstelle.

Die so 2018 eingerichtete "Ombudsstelle Feuerwehr" hat nach dem Prinzip der Freiwilligkeit der Hinweisgeber/innen gearbeitet. Wenn diese wünschten, dass Hinweise weitergegeben werden sollten, wurden sie an die Verwaltung weitergereicht. Sollte dies ausschließlich anonym geschehen, wurden die Eingaben anonymisiert. Hierdurch bestand die Möglichkeit, Hinweisgeber/innen zu schützen und gleichzeitig dennoch den Austausch zwischen Hinweisgeber und Dienststelle aktiv zu betreiben. Denn auch die Dienststelle erhielt nun durch die Ombudsstelle die Möglichkeit, auf eine anonyme Eingabe inhaltlich zu antworten. Die Antwort konnte durch die Ombudsstelle wieder dem Hinweisgeber zugeordnet und an diesen weitergeleitet werden.

Im Laufe des ersten Jahres der Ombudsstelle Feuerwehr sind so knapp 80 Eingaben zu rund 120 Themen eingegangen. Der Wunsch nach Anonymität und vertraulicher Bearbeitung stand bei vielen Eingaben im Vordergrund. Insofern ist davon auszugehen, dass viele Themen auf den herkömmlichen Wegen nicht geäußert worden wären. Die Ombudsstelle ergänzt mit ihrem Angebot daher den Dienstweg. Sie ist der erlaubte Ausweg vom Dienstweg.

Ausblick und Weitblick

Die Einrichtung einer externen Ombudsstelle kann unterschiedliche Zwecke und Ziele verfolgen. Maßgeblich für die Konzeption ist, ob die Ombudsstelle dauerhaft den Dienstweg ergänzen soll oder ob sie vorübergehend eingerichtet wird. In beiden Fällen sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich, um die Bearbeitung von Hinweisen, Anregungen und Beschwerden innerhalb der Verwaltung sicherzustellen.

Die Stadt Köln hat sich für ein gestuftes Verfahren entschieden, in dem zunächst die Hinweise an die jeweils zuständigen Fachabteilungen mit der Bitte um eine Stellungnahme weitergeleitet wurden. Sodann wurden Hinweise und Stellungnahmen einer Projektgruppe vorgelegt, die aus Vertretern aller Bereiche der Feuerwehr gebildet war. Abschließende Entscheidungen traf sodann eine Lenkungsgruppe, in die auch die Behördenleitung eingebunden war.

Daneben wurde ein Veränderungs- und Gestaltungsprozess eingeleitet, der u.a. neben der Ombudsstelle Kommunikationswege überprüfen und neue Kanäle schaffen sollte.

Gerade dieser Aspekt zeigt noch einmal, dass die Einrichtung einer externen Ombudsstelle stets nur ein kleiner Baustein in einem viel größeren Prozess sein kann. Sollen die Mitarbeitenden einer Behörde eine effektive Möglichkeit zur vertraulichen Beschwerde erhalten, messen sie die Verwaltung später daran, wie auf die Beschwerden reagiert wird. Werden Hinweise ernst genommen? Erfolgen Prüfungen im Einzelfall? Besteht eine grundsätzliche Veränderungsbereitschaft in der Behörde?

Die Reaktion der Behörde lässt sich dann nicht nur innerhalb einzelner Beschwerde- und Hinweisverfahren - etwa also an der Antwort der Dienststelle - überprüfen, sondern auch im sonstigen Gesamtbild. Verändern Hinweise den Umgang mit Mitarbeitenden? Werden neben dem Fachamt etwa auch Personal- und Rechtsabteilungen, Versicherungsabteilungen, Vergabe- und Beschaffungsstellen, Schnittstellen zu politischen Gremien oder Arbeitskreise für die neue Art der Kommunikation sensibilisiert?

Wenn die Beschäftigten hiervon überzeugt sind, wird der Bedarf für eine externe, vertrauliche Ombudsstelle am Ende wieder sinken.

Gleichwohl zeigt das Projekt der Stadt Köln auch, dass es einen grundsätzlichen Bedarf an externer Vertraulichkeit gibt, auch über einen aktuellen Anlass hinaus. Die wiederkehrenden Diskussionen über Whistleblowing zeigen das eindrücklich. Behörden und Verwaltungen müssen ein Eigeninteresse daran haben, dass Hinweisgeber und auch Whistleblower die Möglichkeit haben, ihr Wissen geschützt und zunächst ohne eigenes berufliches Risiko zu offenbaren. Denn werden hierdurch Missstände bekannt, besteht schon zeitnah die Gelegenheit, diese abzustellen.

Die Europäische Union will derartige Hinweisstellen in Zukunft stärker einfordern. Durch eine Richtlinie, die maßgeblich Verstöße gegen das EU-Recht in den Blick nimmt, werden Städte und Gemeinden verpflichtet werden, vertrauliche Hinweisstellen zu schaffen. Die Einrichtung von Anti-Korruptionsbeauftragten, Hinweisstellen für Verstöße gegen das EU-Recht und weiterer Spezial-Beschwerdestellen wird die Frage aber immer wieder aufwerfen: Können und sollen derartige Beschwerdemöglichkeiten nicht auch gebündelt werden? Externe Ombudsstellen bei Rechtsanwälten sind ein gangbarer Weg hierfür.

Leserkommentare
von Betroffene123 am 20.06.2019 13:47:16# 1
Guten Tag Herr Hotstegs,
eine sehr gute Erklärung haben Sie hier erarbeitet.
Ich habe zwar riesengroßen Ärger, jeder Menge Verluste hinnehmen müssen aufgrund jeder Menge Rechtsmängel die im Amt verursacht worden sind zu beklagen, bin aber selbst kein Beamter, sondern eine natürliche Person und geriet jahrzehntelang immer an die falschen Rechtsanwälte.
Die Staatsanwaltschaft schrieb mir, dass das Land Berlin von einem Strafverfahren abstand nehmen will, weil derjenige von einem Landgericht in Brandenburg wegen einer anderen Sache bereits aufgrund Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei! Ich solle zivilrechtlich Klage erheben! Das ging aber nicht, weil jeder Anwalt die Vertretun g nicht übernahmen wollte.

    
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