Frauenförderung in NRW verfassungswidrig

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Verwaltungsgericht Düsseldorf stoppt aktuelle Beförderungsrunden

"Leistung muss sich lohnen." Auch mit diesem Satz könnte man die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zusammenfassen. Die 2. Kammer hat mit einer Grundsatzentscheidung die Frauenförderung im neuen Landesbeamtengesetz nur zwei Monate nach Inkrafttreten für verfassungswidrig erklärt. Dem Land fehle die Gesetzgebungskompetenz, weil der Bund bereits vorgegeben habe, dass allein Eignung, Befähigung und Leistung für Beförderungen ausschlaggebend sind.

Beförderungsrunde bei der Polizei gestoppt

Das Gericht hat dem Eilantrag eines Kriminaloberkommissars stattgegeben und dem Land Nordrhein-Westfalen vorläufig untersagt, mehrere Kriminaloberkommissarinnen bevorzugt zu befördern.

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte seine Auswahlentscheidung auf §19 Abs. 6 LBG NRW gestützt. Nach dieser Vorschrift, die erst seit dem 1. Juli existiert, sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Konkret heißt es dort:

"Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist."

Einzelnoten in aktuellen Beurteilungen und Vorbeurteilungen sind regelmäßig nicht mehr in den Blick zu nehmen, obwohl sich auch aus ihnen ein Qualifikationsunterschied ergeben kann.

Bundesrecht bricht Landesrecht

Für eine solche Regelung fehlt dem Land die Gesetzgebungskompetenz. Der Bund hat nach dem Grundgesetz die Zuständigkeit zur Regelung der Statusrechte der Beamten. Hiervon hat er durch § 9 des Beamtenstatusgesetzes Gebrauch gemacht. Dort heißt es:

"Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen."

Diese Regelung ist – soweit es das Merkmal der Eignung anbelangt – abschließend. Zwar kann der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht "seiner" Landesbeamten frei gestalten. Für einschränkende landesrechtliche Regelungen ist aber an dieser konkreten Stelle kein Raum mehr.

Aktion Abenddämmerung

Das ahnte wahrscheinlich auch die Landesverwaltung selbst bereits vor ein paar Wochen. Denn erstaunlicherweise gab es regelrechte Beförderungswellen, etwa in der Finanzverwaltung. Solche Aktionen "Abenddämmerung" oder "Abendsonne" kannte man sonst eher vor Landtagswahlen, wenn ebenfalls nicht nach Leistung, sondern nach Parteibuch entschieden wurde.

Nun also ist seit dem 1.7. der Beförderungsprozess der Beamten verfassungswidrig organisiert. In diesem Zustand ist es nahezu unmöglich rechtlich "wasserdichte" Beförderungen vorzunehmen. Denn nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf werden in Kürze wohl auch die anderen Verwaltungsgerichte in der ersten Instanz und später dann das Oberverwaltungsgericht in der zweiten Instanz derartige Fälle entscheiden.

Diese rechtliche Klärung kann sich unter Umständen noch bis zum Jahresende (oder darüber hinaus) hinziehen. Darunter leiden sowohl die potentiellen Beförderungskandidatinnen, weil sie nicht befördert werden, aber auch die verhinderten männlichen Kandidaten, die vielleicht im direkten Vergleich besser sein könnten, aber nun ebenfalls nicht befördert werden.

Eine endgültige Lösung des gordischen Knotens kann nur der Gesetzgeber herbeiführen. §19 Abs. 6 LBG NRW muss dringend neu geregelt werden!

(Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 05.09.2016, Az. 2 L 2866/16)

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