Gewissensfreiheit für Soldaten

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Am 21. Juni 2005 fällte der zweite Wehrdienstsenat des Bundesverwaltunsgerichts ein Aufsehen erregendes Urteil ( Az BVerwG 2 WD 12.04.): Der Soldat genießt Gewissensfreiheit und diesem Grundrecht muss der Dienstherr Rechnung tragen.

„Den sich bei Inanspruchnahme der Gewissensfreiheit durch Soldaten für den militärischen Dienstbetrieb ergebenden Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten ist durch Herstellung „praktischer Konkordanz" Rechnung zu tragen. Dabei muss angestrebt werden, den aufgetretenen Gewissenskonflikt unter Wahrung konkret feststellbarer berechtigter Belange der Bundeswehr in einer Art und Weise zu mildern und zu lösen, dass die verfassungsrechtlich zwingend normierte „Unverletzlichkeit" der Gewissensfreiheit nicht in Frage gestellt, sondern gewährleistet und gesichert wird." Solche Formulierungen, von einem höchsten Gericht und dann auch noch im Soldatenrecht, sind nichts weniger als eine Überraschung. Zwar ist seit langem anerkannt, dass auch der Beamte Grundrechtsträger ist und nicht in einem impermeablen Innenbereich des Staates angesiedelt werden darf. Aber so sehr viele Auswirkungen hat diese grundsätzliche Anerkennung der Grundrechtsträgerschaft nicht gehabt. Meist wurden dienstliche Belange vor die Grundrechte der Beamten gestellt, ob es sich nun um Meinungsfreiheit im Dienst oder auch die Weigerung, aus Gewissensgründen eine Waffe zu tragen. Meist wurde mehr oder weniger versteckt argumentiert, der Beamte müsse ja nicht Beamter sein und - volenti non fit iniuria. Die neueste Entwicklung in diesem Bereich ist das Verbot, aus Gewissensgründen ein Kopftuch zu tragen. Die öffentlichen Belange, die dienstlichen Vorgaben, überwiegen eindeutig das Grundrecht der Beamtin.

Es wird interessant sein, zu beobachten, ob diese Entscheidung Ausstrahlungswirkung in andere Bereiche von Beamtenaktivitäten hat.Das BVerwG hat in dieser Entscheidung mustergültig Grundrechtsdogmatik umgesetzt. Wenn der Art. 4 GG ein Grundrecht besonderen Ranges ist, bedarf es einer Konfliktlösung mittels praktischer Konkordanz. Die entgegenstehenden staatlichen Belangen müssen berechtigt und konkret feststellbar sein, was man in der amerikanischen Dogmatik clear and present danger nennt.

Man darf diesem Ansatz weitere Verbreitung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wünschen.

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