Hergebrachte Grundsätze

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Die Regelung in § 80 c NdsBG, Einstellungsteilzeit, stand beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand. Mit Beschluss vom 19.9.2007 2 BvF 3/02 – NVwZ 2007.1396 hat das Verfassungsgericht diese Regelung aufgehoben: „Antragslose Teilzeitbeschäftigung von Beamten ohne die Möglichkeit zur Wahl der vollen Beschäftigung verstößt gegen die gem. Art. 33 V GG zu beachtenden Grundsätze der Hauptberuflichkeit und der amtsangemessenen Alimentation."

Zur Begründung wird ausgeführt:

Gegenstand der Einrichtungsgarantie ist der Kernbestand von Strukturprinzipien, die sich in der Tradition entwickelt und bewährt haben.

Gerade im Interesse des Bürgers sind im Bereich des Funktionsvorbehalts besondere Anforderungen an die Art und Qualität der beamtlichen Aufgabenerfüllung zu stellen. Zum Gewährleistungsbereich des Art. 33 IV GG gehören jene Aufgaben, deren Wahrnehmung die besonderen Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums erfordert... Seine Aufgabe kann das Berufsbeamtentum nur erfüllen, wenn es rechtlich und wirtschaftlich gesichert ist.

Die für den Kerngehalt der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums geltende Beachtenspflicht versperrt den Weg zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen durch den einfachen Gesetzgeber.

Nicht jede Regelung des Beamtenrechts, die sich als hergebracht erweist, wird von der institutionellen Garantie erfasst... Geschützt sind daher nur diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen, so dass ihre Beseitigung auch das Wesen des Berufsbeamtentums antasten würde.

Die hauptberufliche Beschäftigung auf Lebenszeit und das hiermit korrespondierende Alimentationsprinzip sind prägende Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums.

Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position soll den Beamten dabei in die Lage versetzen, unsachlichen oder parteilichen Einflussnahmen zu widerstehen und seine Bereitschaft zu einer ausschließlich an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung zu fördern.

Die antragslose Einstellungsteilzeit ist dadurch charakterisiert, dass sie den auf eine Teilzeitbeschäftigung gerichteten Willen des Beamten nicht voraussetzt. Der Dienstherr bietet dem Teilzeitbeamten nicht das Maß an beruflicher Auslastung und, damit korrespondierend, an Einkünften, das er einem Vollzeitbeamten gewähren und schulden würde.... Im Falle der antragslosen Einstellungsteilzeit wird der betroffene Beamte schon zum Zwecke der gewünschten Einnahmeerzielung - und damit um ein dem Amt wenigstens annähernd angemessenes Einkünfteniveau zu erreichen - typischerweise auf die Ausübung von Nebentätigkeiten ausweichen müssen.

Es sind Interessenkonflikte zu besorgen, wenn der Teilzeitbeamte zugleich den Aufträgen privater Arbeitgeber nachkommen muss und seine Einnahmen in nicht unerheblichem Ausmaß von der Fortführung eines privaten Arbeitsverhältnisses abhängen.

Das Alimentationsprinzip, welches der Gesetzgeber zu beachten hat , verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.... Der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen seinem Amt angemessenen Lebenskomfort ermöglicht.

Die Kürzung der Bezüge im Falle der Teilzeitbeschäftigung schlägt sich insbesondere dann als potenzielle Gefährdung für die Unabhängigkeit der Amtsführung des Beamten nieder, wenn dieser nicht aus anderen Gründen über entsprechende wirtschaftliche Absicherungen verfügt. Insoweit erscheint das Merkmal der Freiwilligkeit als funktionsadäquates Sicherungskriterium erforderlich. Die Absenkung der Bezüge und damit die Einschränkung des Alimentationsprinzips kann im Falle der freiwilligen Teilzeitbeschäftigung daher als Ausdruck einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Beamten noch hingenommen werden.

Aus dem festgestellten Verstoß gegen Art. 33 V GG ergibt sich, dass eine Einstellungsteilzeit, bei der dem Bewerber keine Wahlmöglichkeit zwischen einer Vollzeitstelle und einer Teilzeitbeschäftigung eingeräumt wird, unzulässig ist. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 80c NdsBG besteht entgegen der Auffassung des OVG Lüneburg nicht.

Die vom OVG Lüneburg für möglich gehaltene verfassungskonforme Auslegung des § 80c NdsBG widerspricht daher dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers und erweist sich im Hinblick auf den Gesetzeszweck als „geradezu kontraproduktiv."
Das Beamtenrecht wird in nicht wenigen Entscheidungen, auch des Verfassungsgerichts, als rocher de bronce der Tradition wahrgenommen. Wenn man die Ausführungen des Verfassungsgerichts zum Beamtentum im Jahre 2007 liest und dann einen Blick in die Wirklichkeit dieser Institution wagt, ist eine erhebliche Differenz nicht übersehbar. Der Gesetzgeber kann die Fesseln sicher nur durch eine Verfassungsänderung lösen.

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