Tragen eines Kopftuchs in der Schule

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Nachdem im Jahre 2003 das Bundesverfassungsgericht sich zu den Kopftüchern in öffentlichen Schulen geäußert hatte, die inhaltlichen Konturen eher offen ließ, aber eine ausreichend bestimmte Rechtsgrundlage forderte, sind in verschiedenen Bundesländern jetzt die Gesetze erlassen worden, die allerdings den Streit nicht unbedingt beenden, sondern weitertragen. Insbesondere, wenn deutlich zwischen Christentum und sonstigen Religionen unterschieden wird, gibt es dagegen fachkundigen Protest, so vom ehemaligen Verfassungsrichter Mahrenholz.

Wie die konkreten Umsetzung des Urteils aussieht, zeigt der nachfolgende Beschluss des OVG Bremen:

OVG Bremen 2 B 158/05 B.v. 26.8.2005

§ 59 Abs. 4 und 5 BremSchulG

Die öffentlichen Schulen haben religiöse und weltanschauliche Neutralität zu bewahren. Auch das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte... .darf in der Schule nicht dazu geeignet sein, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören oder Spannungen, die den Schulfrieden durch Verletzung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gefährden, in die Schule zu tragen.

Die Vorschrift regelt die Pflicht des Staates zu weltanschaulich und religiöser Neutralität.

Das Tragen eines Kopftuches verstößt gegen § 59 Abs. 4 BremSchulG. Es kommt für objektive Wirkung des religiösen Symbol auf die Sicht des Empfängers an. Das Kopftuch ist ein ausdrucksstarkes Symbol, dessen Ausstrahlung eine besondere Intensität erreichen kann, weil die Schüler für die gesamte Dauer des Schulbesuchs damit ohne Ausweichmöglichkeit konfrontiert sind.

Die mit dem Tragen des Kopftuch des in der Schule zu erwartenden Spannungen sind geeignet, den Schulfrieden ernstlich zu gefährden. Die zunehmende religiöse Vielfalt in der Gesellschaft hat das Potenzial möglicher Konflikte erheblich gesteigert.

Zur Begründung der Dienstpflicht, auf das Tragen des Kopftuch ist zu verzichten, bedarf es nicht des Nachweises einer konkreten Gefahr. Es reicht der Fall der abstrakten Gefahr für den staatlichen Erziehungsauftrag und die Störungen des Schulfriedens.

Der positiven Glaubensfreiheit des Lehrers steht die negative Glaubensfreiheit der Schüler, das Erziehungsrecht der Eltern, das staatliche Erziehungsrecht und die staatliche Pflicht zu religiöser - weltanschaulichen Neutralität und Toleranz gegenüber.

Die Regelung des bremischen Gesetzgebers hält sich innerhalb der Bandbreite des Gestaltungsermessens, dass aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichts dem Landesgesetzgeber eingeräumt wurde. Der Gesetzgeber darf im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit der staatlichen Neutralitätspflicht eine striktere Bedeutung beimessen und demgemäß das äußere Erscheinungsbild grundsätzlich von persönlichen religiösen Bezügen freihalten.

§ 59 b Abs. 4 BremSchulG beschränkt auch die Berufsausübungsfreiheit. Der religiöse Schulfrieden ist am Rechtsgut von herausragender Bedeutung, dessen Schutz auch bei lediglich abstrakter Gefährdung erforderlich und damit gerechtfertigt ist. Auch wenn für den Personenkreis der Referendare diese Regelung die Qualität einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung hat, die nur zum Schutze überragenden gewichtigen Gemeinschaftsgüter zulässig ist, ist die Voraussetzung hier erfüllt, bei der religiöse Schulfrieden ein Rechtsgut von überragenden Bedeutung ist.

Es scheint also wenig Chance zu bestehen, der existierenden Pluralität im öffentlichen Dienst einen Raum zu geben. Die Rechtsidee der Diskrimierungsverbote - dem Grundgesetzgeber wichtig und deswegen an drei Stellen im Grundgesetz erwähnt - Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 und Art. 136 Abs. 2 WRV i.V.m. Art. 140 GG leidet dadurch Not. Dies ist keine neue Entwicklung. Schon immer hatten es diese Bestimmungen schwer. Die Angebote des Verfassungsgerichts, mehr praktische Konkordanz zu verwirklichen (wie sehr die Mehrheit dieser Auffassung war, zeigt am pointierten Minderheitenvotum), werden durch den Landesgesetzgeber nicht aufgegriffen.

Ist ein Vorgehen gegen ein solches Verbot gänzlich aussichstlos? Eine solche Klage zu gewinnen, ist wenig wahrscheinlich, aber gelegentlich finden auch Grundrechte, die in anderen Zusammenhängen als überrragend wichtig bezeichnet werden, höchstrichterliche Würdigung, wie die nachfolgende Entscheidung des Wehrdienstsenates (!) des BVerwG beweist:

Die Streitkräfte sind als Teil der vollziehenden Gewalt ausnahmslos an "Recht und Gesetz" (Art. 20 Abs. 3 GG) und insbesondere an die Grundrechte uneingeschränkt gebunden. Davon könnten sie sich nicht unter Berufung auf Gesichtspunkte der militärischen Zweckmäßigkeit oder Funktionsfähigkeit freistellen.
Also ist es kein Verstoß gegen die Gehorsampflicht, wenn aus Gewissengründen die Ausführung verweigert wird.

BVerwG 2 WD 12.04 vom 21.06.2005

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