Bindungswirkung von Testament und Erbvertrag

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Welche Bindungswirkungen erzeugen Testament oder Erbvertrag im Hinblick auf Maßnahmen der vorweggenommenen Erbfolge?

Selbst wenn Eltern durch (gemeinschaftliches) Testament oder Erbvertrag ihre Vermögensnachfolge bereits geregelt haben, besteht oftmals noch ein Bedürfnis nach Maßnahmen einer so genannten vorweggenommenen Erbfolge. Dabei handelt es sich um Vermögensübertragungen in Form von (gemischten) Schenkungen, die den Kindern meist aus steuerlichen Gründen bereits zu Lebzeiten zugewendet werden. Häufig spielen aber auch emotionale Gründe ein Rolle: Man will den Kindern etwas aus der „warmen Hand" zukommen lassen, und damit ein besonderes Vertrauen in die persönliche Bindung zu den Abkömmlingen zeigen.

Maßnahmen der vorweggenommen Erbfolge sind oft sinnvoll, weil dadurch noch zu Lebzeiten des Erblassers unter seiner eigenen Kontrolle und in seinem Sinne Vermögensübergänge „dosiert" vorgenommen werden können. Dabei sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass Bindungswirkungen von letztwilligen Verfügungen bei lebzeitigen Übertragungen mitberücksichtigt werden müssen. Insofern ist zwischen den verschiedenen Formen letztwilliger Verfügungen zu unterscheiden:

Martin Diefenbach
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Rechtsanwalt
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Erbrecht, Kapitalanlagenrecht

  1. Ein Einzeltestament entfaltet keine Bindungswirkung. Das heißt, der Testierende ist bis zu seinem Lebensende völlig frei in seinen Vermögensdispositionen. Ein Einzeltestament kann zum einen jederzeit geändert werden, ohne dass dies mit irgendjemandem abgestimmt werden muss; zum anderen kann auch entgegen dem Inhalt des Testaments zu Lebzeiten entgeltlich oder unentgeltlich (etwa durch Schenkung) verfügt werden. Nur unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit, etwa bei übermäßigen Zuwendungen an eine Geliebte (an der Ehefrau oder den eigenen Kindern vorbei), oder bei nicht erfüllten berechtigten Erwartungen an eine Erbschaft (und vorherigen entsprechenden Aufwendungen desjenigen, der die Erbschaft erwarten durfte) können sich Ansprüche der nicht bedachten Personen ergeben.

  2. Anders verhält es sich bei einem gemeinschaftlichen Testament, das von Ehegatten oder Partnern einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft wirksam erstellt werden kann. Das gemeinschaftliche Testament entfaltet Bindungswirkung im Hinblick auf letztwillige wechselbezügliche Verfügungen ab dem Tod eines der Ehegatten/Partner. Wechselbezüglich sind solche Verfügungen, die miteinander stehen und fallen, also nicht isoliert gelten sollen. In Betracht kommen dabei nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse sowie Auflagen; nicht hierunter fallen Teilungsanordnungen, wonach ein Erblasser im Rahmen der vorgegeben Erbquote bestimmte Gegenstände (wie etwa Grundstücke) unter den Schlusserben aufteilen kann. Letztwillige Verfügungen, die im Widerspruch zu wechselbezüglichen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments stehen, sind unwirksam.

    Unter bestimmten Umständen kann ein gemeinschaftliches Testament aber auch ausnahmsweise Auswirkungen auf lebzeitige unentgeltliche Verfügungen (Schenkungen) haben. Hintergrund der Problematik ist, dass nach dem Tod des einen Ehegatten der überlebende Ehegatte häufig aus persönlichen Motiven einseitig Änderungen in der Vermögensnachfolge treffen will, nach denen ein Kind bervorteilt, und ein anderes benachteiligt würde. Dies gilt vor allem für Testamente, nach denen sich die Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben und die Kinder nach dem Tod des Überlebenden zu Schlusserben einsetzen (Einheitslösung; so genanntes Berliner Testament).

    Wenn in dem gemeinschaftlichen Testament geregelt wird, dass mehrere Kinder zu „gleichanteiligen Erben" eingesetzt werden, und wenn das Testament keinen Änderungsvorbehalt zur nachträglichen Änderung der Erbquote enthält (Freistellungsklausel), so kann dies dazu führen, dass lebzeitige unentgeltliche Verfügungen des überlebenden Ehegatten unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB unwirksam sind (sehr selten) oder bei Benachteiligungsabsicht im Sinne des § 2287 BGB nachträglich angreifbar werden.

    Der letztere Fall kommt in der Praxis weitaus häufiger vor. Eine Benachteiligungsabsicht liegt dann vor, wenn einem Schlusserben die Vorteile der Erbeinsetzung zumindest geschmälert werden sollen. Es reicht dabei regelmäßig aus, wenn aufgrund der Umstände der Schenkung(en) von einer Benachteiligungsabsicht auszugehen ist. Der Erblasser muss sein Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbräuchlich ausgeübt haben, was regelmäßig dann angenommen wird, wenn er kein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte; ein solches Eigeninteresse kann etwa in einem Interesse an Versorgung bzw. Pflege durch einen der Erben bestehen. Aufgrund des Schutzzwecks des § 2287 BGB wird von der Rechtsprechung eine abschließende Aufklärung der inneren Motive des einseitig Verfügenden nicht gefordert. Dies stellt eine große Erleichterung für den Benachteiligten dar, da sich die subjektiven Erwägungen des Verfügenden oft nicht nachweisen lassen.

  3. Ähnlich ist es beim Erbvertrag. Ein Erbvertrag erzeugt aufgrund seiner vertragsmäßigen Verfügungen Bindungswirkungen, die die Möglichkeit nachfolgender lebzeitiger Schenkungen des überlebenden Ehegatten ebenfalls unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit oder der Benachteiligungsabsicht im Sinne von § 2287 BGB beschränken bzw. solche Verfügungen nachträglich angreifbar machen. Zu vertragsmäßigen Verfügungen zählen etwa Erbeinsetzungen, nach denen alle Kinder zu gleichen Teilen als Erbe bestimmt werden. Ebenso wie beim gemeinschaftlichen Testament kommen auch Vermächtnisanordnungen und Auflagen als vertragsmäßige Verfügungen in Betracht.

  4. Rechtsfolge des § 2287 BGB: Der aufgrund der letztwilligen Verfügung Berechtigte (meist Schluss- oder Vertragserbe) kann von dem Zuwendungsempfänger gegebenenfalls Herausgabe des Eigentums bzw. Einräumung des Miteigentums verlangen. Hat dieser das Eigentum, etwa ein Grundstück, an einen Dritten veräußert, so kann der Berechtigte Wertersatz nach Bereicherungsrecht verlangen.

    Gegen den Erblasser selbst kann der Berechtigte nur sehr eingeschränkt vorgehen. In Fällen, in denen sich der Erblasser auf den Standpunkt stellt, er sei an eine letztwillige Verfügung nicht gebunden, kann der Berechtigte jedoch mit einer Feststellungsklage die Wirksamkeit eines Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments klären lassen. Diese Möglichkeit sollte nicht unterschätzt werden, da angesichts einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung so mancher uneinsichtige Erblasser von missbräuchlichen Schenkungen abgehalten werden kann.

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.
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