Erbengemeinschaft – Rechte und Pflichten

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Von Rechtsanwalt Jan-Hendrik Frank

Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben (vgl. § 2032 BGB). Die Erben bilden eine Erbengemeinschaft. Welche Rechte und Pflichten die Miterben in dieser Erbengemeinschaft haben, ist vielen Erben unklar. Nachfolgend werden die am häufigsten gestellten Fragen zu dieser Thematik beantwortet.

Wer sind die Mitglieder der Erbengemeinschaft?

Alle gesetzlichen Erben und testamentarischen Erben. Nicht hingegen Pflichtteilsberechtigte oder Begünstigte eines Vermächtnisses.

Welches Vermögen geht auf die Erbengemeinschaft über?

Grundsätzlich geht der gesamte Nachlass auf die Erbengemeinschaft über. Eine Ausnahme gilt allerdings für Anteile an Personengesellschaften (GmbH & Co KG, OHG, GbR etc.). Diese gehen im Wege der Sondererbfolge unmittelbar auf die Erben über.

Kann ein Miterbe über einen einzelnen Nachlassgegenstand allein verfügen?

Der einzelne Miterbe kann über einen einzelnen Nachlassgegenstand nicht verfügen (vgl. § 2033 Abs. 2 BGB). Die Erbengemeinschaft kann über einen einzelnen Nachlassgegenstand nur gemeinsam und durch einstimmigen Beschluss verfügen (vgl. § 2040 BGB).

Gilt dies auch, wenn der Erblasser bestimmt hat, dass ich den einzelnen Nachlassgegenstand erhalten soll?

Sofern es sich um eine sog. „Teilungsanordnung" handelt, können die Erben auch in diesem Fall nur gemeinsam über den betreffenden Nachlassgegenstand verfügen (vgl. oben). Die Teilungsanordnung wird erst bei der Erbauseinandersetzung relevant. Allerdings kann es sich auch um ein Vermächtnis handeln. In diesem Fall hat der Vermächtnisnehmer einen Anspruch gegen die Erbengemeinschaft auf Übertragung des Nachlassgegenstands. Vor der Übertragung kann allerdings auch der Vermächtnisnehmer nicht über den betreffenden Nachlassgegenstand verfügen.

Kann ich meinen Erbteil verkaufen?

Die Erben können über ihren Anteil am Erbe insgesamt (z.B. ein Drittel des Nachlasses) mit notariellem Vertrag verfügen (vgl. § 2033 BGB). Der Erwerber des Erbteils tritt dann in die Rechtsstellung des Miterben eintritt. Verkauft ein Miterbe seinen Anteil, haben zunächst die Miterben ein gesetzliches Vorkaufsrecht im Hinblick auf den verkauften Erbteil.

Wer ist zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt?

Die Erben sind gemeinsamschaftlich zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt (vgl. § 2038 Satz 1 BGB). Alle Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen werden. Etwas anderes gilt nur, wenn der Erblasser einen Testamentsvollstrecker eingesetzt hat. In diesem Fall verwaltet er den Nachlass.

Muss ich an der Verwaltung mitwirken?

Sofern die Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind, ist jeder Miterbe verpflichtet, bei der Verwaltung mitzuwirken (vgl. § 2038 Satz 2 BGB).

 

Was ist, wenn die Miterben sich nicht einig über die Verwaltung des Nachlasses sind?

Sind sich die Miterben über die Verwaltung des Nachlasses nicht einig, entscheidet die Stimmenmehrheit darüber, ob eine Maßnahme durchgeführt wird oder nicht (vgl. § 2038 Abs. 2 BGB i.V.m. § 745 BGB). Allerdings ist der Beschluss für die überstimmten Erben nur bindend, wenn die Maßnahme, über die abgestimmt wurde, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist.

 

Was kann ich gegen eine falsche Mehrheitsentscheidung machen?

Ist eine bestimmte Maßnahme zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich und haben die anderen Erben dennoch gegen diese Maßnahme gestimmt, so müssen die in der Abstimmung unterlegenen Miterben das zuständige Gericht anrufen.

 

Kann ich Notmaßnahmen auch ohne die Einwilligung der Miterben ergreifen?

Kann eine Entscheidung der Erbengemeinschaft nicht abgewartet werden, weil dem Nachlass sonst ein Schaden droht (z.B. bei einem undichten Dach), darf auch ein einzelner Erbe die erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung des Schadens ergreifen (z.B. Dachdecker beauftragen), um den Schaden von dem Nachlassgegenstand abzuwenden (vgl. § 2038 Ab. 1 Satz 2, 2. Halbsatz). Solche berechtigten Notmaßnahmen wirken für und gegen die anderen Miterben.

 

Hafte ich für die Schulden des Erblassers und für die Kosten der Nachlassverwaltung?

Vor der Verteilung des Nachlasses haften die Miterben für Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner (vgl. § 2059 BGB), d.h. die Nachlassgläubiger können die Leistung sogar von einem Miterben allein fordern (vgl. § 421 BGB)! In diesem Fall hat allerdings ein Ausgleich innerhalb der Erbengemeinschaft entsprechend dem jeweiligen Anteil stattzufinden. Nach der Teilung des Nachlasses haftet der Miterbe unter bestimmten Umständen nur noch entsprechend seinem Erbteil (vgl. § 2060 BGB).

Hafte ich auch mit meinem Privatvermögen?

Bis zur Teilung des Nachlasses kann jeder Miterbe einen Nachlassgläubiger auf den Nachlass verweisen, d.h. der Miterbe haftet zunächst nicht mit seinem Privatvermögen, sondern nur in Höhe seiner Erbquote mit den Nachlassvermögen (vgl. § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ausnahmsweise können Nachlassgläubiger allerdings doch auf das Privatvermögen des Miterben zugreifen (wenn auch begrenzt auf die Höhe der Erbquote), wenn eine gesetzte Inventarfrist fruchtlos verstrichen ist (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder absichtlich ein unrichtiges Inventar errichtet worden ist (§ 2005 Abs. 1 Satz 1 BGB).

 

Was für Möglichkeiten gibt es, die Haftung zu begrenzen oder auszuschließen?

Jedem Miterben stehen die normalen gesetzlichen Möglichkeiten zur Beschränkung seiner Haftung zur Verfügung.

Habe ich Anspruch auf die Erträge des Nachlasses?

Erträge des Nachlasses (z.B. Mietzins eines Mietshauses), werden grundsätzlich erst im Rahmen der Erbauseindersetzung verteilt (vgl. § 2038 Abs. 2 BGB). Ist allerdings die Auseinandersetzung des Nachlasses länger als ein Jahr auf den Erbfall ausgeschlossen, kann jeder Erbe zum Schluss des jeweiligen Kalenderjahres, die Verteilung der angefallenen Erträge verlangen (vgl. § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB).

 

Habe ich einen Anspruch auf Nutzung der Nachlassgegenstände?

Erben dürfen Nachlassgegenstände nur nutzen, wenn das Nutzungsrecht der Miterben hierdurch nicht beeinträchtigt wird (vgl. § 2038 Abs. 2 BGB i.V.m. § 743 Abs. 2 BGB).

 

Wie wird die Erbengemeinschaft aufgelöst?

Hat der Erblasser im Testament nichts anderes bestimmt, kann jeder Miterbe jederzeit verlangen, dass die Erbengemeinschaft aufgelöst wird (§ 2042 Abs. 1 BGB). Das Verfahren zur Auflösung der Erbengemeinschaft wird als Erbauseinandersetzung bezeichnet.

 

Kann im Testament die Erbauseinandersetzung ausgeschlossen werden?

Ja, in einer letztwilligen Verfügung kann angeordnet werden, dass die Erbengemeinschaft nicht aufgelöst werden kann. Allerdings wird die Verfügung nach 30 Jahren grundsätzlich unwirksam (vgl. § 2044 Abs. 2 BGB).

Kann die Erbauseinandersetzung aufgeschoben werden?

Ja, wenn ein Miterbe einen Aufschub bis zur Beedingung eines Aufgebotsverfahren, bei welchem Gläubiger des Nachlasses ihre Forderungen anmelden, beantragt (vgl. § 2045 BGB).

Wer kommt für die Nachlassverbindlichkeiten auf?

Vor der Verteilung des Nachlasses haften die Miterben für Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner (vgl. § 2059 BGB). Nach der Teilung des Nachlasses haftet der Miterbe unter bestimmten Umständen nur noch entsprechend seinem Erbteil (vgl. § 2060 BGB).

 

Kann ich verlangen, dass die Nachlassverbindlichkeiten vor der Verteilung getilgt werden?

Ja (vgl. § 2046 Abs. 1 BGB).

 

Wieviel erhalte ich?

Der nach Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten verbleibende Überschuss wird entsprechend der Erbquoten unter den Erben verteilt (vgl. § 2047 BGB). Eventuelle Ausgleichspflichten der Erben sind zu berücksichtigen.

Was ist, wenn alle einen bestimmten Gegenstand wollen?

Der vorsorgende Erblasser wird im Testament bestimmen, wer welchen Gegenstand erhalten soll (sog. Teilungsanordnung). Von dem Wunsch des Erblassers können die Erben nur abweichen, wenn sie dies übereinstimmend beschließen. Hat der Erblasser keine Teilungsanordnung getroffen, müssen sich die Beteiligten über die Verteilung des Nachlasses einigen. Dies erfolgt durch eine Auseinandersetzungsvertrag.

Welche Form muss ein Auseinandersetzungsvertrag haben?

Eine Auseinandersetzungsvertrag bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Form. Anders nur, wenn die Form für die Übertragung des Vermögensgegenstands aus besonderen Gesetzen ergibt. So bedarf nach § 313 BGB ein Grunstücksgeschäft der notariellen Beurkundung. Formpflichtig ist auch der Vertrag über die Übertragung von GmbH-Anteilen (vgl. § 15 GmbH-Gesetz).

Was kann ich tun, wenn keine Einigung über die Verteilung erzielt wird?

Jeder Erbe kann beim Nachlassgericht Vermittlung bei der Verteilung beantragen. Allerdings genügt der Widerspruch eines Erben, um das Verfahren zum Scheitern zu bringen.

Kann ich auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft klagen?

Ja. Allerdings muss eine sog. Erbteilungsklage auf den Abschluss eines konkreten Auseinandersetzungsvertrages gerichtet sein. Daher muss zunächst ein Auseinandersetzunsvertrag erstellt werden.

Was ist, wenn nur um einige Teile des Nachlasses gestritten wird?

Die Erben können zunächst nur einen Teil des Nachlasses  aufteilen und einen Teil ausklammern.

Was ist ein Teilungsversteigerung?

Ist im Nachlass ein Grundstück und kann / will keiner der Erben die Immobilie übernehmen (und einen entsprechenden Ausgleich zahlen), kann jeder Erbe die eine Teilungsversteigerung beantragen. Zur Ersteigerung des Grundstücks sind nicht nur dritte Personen, sondern auch die Erben selbst berechtigt.

Kann ich die Teilungsversteigerung verhindern?

Jeder Miterbe kann beim Nachlassgericht die Einstellung der Teilungsversteigerung für die Dauer von 6 Monaten beantragen.

Wie läuft die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ab, wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet hat?

Hat der Erblasser die Testamentsvollstreckung angeordnet, wickelt der Testamentsvollstrecker den Nachlass ab. Hierfür stellt er einen Plan für die Auseinandersetzung auf, den er für verbindlich erklärt. Nachdem der Testamentsvollstrecker den Miterben den Plan zur Stellungnahme vorgelegt hat, verteilt er den Überschuss des Nachlasses. Die Miterben können einen gesetzeswidrigen oder offenbar unbilligen Plan durch Klage gegen den Testamentsvollstrecker anfechten.

Was ist bei Vermögen im Ausland?

Ausländisches Vermögen wird grundsätzlich nur dann von der Erbengemeinschaft umfasst, wenn deutsches Recht anwendbar ist. So sieht z.B. Spanien die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts vor (Erbschaftssteuer ist allerdings auch in Spanien zu zahlen!). Probleme in der Erbengemeinschaft können bei Auslands-Vermögen aber viel leichter zu hohen Kosten führen, da die landespezifischen Besonderheiten von der Erbengemeinschaft nicht berücksichtigt werden. Außerdem kennen selten alle Erben das Auslandsvermögen. Hier sollte daher immer ein auf internationales Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt eingeschaltet werden, der die Abwicklung der Erbschaft im Ausland überwacht.

Besonders problematisch sind aber auch Staaten die bei Auslands-Immobilienvermögen ihr eigenes Recht für anwendbar erklären. Diese Staaten haben zumeist auch eigene Regelungen für die Nachlassabwicklung. So erfolgt die Nachlassabwicklung in Südafrika z.B. durch einen sog. executor.

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