Reizthema „Pflichtteil“ – Ideen für ein zeitgemäßes Pflichtteilsrecht

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Bundesjustizministerin Zypries stellte am 16.3.2007 beim 2. Deutschen Erbrechtstag wesentliche Punkte einer geplanten Erbrechtsreform vor. Insbesondere das geltende Pflichtteilsrecht stößt bei vielen „angehenden Erblassern“ auf Kritik bis hin zu Unverständnis: Abkömmlinge, Eltern und Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes können so gut wie nie von der Teilhabe am Vermögen ausgeschlossen werden. Dort stößt die Testierfreiheit des Erblassers an Grenzen, sein Wille findet nur eingeschränkt Berücksichtigung. Die Erben ihrerseits müssen sich mit Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten „herumschlagen“. Das kann sogar dazu führen, dass ein ererbter Vermögenswert, beispielsweise eine Immobilie, zerschlagen werden muss.

Das bisherige Recht lässt nur sehr wenige und schwerwiegende Gründe zu, aus denen der Pflichtteil entzogen werden kann. Zudem hängt die Ausprägung des Schutzgedankens noch stark mit dem klassischen auf Abstammung und Ehe basierenden Familienbild zusammen. Innerhalb der Familie wird wiederum zwischen Abkömmlingen und Ehegatten differenziert, ihnen kann bisher aus unterschiedlichen Gründen der Pflichtteil entzogen werden.

Hier will laut der Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums die Reform wesentliche Änderungen schaffen. Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden. Flapsig ausgedrückt: Was dazu führt, dass man dem „missratenen Sprössling“ das Erbe vorenthalten darf, muss man nicht vom Ehe- bzw. Lebenspartner hinnehmen ohne auch diesem mit Liebes- und Pflichtteilsentzug beikommen zu können - und umgekehrt.

Einer der Gründe für eine Pflichtteilsentziehung schon nach bisherigem Recht ist der, dass der Berechtigte dem Erblasser, seinem Ehe-/Lebenspartner oder seinen Kindern nach dem Leben trachtet. Hier wird der Personenkreis erweitert: Tötung oder Misshandlung z.B. gegenüber Stiefkindern des Erblassers oder diesem vergleichbar einem Angehörigen oder Ehepartner nahe stehenden Personen soll dann den Entzug des Pflichtteils rechtfertigen. Angesichts der zunehmenden Patchwork-Familien sicherlich eine sinnvolle Erweiterung. Warum soll beispielsweise in einer Familie, die sich selbst auch ohne juristische Bindung als solche versteht, der Erblasser gezwungen sein, dem leiblichen Abkömmling einen Teil seines Vermögens zu überlassen, weil es nicht sein rechtliches Geschwisterkind misshandelt hat, sondern „nur“ das Stiefkind des Erblassers?

Ein weiterer Entziehungsgrund, der des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ soll als „zu unbestimmt“ entfallen, an seine Stelle tritt ein neuer: Eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung kann dann zur Pflichtteilsentziehung berechtigen, wenn es dem Erblasser „unzumutbar“ ist, dem Verurteilten diesen zu belassen. Ob dieser neue Grund allerdings wirklich wesentlich bestimmter ist als der alte wage ich momentan noch zu bezweifeln. Sicherlich ist es nicht nur anmaßend, sondern obendrein sehr schwierig, eine Art Katalog aufzustellen, anhand dessen man jemandem einen „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel“ attestiert. Leichter kann man im Bundeszentralregister Art und Höhe einer Verurteilung feststellen sowie die Gründe dafür. Aber der Erblasser findet es ohnehin schon „unzumutbar“, den Berechtigten an seinem Vermögen zu beteiligen – sonst würde er sich für Pflichtteilsentziehungsgründe gar nicht interessieren. Welcher Erblasser fühlt sich sozusagen zu Recht berufen, einem Straftäter das Familienvermögen vorzuenthalten? Außerdem: Was ist, wenn ein anderer Pflichtteilsberechtigter das Glück hat, auf einen milden Richter zu treffen und nicht die erforderliche Verurteilung auf dem Kerbholz hat, obwohl er sich möglicherweise dem Erblasser gegenüber viel schlechter benommen hat als derjenige, den man höher verurteilt hat? Hier wird es spannend, wie der Entwurf im Detail aussieht. Davon wird m. E. auch abhängen, ob die geplante Regelung als wesentlich gerechter empfunden wird als die alte.

Weitere geplante Erleichterungen für die Erben sind laut Pressemitteilung die „Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe“ - u. a. soll die Stundung jedem Erben möglich werden – und eine sogenannte „gleitende“ Regelung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Statt der 10-Jahres-Frist für den gesamten Anspruch wird dieser graduell in der Höhe weniger berücksichtigt, je länger die Schenkung innerhalb der 10 Jahre zurückliegt.

Außerhalb des Pflichtteilsrechts soll im Rahmen des Erbrechts noch die Position pflegender Angehörige gestärkt werden. Sie sollen ein Ausgleichsrecht orientiert an den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten.

Sicherlich ein Entwurf, dessen Entwicklung man im Auge behalten sollte.

Nicht gerüttelt wird an den grundsätzlichen Regelungen des Erb- und Pflichtteilsrechts sowie an der Höhe des Pflichtteilsanspruchs. Sie wird sich weiterhin auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils belaufen.

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