Zuständigkeit des Nachlassgerichts bei Versterben im Ausland Artikel 4 Europäische Erbrechtsverordnung

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Letzter gewöhnlicher Aufenthalt bei neuem Wohnsitz – anwendbares Erbrecht – internationale Gerichtszuständigkeit

Letzter gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Art. 4 EU-ErbVO muss nicht zwingend der letzte Wohnsitz des Erblassers/Verstorbenen sein

Bei Erbfällen mit Auslandsbezug, zum Beispiel bei Versterben im Urlaub oder Versterben nach der Umsiedlung in ein anderes EU-Land, stellt sich die Frage nach welchem Erbrecht vorgegangen wird sowie vor welchem Gericht über den Erbfall zu entscheiden ist.

Patrycja Lienau
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Das Amtsgericht Reinbek hatte dazu aktuell einen Fall zu beurteilen, in dem die polnische Lebensgefährtin des aus Deutschland stammenden Verstorbenen einen in Deutschland erteilten Erbschein zugunsten der Kinder des Erblassers in Polen anfechten wollte.

Sie berief sich darauf, dass der Erblasser in den letzten sechs Monaten vor seinem Tod bei ihr in Polen gelebt hatte und dass daher ein polnisches Gericht über das Erbrecht hätte entscheiden müssen.

Die längere körperliche Anwesenheit des Verstorbenen in Polen genügte jedoch nach Auffassung des Amtsgerichts Reinbek, gestützt auf mehrere vor deutschen Oberlandesgerichten hierzu ergangenen Beschlüsse nicht, um den vom Nachlassgericht Reinbek erteilten Erbschein anzufechten. Das Gericht hatte diesen Erbschein also zu Recht nach deutschem Recht erteilt.

Die Begründung war, dass der sechsmonatige während der Covid-Pandemie erfolgte Aufenthalt des deutschen Staatsangehörigen, der in Deutschland Familie sowie sein gesamtes Vermögen hatte und die polnische Sprache nicht beherrschte, nicht genügt habe, um dort einen gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 4 EU-ErbVO, § 343 Absatz 1 FamFG zu begründen.

Nach der Gesamtbeurteilung der Lebensumstände, insbesondere der Dauer und der Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers im Zweitstaat, der besonders engen Bindung an den zuvor bezogenen Staat, der Sprachkenntnisse sowie der Lage des Vermögens kann es zu Situationen kommen, in denen trotz eines Umzugs in einen Zweitstaat kurz vor dem Tod das Erbrecht des ursprünglichen Herkunftsstaates anwendbar bleibt sowie die dortige Gerichte weiterhin zuständig sind (vergl. Beschluss des AG Reinbek vom 23.09.2024, AZ7 VI 480/21).

Für das Fortbestehen des gewöhnlichen Aufenthalts im Herkunftsstaat ist es jedoch nicht erforderlich, dass dort noch eine Unterkunft oder Wohnung existiert (vergl. KG Beschluss vom 26.04.2016, AZ 1 Ar8/16, FamRZ 2016, 1203).

Bei Fragen rund um das europäische Erbrecht bzw. um Erbfälle mit Auslandsbezug, insbesondere zu Polen, steht die Kanzlei der Unterzeichnenden gern beratend und unterstützend zur Verfügung.

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