Besonderheiten beim Arbeitgeberwechsel
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Arbeitgeberwechsel, Urlaub, Boni, Arbeitgeber, ArbeitnehmerKündigungsfristen, Boni, Wettbewerbsverbote - was müssen Arbeitnehmer beim Wechsel des Arbeitgebers beachten?
Man ist unzufrieden mit dem aktuellen Arbeitsplatz oder hat ein lukratives Jobangebot erhalten, das man nicht ausschlagen möchte. Was aber müssen Arbeitnehmer beim Arbeitgeberwechsel beachten? Sollte man den Arbeitgeber von den Plänen unterrichten? Was ist mit dem restlichen Urlaub und Bonuszahlungen? Rechtsanwalt Elmar Dolscius erklärt im Interview mit 123recht.de, was es beim Jobwechsel alles zu beachten gibt.
Arbeitnehmer müssen Arbeitgeber nicht von ihren Wechselabsichten unterrichten
123recht.de: Herr Dolscius, ich möchte gern einen neuen Job. Wann muss ich meinen jetzigen Arbeitgeber von meinen Plänen unterrichten?


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Rechtsanwalt Dolscius: Die Frage hängt vorrangig mit den im Arbeitsvertrag vereinbarten Kündigungsfristen zusammen. Dort können die Vertragsparteien festschreiben, welche Fristen die Parteien einhalten müssen für den Fall einer Kündigung. Ist im Vertrag nichts geregelt, gelten die Fristen des § 622 BGB. Danach kann der Arbeitnehmer mit einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen. Für den Arbeitgeber verlängert sich die Frist hingegen gem. § 622 Abs. 2 BGB je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers.
Allerdings können im Arbeitsvertrag auch deutlich längere Fristen zwischen den Parteien vereinbart werden, solange die entsprechende Klausel nicht einseitig den Arbeitnehmer benachteiligt. So sind Kündigungsfristen von 3 bzw. 6 Monaten zum Quartal gerade bei Führungskräften keine Seltenheit. Das Bundesarbeitsgericht hatte vor Kurzem über eine Kündigungsfrist von 3 Jahren zu entscheiden und hat diese als nachteilig für den Arbeitnehmer angesehen (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2017, Az. 6 AZR 158/16). Dies allerdings nur, weil der langen Kündigungsfrist keine entsprechende Kompensation (meist finanzieller Natur) entgegenstand. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass auch sehr lange Kündigungsfristen möglich sind, sofern der Arbeitnehmer eine angemessene Kompensation erhalten würde.
Unterrichten muss man seinen Arbeitgeber nicht speziell. Es reicht die Zustellung der Kündigung innerhalb der vereinbarten Frist. Damit ist der Arbeitgeber davon unterrichtet, dass der Arbeitnehmer das Unternehmen verlassen möchte. Gründe muss der Arbeitnehmer hierfür nicht mitteilen. Und auch von seinen weiteren Plänen muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht in Kenntnis setzen.
Die Kündigungsfrist während der Probezeit beträgt zwei Wochen
123recht.de: Kann ich auch während der Probezeit einfach kündigen?
Rechtsanwalt Dolscius: Hierzu gibt ebenfalls der § 622 BGB Auskunft und zwar in Absatz 3: „Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden."
Der Arbeitnehmer kann also während der Probezeit jederzeit, auch hier ohne Angabe von Gründen, mit einer Frist von 2 Wochen kündigen. Der Arbeitgeber kann seinerseits freiwillig eine längere Kündigungsfrist vereinbaren, jedoch keine kürzere (Ausnahme: es findet ein Tarifvertrag Anwendung, der kürzere Kündigungsfristen zulässt. Dies ist in speziellen Gewerben möglich).
123recht.de: Gibt es Besonderheiten, wenn ich in einem befristeten Arbeitsverhältnis angestellt bin?
Rechtsanwalt Dolscius: Die klare Antwort lautet: Jein. Ein befristetes Arbeitsverhältnis bedeutet zunächst einmal, dass das Arbeitsverhältnis durch schlichten Zeitablauf beendet wird, ohne dass es hierzu einer Kündigung bedarf. Allerdings ist es entgegen der weit verbreiteten Meinung durchaus möglich, auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung zu vereinbaren (eine außerordentliche (fristlose) ist grundsätzlich immer möglich, wenn ein entsprechender Grund vorliegt). Ob die Parteien dies wollen und ob es im Zusammenhang mit der Befristung Sinn macht, müssen die Vertragsparteien selbst entscheiden. Möglich ist eine solche Konstellation jedoch. Und für einen Arbeitnehmer muss dies nicht zwangsläufig schlecht sein. Nimmt man einen auf 2 Jahre befristeten Vertrag als Beispiel, dann müsste der Arbeitnehmer diesen ohne eine Kündigungsfrist bis zum Ende erfüllen, auch wenn er ein besseres Angebot bei einem anderen Arbeitgeber erhält. Und der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes findet auch bei befristeten Arbeitsverträgen Anwendung, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (generell mindestens 6-monatiges Arbeitsverhältnis und mehr als 10 Mitarbeiter im Betrieb).
Durch einen Aufhebungsvertrag können die Vertragsparteien ein Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Einhalten von Fristen beenden
123recht.de: Gibt es eine Möglichkeit, auch ohne Kündigung aus dem Vertrag zu kommen?
Rechtsanwalt Dolscius: Ja, solche Möglichkeiten gibt es. Zunächst endet ein Arbeitsverhältnis bspw. durch den Ablauf einer Befristung, durch das Erreichen der Altersgrenze (was auch eine Art Befristung darstellt) oder auch durch den Tod des Arbeitnehmers.
Für den Arbeitnehmer wesentlicher ist jedoch der Aufhebungsvertrag. Durch einen solchen Aufhebungsvertrag oder Auflösungsvertrag können die Vertragsparteien ein Arbeitsverhältnis auch jederzeit ohne Einhalten von Fristen beenden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Aufhebungsvertrag schriftlich vereinbart werden muss (§ 623 BGB). In einem solchen Vertrag können auch Urlaubsansprüche, Abfindungen, Zeugnis und ähnliches geregelt werden.
Im Falle einer zuvor erfolgten Kündigung können die Parteien einen Abwicklungsvertrag vereinbaren. Dieser entspricht im Wesentlichen dem Aufhebungsvertrag mit dem Unterschied, dass beim Abwicklungsvertrag eben bereits eine Kündigung erfolgt ist und das Vertragsverhältnis nunmehr abgewickelt werden soll.
123recht.de: Was ist mit Prämien, Boni und Weihnachtsgeld etc.? Habe ich da trotz Jobwechsel noch einen Anspruch drauf?
Rechtsanwalt Dolscius: Diese Frage kann nur nach einer Prüfung des jeweiligen Arbeitsvertrags beantwortet werden. Es gibt sowohl Zahlungen (Prämien und Boni) des Arbeitgebers, die für bereits erbrachte Leistungen gezahlt werden, als auch Zahlungen, die für eine Betriebstreue gezahlt werden oder als Anreiz zum Verbleib in einem Unternehmen. Je nachdem, um was für eine Zahlung es sich handelt, kann ein Arbeitnehmer Anspruch haben auf Zahlung, wenn er ein Unternehmen unterjährig verlässt.
Im Falle des Weihnachtsgeldes handelt es sich in den meisten Fällen um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Diese kann er an bestimmte Bedingungen knüpfen. Knüpft der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld beispielsweise an einen Verbleib bis zu einem bestimmten Stichtag, wäre dies eine denkbare Einschränkung des Anspruches. Ist das Weihnachtsgeld vertraglich vereinbart, kann der Arbeitgeber auch eine anteilige Zahlung vereinbaren für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht bis zum Ende des Jahres im Unternehmen verbleibt.
Grundsätzlich muss für die Beantwortung dieser Frage jedoch eine eingehende Prüfung der jeweiligen vertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vereinbarungen erfolgen.
"Der Urlaubsanspruch muss grundsätzlich in natura genommen werden"
123recht.de: Und mein Urlaubsanspruch?
Rechtsanwalt Dolscius: Der Urlaubsanspruch muss grundsätzlich in natura genommen werden. Nur wenn dies nicht möglich ist, beispielsweise weil der Arbeitnehmer keinen Urlaub gewährt hat, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Umwandlung des Urlaubsanspruches in Geld. Meist stellt jedoch der Arbeitgeber im Falle einer Kündigung durch den Urlaubsnehmer diesen während der Kündigungsfrist frei unter Anrechnung des noch offenen Urlaubs. Damit wäre eine Auszahlung nicht mehr möglich (Ausnahme: eine widerrufliche Freistellung, da der Arbeitnehmer hier jederzeit damit rechnen muss, vom Arbeitgeber zur Arbeit zurückgerufen zu werden).
123recht.de: Kann mir der Arbeitgeber mit einer Urlaubssperre einen Strich durch meine Planung machen?
Rechtsanwalt Dolscius: Der Arbeitgeber muss beantragten Urlaub ausdrücklich gewähren. Hierbei kommt es auf die Art und Weise an, mit der der Arbeitnehmer den Urlaubsantrag stellt. Tut er dies mündlich, kann der Antrag gemäß den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches, die auch im Arbeitsrecht Anwendung finden, nur sofort angenommen oder abgelehnt werden. Sagt der Arbeitgeber nichts, gilt der Urlaub als abgelehnt. Stellt der Arbeitnehmer den Antrag schriftlich, ist er solange an den Antrag gebunden, wie er üblicherweise mit einer Reaktion des Arbeitgebers rechnen kann. Diese Frist dürfte bei 7-10 Tagen liegen. Reagiert der Arbeitgeber nicht innerhalb dieser Frist, gilt auch hier der Urlaub als abgelehnt. Der Arbeitnehmer müsste dann auf Erteilung des Urlaubs klagen. Damit der Arbeitgeber den Urlaub verweigern kann, müsste er jedoch dringende betriebliche Gründe vorweisen, die der Erteilung des Urlaubs entgegenstehen. Dies nachzuweisen, fällt dem Arbeitgeber erfahrungsgemäß schwer. Ebenso klagt jedoch ein Arbeitnehmer ebenso erfahrungsgemäß selten seinen Urlaub ein.
Von daher ist es also denkbar, dass ein Arbeitgeber nicht den Urlaubsplänen des Arbeitnehmers folgt und der Arbeitnehmer seine Pläne anpassen muss.
Arbeitnehmer haben keinen doppelten Urlaubsanspruch beim Arbeitgeberwechsel
123recht.de: Wie wird der Urlaubsanspruch beim Arbeitgeberwechsel berechnet?
Rechtsanwalt Dolscius: Die Frage lässt sich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich regelt sich der Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Danach haben Arbeitnehmer den folgenden gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch:
- mindestens 24 Tagen pro Jahr bei einer 6-Tage-Woche
- mindestens 20 Tagen pro Jahr bei einer 5-Tage-Woche
- mindestens 16 Tagen pro Jahr bei einer 4-Tage-Woche
In Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen kann individuell mehr Urlaub gewährt werden. Weniger jedoch nicht. Schwerbehinderte haben Anspruch auf zusätzliche 5 Urlaubstage.
Der Urlaubsanspruch entsteht gem. § 4 BUrlG nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses.
Sollte ein Arbeitnehmer nun den Arbeitgeber wechseln, hängt sein Anspruch auf Urlaub von mehreren Faktoren ab. Es hängt unter anderem davon ab, ob der Arbeitnehmer vor dem 01. Juli bzw. nach dem 30. Juni eines Jahres wechselt. Bei einem Wechsel innerhalb des ersten Halbjahres erwirbt ein Arbeitnehmer pro Monat des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses 1/12 des gesetzlichen Mindesturlaubs. Wechselt er dann den Arbeitgeber, erwirbt er auch beim neuen Arbeitgeber nach diesen Regeln anteilig seine Urlaubsansprüche.
Bei einem Wechsel nach Ablauf der ersten Jahreshälfte hat der Arbeitnehmer dann jedoch den gesamten Jahresurlaub erworben (vorausgesetzt er war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 6 Monaten im Unternehmen beschäftigt) und kann diesen auch einfordern. Allerdings gilt es hier § 6 BUrlG zu beachten. Danach werden so genannte Doppelansprüche ausgeschlossen. Hat ein Arbeitnehmer also bereits im ersten Halbjahr seinen gesamten Jahresurlaub genommen, würde ihm bei seinem neuen Arbeitgeber kein Anspruch auf weiteren gesetzlichen Urlaub zustehen. Hat er jedoch in der ersten Jahreshälfte gewechselt, hätte er bei seinem alten Arbeitgeber anteilig Urlaubsansprüche erworben (die er in natura nehmen kann oder sich auszahlen lassen könnte, wenn eine Gewährung durch den Wechsel nicht mehr möglich wäre) und würde bei dem neuen Arbeitgeber ebenfalls anteilige Urlaubsansprüche erwerben (1/12 pro Monat). Individuell kann immer zugunsten des Arbeitnehmers von diesen Regeln abgewichen werden.
Merken sollte man sich, dass Doppelansprüche ausgeschlossen sind und einem Arbeitnehmer grundsätzlich immer nur der oben angegebene gesetzliche Mindesturlaubsanspruch pro Jahr zusteht, egal bei welchem Arbeitgeber er beschäftigt war oder ist. Da die korrekte Berechnung eines Urlaubsanspruchs jedoch kompliziert sein kann, bietet sich hier die Inanspruchnahme eines spezialisierten Rechtsanwaltes an.
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Erteilung eines wahrheitsgemäßen Zeugnisses
123recht.de: Kann meine Kündigung Auswirkungen auf mein Arbeitszeugnis haben?
Rechtsanwalt Dolscius: Rein rechtlich gesehen nein! Tatsächlich ist es jedoch möglich. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Erteilung eines wahrheitsgemäßen Zeugnisses. Wenn der Arbeitnehmer also gute oder sehr gute Leistungen erbracht hat, hat er auch einen Anspruch auf die Erteilung eines entsprechenden Zeugnisses. Wenn der Arbeitgeber ein falsches Zeugnis ausstellt, kann der Arbeitnehmer dies vor Gericht angreifen. Er muss dann allerdings beweisen, dass seine Leistungen überdurchschnittlich waren. Dies wäre zum Beispiel mit einem zuvor erteilten Zwischenzeugnis möglich. Möchte der Arbeitgeber hingegen ein unterdurchschnittliches Zeugnis erteilen, liegt die Beweislast bei ihm und er muss beweisen, dass der Arbeitnehmer schlecht gearbeitet hat.
Im Normalfall und im Falle eines über die Zeit unbelasteten Arbeitsverhältnisses hat eine Kündigung keinen Einfluss auf ein Arbeitszeugnis.
123recht.de: Kann ich mich durch meine plötzliche Kündigung gegenüber meinem alten Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen?
Rechtsanwalt Dolscius: Nein. Solange Sie sich im Rahmen der oben angesprochenen Fristen bewegen, kann eine Kündigung keine Schadensersatzpflicht auslösen.
Ein nachträgliches Wettbewerbsverbot ist nur unter sehr engen Bedingungen möglich
123recht.de: Wann droht mir ein Wettbewerbsverbot?
Rechtsanwalt Dolscius: Ein Wettbewerbsverbot besteht während der Zeit des Arbeitsverhältnisses aufgrund vertraglicher Nebenleistungspflichten. Es muss also nicht extra vereinbart werden, dass ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keine Konkurrenz machen oder wichtige Informationen an Dritte weitergeben darf.
Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sieht es jedoch anders aus. Hier können die Parteien vertraglich ein Wettbewerbsverbot (sog. Wettbewerbsklausel) vereinbaren. Da hier jedoch eine Kollision mit der freien Berufswahl des Arbeitnehmers stattfindet, ist eine solche Klausel nur unter sehr engen Bedingungen möglich. Hauptvoraussetzung ist eine Kompensation für den Umstand, dass der Arbeitnehmer in seiner weiteren Berufsausübung gehemmt ist. Eine solche Kompensation erfolgt im Allgemeinen durch die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages. Auch darf das Verbot nicht eine bestimmte Dauer überschreiten, sonst wäre die Vereinbarung bereits aus diesem Grund unwirksam. Als Faustformel lässt sich vielleicht sagen, dass ein Arbeitnehmer für ein einjähriges Wettbewerbsverbot (z.B. keine Anstellung bei einem direkten Konkurrenten des Arbeitgebers) ein Jahresgehalt als Ausgleich erhalten müsste.
Es ist jedoch in jedem Fall angeraten, eine Wettbewerbsklausel durch einen spezialisierten Anwalt überprüfen zu lassen.
123recht.de: vielen Dank für die wertvollen Informationen Herr Dolscius.
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