Bewerbung bei der Polizei? Was tun, wenn der Traum vom Polizisten geplatzt ist?
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Bewerbung, Ablehnung, Polizei, Anspruch, Widerspruch, KlageWie komme ich nach Ablehnung zu meinem gewünschten Traumberuf Polizist?
Der Beruf als Polizist erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Seit Jahren steigend die Bewerbungszahlen. Natürlich kann auch hier nicht jedem Bewerber ein Platz zugewiesen werden. Was kann man daher tun, wenn die Bewerbung abgewiesen wird? Hat man eine Chance trotzdem einen Platz zu bekommen? Lohnt sich eine Klage? 123Recht.de im Interview mit Rechtsanwalt und Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer.
123recht.de: Rechtsanwalt Burgmer, die Sicherheitslage in der Bundesrepublik hat zu einem Boom bei der Einstellung von Polizeibeamtinnen und Beamten geführt. Sie sind auf diesem Gebiet als Anwalt für abgewiesene Bewerber tätig. Hat sich die Qualifikation der Bewerber verändert oder das Anforderungsprofil der Einstellungsbehörden?


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Rechtsanwalt Burgmer: Wir reden hier über den Bewerbungsverfahrensanspruch, den ich mich bemühe, für die jungen Männer und Frauen durchzusetzen. Durch den sprunghaften Anstieg der ausgeschriebenen Stellen in Bund und Ländern könnte man meinen, dass die Behörden das Anforderungsprofil angepasst hätten. Das ist aber nicht der Fall, denn die Anforderungen sind durch das Beamtenstatusgesetz und die Landesbeamtengesetze der Länder vorbestimmt und unterliegen nicht strategischen oder gar opportunistischen Gesichtspunkten.
Ablehnungsgründe müssen genau unter die Lupe genommen werden
123recht.de: Das heißt, es wird noch kräftig gesiebt?
Rechtsanwalt Burgmer: In der Tat kann ich über mangelnde Aufträge nicht klagen. Oder eben doch, wenn Sie mir den anwaltlichen Kalauer nachsehen wollen. Aber die Ablehnungsgründe sind ganz unterschiedlich und erfordern stets eine spezifische Analyse, nicht zuletzt wegen des Prozesskostenrisikos.
123recht.de: Wie meinen Sie das? Ist das nicht immer der Job des Anwalts?
Rechtsanwalt Burgmer: Im Prinzip ist das richtig. Hier hat der Anwalt aber eine besondere Verantwortung schon bei der Erstberatung – etwa auch hier auf Frag-einen-Anwalt.de – zu beachten.
Der Gegenstandswert bzw. der spätere Streitwert bemisst sich nach dem Streitwertkatalog des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel an dem sog. gr. Gesamtstatus im Beamtenrecht. Und der ist durchaus üppig, geht es doch dabei um die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge nebst ggf. ruhegehaltsfähigen Zulagen. Das ist bei dem Eingangsamt eines Polizeikommissars nicht gerade wenig.
Das Risiko von hohen Prozesskosten ist groß
123recht.de: Gibt es weitere Besonderheiten?
Rechtsanwalt Burgmer: Ja, weil der junge Mensch, der hinsichtlich der Absage seines Traumberufs am Anfang seiner Karriere steht und meist nicht über eine Rechtsschutzversicherung für den Verwaltungsrechtsstreit verfügt, auch sonst naturgemäß weder Einkommen noch Vermögen hat. Und auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit kassiert ja bekanntlich die Gerichtskosten im Vorhinein.
123recht.de: Aber das gibt es doch die Prozesskostenhilfe?
Rechtsanwalt Burgmer: Und eben den Rubikon der hinreichenden Erfolgsaussicht. Und da ist man auch beim Verwaltungsgericht nicht immer großzügig. Vor allem, wenn es dabei nicht um einen nicht bestandenen Prüfungsteil geht, sondern darum einen Hardcore zu knacken.
123recht.de: Was meinen Sie damit?
Rechtsanwalt Burgmer: Sehr hartleibig geben sich die Polizeibehörden des Bundes und der Länder mit Bewerbern, die irgendwann einmal, meist im jugendlichen Leichtsinn, kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten waren. So nennt man im Fachjargon Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden, die keineswegs in einem normalen (sog. „polizeilichen") Führungszeugnis stehen, und deshalb einem Kandidaten überhaupt nicht mehr gegenwärtig sind. Hier ist es Sache des Anwalts, zu hinterfragen, ob man sich in der Einstellungsbehörde nicht etwa in die Kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung, genannt Kriminalakte, verirrt hatte und daraus die Ablehnung resultierte.
123recht.de: Und da sind Sie ja als gelernter Kriminalbeamter durchaus fachkundig. Haben Sie keine Bedenken, dieses Wissen heute auszureizen?
Rechtsanwalt Burgmer: Ich bin Organ der Rechtspflege und halte mich strikt an meine Rechte aber auch an meine Pflichten dem Mandanten gegenüber. Im Übrigen ist dieses Wissen jedermann zugänglich. Denn das Prozedere bei der Bewerberauswahl und die komplexe Struktur um den Datenschutz ist direkt dem förmlichen Beamten – und Datenschutzrecht unterworfen. Wenn man so will, streng akzessorisch. Es ist also kein Geheimwissen, sondern unterliegt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Entscheidend ist die Akteneinsicht in die Personalakte und die Bewerbungsunterlagen
123recht.de: Wie sind generell die Aussichten für eine abgelehnte Bewerberin oder Bewerber nach nicht bestandenem Einstellungstest?
Rechtsanwalt Burgmer: Erfolgsquoten gibt es nicht. Jeder Fall ist ein Einzelfall. Mutmaßungen und Emotionen, denen ich dann oft begegne, nutzen hier gar nichts. Entscheidend für eine seriöse Prognose und die weiteren Schritte ist die Akteneinsicht in die Personalakte UND die vollständige Auswertung der Bewerbungsakte, die dann auch das komplette Testverfahren offenlegt.
Hier gelten dann die Standards, die es auch im allgemeinen Prüfungs- und Beurteilungswesen gibt. Offensichtliche Fehler im Prozedere – wie etwa Rechenfehler oder logische Fehlschlüsse – sind erfolgreich anfechtbar. Die eher subjektive Bewertung einer Prüfungsleistung bedürfen einer akribischen Analyse, um mit Erfolgsaussicht auf dem Klageweg revidiert zu werden.
Und, weil dieser Weg lang sein kann, muss man tunlichst bis dahin bemüht sein, dem Mandanten die quotenmäßig vorliegende Ranglistenfolge zu sichern. Entweder durch Anerkenntnis der Behörde – was manchmal gelingt – oder mit einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung. Denn der ansonsten nur noch verbleibende Fortsetzungsfeststellungsantrag ist oft doch eher ein zahnloser Tiger.
123recht.de: Welche Schritte können Betroffene unternehmen die eine Ablehnung erhalten haben? Widerspruch oder muss direkt geklagt werden?
Rechtsanwalt Burgmer: Anders als im beamtenrechtlichen Beurteilungswesen hat der Polizeibewerber nicht die Wahl: Er muss eine Anhörung nach § 28 VwVerfG und ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO durchlaufen und dabei beachten, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Mithin wäre der Erhalt der dem Antragsteller zugeordneten Ranglistenplatznummer möglichst mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung durchzusetzen. Das kann ganz erhebliche Bedeutung haben für eine zeitnahe Einstellung ohne finanzielle Verluste, wenn der Bewerber später obsiegt.
123recht.de: Können Sie Beispielfälle nennen, in denen die Bewerber gute Chancen auf Erfolg haben?
Rechtsanwalt Burgmer: Ja, meinem jüngsten Fall lag einfach ein mathematischer Berechnungsfehler beim Testverfahren zu Grunde. Der war schnell anhand der unverzichtbaren Einsichtnahme in die vollständige Bewerbungsakte aufzuklären. Und es bedurfte nicht einmal einer Klage. Die Behörden sind dann einsichtig, weil sie ja selbst Interesse haben, geeignete Bewerber nicht aufgrund von Fehler im Testverfahren zu verlieren.
123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.
