Das Arbeitszeugnis des Arbeitnehmers

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Was müssen Arbeitnehmer über Arbeitszeugnisse wissen?

Das Arbeitszeugnis ist für jeden Arbeitnehmer elementar wichtig. Es gibt Auskunft, wie sich ein Arbeitnehmer im Unternehmen verhalten hat und was der Aufgabenbereich war. Es ist daher besonders bei Bewerbungen auf neue Arbeitsplätze wohl eines der wichtigsten Bestandteile jeder Bewerbung. Elmar Dolscius, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt im Interview mit 123recht.de, worauf es dabei ankommt und was Arbeitnehmer tun können, wenn das Arbeitszeugnis nicht so toll ausfällt.

123recht.de: Herr Dolcius, gibt es unterschiedliche Arten von Arbeitszeugnissen?

Elmar Dolscius
Partner
seit 2006
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Westerbachstraße 23F
61476 Kronberg
Tel: . 06173-702761
Tel: . 06173-702906
Web: http://www.recht-und-recht.de
E-Mail:
Gesellschaftsrecht, Miet- und Pachtrecht
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Antwortet: ∅ 18 Std. Stunden

Rechtsanwalt Dolscius: Ja. Es gibt zum einen Zwischenzeugnisse und Endzeugnisse und zum anderen einfache und qualifizierte Zeugnisse.

Auf ein Endzeugnis nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch. Dieser resultiert aus § 109 Gewerbeordnung (GewO). Hierbei hat der Arbeitnehmer das Wahlrecht zwischen einfachem und qualifiziertem Zeugnis.

Nur ein qualifiziertes Arbeitszeugnis gibt Auskunft über die Leistung und Führung des Arbeitnehmers

123recht.de: Was ist der Unterschied zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Arbeitszeugnis?

Rechtsanwalt Dolscius: Das einfache Arbeitszeugnis gibt nur Auskunft über Art und Dauer der jeweiligen Tätigkeit. Es handelt sich um ein sehr kurzes Zeugnis, das mehr einer Arbeitsbescheinigung entspricht. Das qualifizierte Zeugnis enthält darüber hinaus noch Informationen über die Leistung und Führung des Arbeitnehmers und ist vom Umfang her deutlich länger.

123recht.de: Was ist dagegen ein Zwischenzeugnis?

Rechtsanwalt Dolscius: Ein Zwischenzeugnis ist eine Beurteilung des Arbeitnehmers während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Einen gesetzlichen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis hat ein Arbeitgeber, anders als im Falle eines Endzeugnisses, nicht. Er kann ein Zwischenzeugnis aber dann von seinem Arbeitgeber verlangen, wenn er ein berechtigtes Interesse vorweisen kann. Ein solches liegt beispielsweise vor, wenn

  • sich der Arbeitnehmer intern anderweitig bewerben möchte,
  • der Arbeitnehmer schon lange für den Arbeitgeber tätig ist und noch nie eine Leistungsbeurteilung erhalten hat,
  • der Arbeitnehmer sich bei einem anderen Arbeitgeber bewerben möchte,
  • es einen Vorgesetztenwechsel gibt

Daneben gibt es noch weitere von der Rechtsprechung anerkannte Gründe.

Auf Wunsch muss der Arbeitgeber ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellen

123recht.de: Muss der Arbeitgeber ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellen?

Rechtsanwalt Dolscius: Ja. Übt der Arbeitnehmer sein Wahlrecht aus § 109 GewO aus, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein qualifiziertes Endzeugnis zu erstellen:

§ 109 Zeugnis
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

Das Recht auf ein Endzeugnis eines Auszubildenden leitet sich aus § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG) ab.

Arbeitgeber sind bei der Beurteilung zur Wahrheit verpflichtet

123recht.de: Muss ein Arbeitszeugnis immer positiv sein und muss es der Wahrheit entsprechen?

Rechtsanwalt Dolscius: Tatsächlich ist der Arbeitgeber bei der Beurteilung zur Wahrheit verpflichtet. Ebenso aber muss der Arbeitgeber sich wohlwollend über den Arbeitnehmer äußern. Diese beiden Faktoren können durchaus im Widerspruch stehen. Hier eine geeignete Formulierung zu finden, ist zunächst Sache des Arbeitgebers. Wenn ein Arbeitnehmer aber tatsächlich keine gute Arbeit geleistet hat, darf der Arbeitgeber dies auch im Zeugnis wiedergeben.

123recht.de: Was sind die Gründe, die gegen ein negatives Zeugnis sprechen?

Rechtsanwalt Dolscius: Der Arbeitgeber ist zur Wahrheit verpflichtet. Wenn der Arbeitnehmer also gute Arbeit geleistet hat, ist es dem Arbeitgeber untersagt, ein negatives Zeugnis auszustellen. Schwierig wird es, wenn die Eigenwahrnehmung des Arbeitnehmers und die Fremdwahrnehmung des Arbeitgebers nicht übereinstimmen. In diesen Fällen kommt es regelmäßig zu Streit zwischen den Parteien.

Im Zweifel sollte ein Rechtsanwalt das Arbeitszeugnis prüfen

123recht.de: Wie stelle ich fest, ob ein Zeugnis gut oder schlecht ist?

Rechtsanwalt Dolscius: Bei der Zeugnissprache handelt es sich mittlerweile fast um eine Kunstform. Es gibt so viele Dinge zu beachten, dass selbst unter Juristen oft Streit darüber herrscht, ob eine Formulierung nun positiv oder negativ zu bewerten ist. Oft ist eine Bewertung auch nur im Kontext mit weiteren Formulierungen möglich.

Manches ist leicht zu verstehen, wie beispielsweise die Aussage, dass ein Mitarbeiter zur „vollsten Zufriedenheit“ des Unternehmens gearbeitet hat. Hierbei handelt es sich um eine Schulnote 1. Schwieriger wird es bei Formulierungen, die sich nicht auf den ersten Blick als negativ erschließen. So z.B. eine Aufzählung, wem gegenüber sich der Mitarbeiter korrekt verhalten hat. Werden hier statt des Vorgesetzten Kunden oder Kollegen aufgezählt, ist dies ein Hinweis darauf, dass der Mitarbeiter sich gegenüber dem Vorgesetzten schlechter verhalten hat, als gegenüber Kunden. Eine solche Formulierung wirkt sich daher negativ auf das Zeugnis aus.

Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man sich an einen Rechtsanwalt wenden und das Zeugnis überprüfen lassen. Der Anwalt kann sich dann im Zweifel auch mit einem Korrekturwunsch an den Arbeitgeber wenden.

123recht.de: Wann hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Korrektur des Zeugnisses? Wann gilt das Arbeitszeugnis als fehlerhaft?

Rechtsanwalt Dolscius: Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Korrektur, wenn das Zeugnis nicht wahrheitsgemäß über Leistung und Führung des Arbeitnehmers berichtet. In einem solchen Fall wäre das Zeugnis auch als falsch zu bezeichnen.

Aktuell besteht kein Anspruch auf Schlussformel

123recht.de: Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine sog. Wunschformel bzw. Schlussfloskel?

Rechtsanwalt Dolscius: Hierbei handelt es sich um die letzten Sätze eines Zeugnisses. Der Arbeitgeber wünscht dem Arbeitnehmer alles Gute, bedauert sein Ausscheiden etc. Lange Zeit bestand Einigkeit, dass das Fehlen einer solchen Schlussformel sogar ein an sich gutes Zeugnis in ein schlechtes verändern kann.

Das BAG (Bundesarbeitsgericht) hat hierzu jedoch kürzlich entschieden, dass es sich bei dieser Schlussformel um eine Meinungsäußerung des Arbeitgebers handelt, auf die der Arbeitnehmer kein Anrecht hat. Diese Rechtsauffassung wird kritisch betrachtet. Denn das Weglassen dieser Formulierung ist nach Ansicht vieler Juristen sehr wohl ein Hinweis auf Probleme während des Arbeitsverhältnisses. Das BAG sieht dies anders und aus meiner Sicht lebensfremd. Gleichwohl besteht aufgrund dieser Rechtsprechung zunächst kein Rechtsanspruch auf eine solche Schlussformel mehr. Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung dauerhaft ist.

Arbeitnehmer sollten im Arbeitsvertrag nach Fristen Ausschau halten

123recht.de: Gibt es Fristen zur Korrektur, die der Arbeitnehmer beachten muss?

Rechtsanwalt Dolscius: Grundsätzlich gilt die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren. Allerdings werden in Arbeitsverträgen regelmäßig kürzere Fristen vereinbart. Für den Fall, dass eine solche Frist wirksam vereinbart wurde, kann die Frist auch nur 2-3 Monate betragen. Der Anspruch auf Korrektur kann aber auch bereits vor Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist verwirken. Wenn ein Arbeitnehmer nach bspw. über einem Jahr erst mit einem Korrekturwunsch kommt, kann es durchaus sein, dass dies zu spät ist und der Arbeitgeber darauf vertrauen durfte, dass der Arbeitnehmer mit dem Zeugnis zufrieden ist. In einem solchen Fall müsste der Arbeitnehmer einen guten Grund vorweisen können, weshalb er erst nach so langer Zeit eine Korrektur möchte.

123recht.de: Kann man auf ein besseres Zeugnis klagen?

Rechtsanwalt Dolscius: Sofern der Arbeitnehmer der Ansicht ist, dass das Zeugnis fehlerhaft ist und der Arbeitgeber sich weigert, das Zeugnis zu korrigieren, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, auf Korrektur des Zeugnisses zu klagen.

123recht.de: Wo muss Klage erhoben werden?

Rechtsanwalt Dolscius: Die Klage muss beim jeweils zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden.

123recht.de: Benötigen Arbeitnehmer dazu einen Anwalt?

Rechtsanwalt Dolscius: Wenngleich sich die Unterstützung durch einen Anwalt empfiehlt, besteht in der 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht kein Anwaltszwang. Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch daher auch ohne Anwalt geltend machen.

Für besser Noten ist der Arbeitnehmer in der Beweispflicht

123recht.de: Wer ist in der Beweispflicht?

Rechtsanwalt Dolscius: Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer ein Anrecht auf ein Zeugnis „mittlerer Art und Güte“. Das entspricht einer Schulnote 3. Möchte der Arbeitnehmer ein besseres Zeugnis (Schulnote 1-2) einklagen, liegt die entsprechende Beweislast bei ihm. Möchte der Arbeitgeber hingegen ein schlechteres Zeugnis ausstellen (Schulnote 4-5), liegt die Beweislast beim Arbeitgeber.

Kosten der Klage richten sich nach dem Bruttomonatsgehalt

123recht.de: Mit welchen Kosten muss der Arbeitnehmer rechnen und übernimmt eine Rechtsschutzversicherung die Kosten?

Rechtsanwalt Dolscius: Die Kosten orientieren sich am jeweiligen Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers, daher kann an dieser Stelle keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. In der Regel übernehmen die Rechtsschutzversicherungen jedoch die Kosten für die Prüfung eines Zeugnisses und im Falle einer berechtigten Korrektur auch die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens.

123recht.de: Herr Dolcius, wir bedanken uns für das informative Gespräch.

Dolscius & Kakridas GbR
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