Das Reverse-Charge-Verfahren

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Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft

Normalerweise liegt die Umsatzsteuer beim Verkäufer einer Ware. Es gibt jedoch auch als Alternative das Reverse-Charge-Verfahren. Was sich genau dahinter verbirgt und was die Unterschiede zum klassischen Verfahren sind, erläutert Rechtsanwalt Timm Jacobsen im Interview mit 123recht.de.

123recht.de: Herr Jacobsen, was ist das Reverse Charge Verfahren?

Timm Jacobsen
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Rechtsanwalt Jacobsen: Der Begriff „Reverse-Charge-Verfahren“ hat sich inzwischen in Deutschland für Sachverhalte eingebürgert, die auf Deutsch „Umkehr der Steuerschuldnerschaft“ heißen müssten.

Normalerweise führt immer der Verkäufer oder Leistungserbringer die Umsatzsteuer oder Mehrwertsteuer ab. Der Käufer zahlt die Steuer mit, muss sich aber nicht darum kümmern, dass die beim Finanzamt ankommt. In Reverse-Charge-Fällen ist das anders. Da muss der Käufer oder Empfänger gem. § 13b UstG die Umsatzsteuer beim Finanzamt anmelden und zahlen.

Da erschreckt man natürlich erst. Es sind aber nur relativ wenige Fälle, wo das der Fall ist. Privatverbraucher sind davon nicht betroffen und müssen sich keine Sorgen machen.

123recht.de: Was sind das für Umsätze?

Rechtsanwalt Jacobsen: Das sind Umsätze, wo der Gesetzgeber den Eindruck hatte, dass es mit der Anmeldung durch den Verkäufer oder Lieferanten zu Problemen mit der Finanzverwaltung kommt. Daher hat er in § 13b Abs. 1 und Abs. 2 UstG Fälle bestimmt, wo diese umgekehrte Steuerschuldnerschaft gilt.

Zunächst sind das alle Fälle einer sonstigen Lieferung eines im EU-Ausland sitzenden Unternehmers an ein Unternehmen in Deutschland. Sonstige Leistungen sind alle Leistungen, die keine Lieferung sind. Dann gibt es noch Fälle nach § 13b Abs. 2 UstG, die auch gelten, wenn ein inländisches Unternehmen an ein anderes inländisches Unternehmen leistet. Wichtig sind vor allem folgende Fälle:

  • Bezug von Bauleistungen, die der Erstellung, Instandsetzung, Veränderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sofern der Leistungsempfänger selbst regelmäßig Bauleistungen erbringt;
  • Lieferungen von Edelmetallen wie Gold, Silber und Platin;
  • Lieferungen von bestimmten Altmetallen;
  • Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen;
  • Im Inland steuerpflichtige Werk- oder sonstige Leistungen, die von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht werden;
  • Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen, wenn der Leistungsempfänger selbst kontinuierlich Gebäudereinigungsdienste anbietet.

Finanzverwaltung soll die Umsatzsteuer besser durchsetzen können

123recht.de: Welche Ziele werden damit verfolgt?

Rechtsanwalt Jacobsen: Die umgekehrte Steuerschuldnerschaft ist vor allem eine Reaktion auf Sachverhalte, wo die Umsatzsteuer in Rechnungen ausgewiesen wurde, aber häufig nicht abgeführt wurde. Durch die Umkehrung der Pflicht, die Steuer abzuführen auf den Empfänger, soll die Finanzverwaltung die Umsatzsteuer in diesen Fällen besser durchsetzen können. Auch kann dann der empfangende Unternehmer dann nur Vorsteuern geltend machen, wenn er die selber abgeführt hat. Für den leistenden Unternehmer bringt dies auch eine Vereinfachung.

123recht.de: Welche Voraussetzungen müssen für die Nutzung vorliegen?

Rechtsanwalt Jacobsen: Der Tatbestand ist kompliziert. Wichtig ist, dass es sich um ein Geschäft von Unternehmer zu Unternehmer handelt. Dann kommt es auf die Art der Leistung an. Das sind zunächst „sonstige Leistungen von einem Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat an einen Unternehmer in Deutschland. Sonstige Leistungen sind alle Leistungen, die keine Lieferungen von Gegenständen sind. In diesen und bei den in § 13b Abs. 2 UstG genannten Leistungen gilt dann das Reverse-Charge-Verfahren und die Steuerschuldnerschaft dreht sich um. Der Empfänger muss die Umsatzsteuer beim Finanzamt anmelden und abführen. Das ist etwa der Fall, wenn ein Altmetall -Sammler an einen Zwischenhändler Altmetall verkauft. Es gilt auch bei Bauleistungen, der Lieferung von Handys, Tabletts. Die Liste ist leider lang und erfordert genaue Prüfung. Im Regelfall wissen das die einschlägigen Unternehmen aber.

123recht.de: Was ist der Karussellbetrug?

Rechtsanwalt Jacobsen: Beim Karussellbetrug machen sich Kriminelle das komplizierte Verfahren beim Vorsteuerabzug beim innergemeinschaftlichen Handel zu Nutze.

Beispiel: Ein Händler verkauft eine Ware aus dem europäischen Ausland an einen Zwischenhändler in Deutschland. Hierfür ist noch keine Umsatzsteuer zu zahlen, weil es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Der Zwischenhändler verkauft die Ware innerhalb Deutschlands mit Umsatzsteuer weiter. Er führt aber die Umsatzsteuer nicht ab, obwohl er müsste. Sein Käufer hingegen kann die Vorsteuer geltend machen und sich erstatten lassen. Verkauft er die Ware dann ins europäische Ausland etwa an den ersten Händler, muss er keine Umsatzsteuer zahlen, hat aber trotzdem die Vorsteuer erstattet bekommen. Da die Ware wieder am Anfang ist und der Kreislauf weitergehen könnte, spricht man von einem Karussell. Ein Betrug liegt vor, weil der Zwischenhändler die später erstattete Umsatzsteuer gar nicht abgeführt hat, diese aber vom Staat erstattet . Nach gewisser Zeit verschwindet dieser und man kann gegen ihn nicht mehr vorgehen. Zusammen ist das der Karussellbetrug.

Lieferung muss nachgewiesen werden

123recht.de: Was ist dabei die Gelangensbestätigung?

Rechtsanwalt Jacobsen: Die Gelangensbestätigung verlangt die Finanzverwaltung, um den Karussellbetrug auszuschließen. Der Empfänger der innergemeinschaftlichen Lieferung muss dem Lieferanten bestätigen, dass die Lieferung in das EU-Ausland tatsächlich gelangt ist. Diese muss er vorlegen können.

Nur der Empfänger hat Pflichten

123recht.de: Welche Pflichten haben Leistungsempfänger und das leistende Unternehmen?

Rechtsanwalt Jacobsen: Beim Reverse-Charge-Verfahren hat der leistende Unternehmer keine Pflichten. Der Empfänger hat die Pflichten, die sonst der leistende Unternehmer hätte. Er muss die Umsatzsteuer auf den Umsatz dem Finanzamt gegenüber anmelden und er muss den Umsatzsteuerbetrag zahlen. Er haftet auch dafür.

123recht.de: Gibt es Vor- und Nachteile?

Rechtsanwalt Jacobsen: Die Vorteile überwiegen bei der Finanzverwaltung und den leistenden Unternehmen. Der Empfänger hat mehr Aufgaben und Haftung, also Nachteile. Allerdings kann er so auch eine rechtmäßige Besteuerung sicherstellen.

Reverse-Charge-Verfahren für Kleinunternehmer wenig geeignet

123recht.de: Können auch Kleinunternehmer davon profitieren?

Rechtsanwalt Jacobsen: Für Kleinunternehmen überwiegen die Nachteile, denn auch sie sind Unternehmer und müssen als Empfänger bei den bestimmten Leistungen die Umsatzsteuer anmelden und abführen. Ist auch das leistende Unternehmen Kleinunternehmer, muss sein Empfänger keine Steuer abführen und anmelden. Sonst würde ein Umsatz besteuert, der eigentlich umsatzsteuerfrei ist. Da die Lieferungen an Kleinunternehmer aber nicht umsatzsteuerfrei sind, müssen Sie ausnahmsweise entsprechende Erklärungen abgeben und zahlen.

123recht.de: Wie muss die Rechnung aussehen und welche Angaben müssen enthalten sein?

Rechtsanwalt Jacobsen: Da der Empfänger die Umsatzsteuer erklären und abführen muss, gibt es keine besonderen Anforderungen. Handelt es sich um eine steuerpflichtige innergemeinschaftliche Leistung muss der leistende Unternehmer gem. § 14 Abs. 7 UstG nur die Anforderungen an Rechnungen in seinem Heimatstaat erfüllen. Handelt es sich um eine innerdeutsche Leistung, für die das Reverse-Charge-Verfahren gilt, muss der leistende Unternehmer aber weiterhin eine Rechnung gem. § 14 UstG mit allen üblichen Angaben abgeben. Er sollte noch auf die Umkehrung der Steuerhaftung hinweisen.

123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.

Rechtsanwalt Timm Jacobsen

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