Das Vorkaufsrecht und die Auflassungsvormerkung beim Grundstückskauf
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Vorkaufsrecht, Auflassungsvormerkung, Grundstückskauf, Grundstücke, VerkäuferWas müssen Verkäufer eines Grundstücks beim Vorkaufsrecht und der Auflassungsvormerkung beachten?
Der Verkauf eines Grundstücks ist ein komplexer Vorgang. Gerade unerfahrene Verkäufer werden dabei mit vielen unbekannten Vorgängen konfrontiert. Zwei wichtige Bestandteile sind dabei das Vorkaufsrecht und die Auflassungsvormerkung. Rechtsanwalt Dr. Andreas Neumann erläutert im Interview mit 123recht.de was es dabei zu beachten gibt.
123recht.de: Herr Dr. Neumann, können Sie uns erläutern, was ein Vorkaufsrecht ist?


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Rechtsanwalt Dr. Neumann: Das Vorkaufsrecht ist das Privileg, den Vertragsgegenstand von der Verkäuferin oder vom Verkäufer anstelle der Käuferin oder des Käufers zu den vereinbarten Bedingungen zu erwerben. Verschiedene Spielarten sind dabei unbedingt zu unterscheiden. Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht nach den §§ 463-473 BGB ist ein sogenanntes Gestaltungsrecht, wie etwa eine Kündigung, eine Anfechtung oder ein Widerruf. Mit solchen Gestaltungsrechten kann man einseitig neue Rechte begründen oder in bestehende Rechtsverhältnisse eingreifen.
Dinglich gesichert durch Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs gilt ein solches Privileg objektiv gegenüber allen, §§ 1094-1104 BGB. Daneben gibt es noch verschiedene gesetzliche Vorkaufsrechte sowohl im Privatrecht wie auch im öffentlichen Recht, insbesondere (aber längst nicht nur) §§ 24 ff. BauGB. Auch öffentliche Vorkaufsrechte ergeben sich mitunter aus Eintragungen im Grundbuch, etwa durch Eintragung eines Sanierungsvermerks ebenfalls in Abteilung II des Grundbuchs.
Wohnungsmieter haben kein automatisches Vorkaufsrecht
123recht.de: Wie entsteht ein Vorkaufsrecht und wem steht es zu?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Ein Vorkaufsrecht wird entweder vereinbart und in die Abteilung II des Grundbuchs eingetragen oder durch Gesetz eingeräumt. Es steht entweder dem Vertragspartner der Vereinbarung oder der aus dem Gesetz berechtigten Partei zu. Das kann eine Mieterin oder ein Mieter sein. Im gewerblichen Mietrecht werden oft Vorkaufsrechte vereinbart. Entgegen bis heute sehr häufig anzutreffender Fehlvorstellung haben Wohnungsmieterinnen und Wohnungsmieter aber ohne entsprechende Vereinbarung nur in seltenen Fällen ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Das ist dann der Fall, wenn die Aufteilung in Wohnungseigentum während der Mietzeit erfolgte, § 577 BGB.
Gemeinden können den Kaufpreis auf den Verkehrswert reduzieren
123recht.de: Bestehen Besonderheiten, wenn einer Gemeinde ein Vorkaufsrecht zusteht?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Einerseits kann ein Vorkaufsrecht nur zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt werden, woran aber keine hohen Anforderungen gestellt werden. Wenn ein kommunales Vorkaufsrecht ausgeübt wird, so genießt die Gemeinde andererseits viele Vorrechte. So kann sie das Recht auch zugunsten einer oder eines Dritten ausüben, die oder der die städteplanerischen Zwecke erfüllen kann und wird. Vor allem aber darf die Gemeinde nach § 28 Abs. 3 BauGB den Kaufpreis auf den Verkehrswert reduzieren, wenn der Kaufpreis höher liegt. In diesem Fall darf der Verkäufer zurücktreten, ansonsten aber nicht. Auch der Erwerb einer Teilfläche ist der Gemeinde erlaubt.
Vorsicht, wenn zum Kaufvertrag die Zustimmung von Dritten notwendig ist
123recht.de: Gibt es Fristen, in denen das Vorkaufsrecht ausgeübt werden muss?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Je nach Art des Vorkaufsrechts ist die Ausübung nur binnen der jeweils bestimmten Fristen möglich, häufig – aber nicht immer – binnen zwei oder drei Monaten. Hierbei ist allerdings – zusätzlich zum Grundsatz „jeder Jeck ist anders“ – unbedingt noch Folgendes zu beachten:
Die Frist fängt erst dann an zu laufen, wenn der oder dem Berechtigten der vollwirksame Kaufvertrag mitgeteilt worden ist. So haben die jeweiligen Eigentümer/innen etwa bei Erbbaurechten in der Regel nicht nur ein Vorkaufsrecht, sondern werden vom Notariat auch um Zustimmung zum Vertrag gebeten.
Solange die Zustimmung nun aber nicht erteilt ist, beginnt grundsätzlich auch die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zu laufen. So hat es in solchen Fällen die oder der Vorkaufsberechtigte in der Hand, die Frist fast nach Belieben zu verlängern.
Dies ist zwar schon vor Gericht hinterfragt worden, vom Unterzeichner etwa im inzwischen rechtskräftig abgewiesenen Klage-Verfahren 016 O 92/20 am LG Münster (noch unveröffentlicht), bislang jedoch nicht mit Erfolg. Gegen diese herrschende Auffassung spricht nicht zuletzt § 162 BGB, der die bewusste Vereitelung des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung verbietet. Nichts anderes als eine solche Vereitelung ist nach meiner Ansicht aber das Hinauszögern einer Zustimmung, um etwa in einem halben Jahr noch das Vorkaufsrecht ausüben zu können. Das ist aber – wie gesagt – noch nicht herrschende Meinung.
123recht.de: Welche Folgen hat die Ausübung eines Vorkaufsrechts? Wie wird es vollzogen?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Mit der Ausübung tritt die oder der Berechtigte grundsätzlich in den Vertrag und alle vereinbarten Rechte und Pflichten ein, so wie diese Rechte und Pflichten vorgefunden werden. Hiervon gibt es, wie bereits oben angeklungen ist, einige wichtige Ausnahmen. Es kommt immer entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, jeder Jeck ist anders.
Die Umgehung des Vorkaufsrechts ist wirkungslos
123recht.de: Gibt es Möglichkeiten, das Vorkaufsrecht zu umgehen?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Im Gegenteil gibt es sogar ein Verbot der Umgehung eines Vorkaufsrechts, § 465 BGB. Jedes Umgehungsgeschäft ist der oder dem Berechtigten gegenüber unwirksam. Allerdings habe ich zumindest für den Fall des kommunalen Vorkaufsrechts eine Methode entwickelt, die den Beteiligten ein wenig mehr Rechtssicherheit bietet, hierzu eingehend mein Artikel Rechtssicherheit gegenüber gemeindlichen Vorkaufsrechten beim Immobilienkauf.
Im Kern geht es darum, bereits vor Vollwirksamkeit eines Kaufvertrags den möglichen Verzicht der Gemeinde herbeizuführen. Sodann kann das Geschäft ohne Risiko genehmigt und damit voll wirksam werden.
Vorkaufsrecht gelten auch für Erben
123recht.de: Kann ein Vorkaufsrecht vererbt werden? Muss eine Erbengemeinschaft sich an das vom Erblasser vereinbarte Vorkaufsrecht halten?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Erb/innen treten in sämtliche Rechte und Pflichten der Erblasser/innen ein, die nicht höchstpersönlich sind, wie etwa die Ehe. Somit ist eine solche Vererbung in Bezug auf die privatrechtlichen Vorkaufsrechte möglich. Die Erbengemeinschaft ist daher auch gegenüber Dritten nach wie vor verpflichtet und muss sich an vereinbarte Vorkaufsrechte halten, kann andererseits solche Gemeinschaftsrechte gemeinschaftlich ausüben.
Die Auflassungsvormerkung ist das wichtigste Sicherungsmittel im Grundstücksrecht
123recht.de: Danke sehr. Herr Dr. Neumann kommen wir nun zum Thema Auflassungsvormerkung, diese ist ja ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Kaufs. Was ist eine Auflassungsvormerkung? Wieso wird eine Auflassungsvormerkung aufgesetzt und wer macht das?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Es handelt sich bei der Auflassungsvormerkung um das wichtigste Sicherungsmittel im Grundstücksrecht. Mit einer Vormerkung kann insbesondere der Anspruch auf Verschaffung des Eigentums am Grundstück objektiv gegenüber jedermann gesichert werden. Und zwar nicht nur beim Immobilienkauf.
Die Vormerkung erlischt jedoch, wenn der Anspruch erlischt. Das ist etwa beim Rücktritt von einem Immobilienkaufvertrag der Fall. Daher sollten solche Gestaltungsrechte (hierzu ja schon soeben) niemals vorschnell abgegeben werden. Fragen Sie vorher Ihre Anwältin oder Ihren Anwalt.
123recht.de: Auflassung, Auflassungsvormerkung - was ist der Unterschied?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Die Auflassung ist die Einigung über den Übergang des Eigentums an einem Grundstück bzw. einem Haus oder einer Wohnung. Diese Einigung wird traditionell so genannt, weil im germanischen Recht das Tor zum Grundstück offengelassen wurde, damit alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner sich vom einvernehmlichen Eigentümerwechsel überzeugen konnten. Schon damals empfand man diese Öffentlichkeit, die Publizität, für den Rechtsfrieden als bedeutsam. Sie ist bis heute besonderes Merkmal im Sachenrecht.
123recht.de: Was ist dann eine Rückauflassungsvormerkung?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Wir hatten soeben ja auch schon das Thema der Bedingungen. Nicht selten möchte sich ein Veräußerer eines Grundstücks für den Fall des Eintritts einer Bedingung die Rückforderung des Grundstücks vorbehalten. Eltern machen dies mitunter zur Sicherung der Wart und Pflege oder von Zustimmungsvorbehalten für eine Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld. Pflegt das begünstigte Kind entgegen der Vereinbarung die Eltern nicht oder lässt es ohne Zustimmung eine Grundschuld eintragen, so sollen die Eltern das lastenfreie Grundstück wieder zurückfordern können. Gemeinden setzen mithilfe einer solchen Vormerkung den Bauzwang durch.
123recht.de: Welche Rechte und Pflichten entstehen durch die Auflassungsvormerkung? Kann eine Auflassungsvormerkung übertragen werden?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Die Vormerkung führt dazu, dass die oder der Berechtigte spätere Eintragungen löschen lassen kann. Solche Eintragungen sind zwar nicht gegenüber jedermann aber zugunsten der oder des Berechtigten unwirksam. Die Vormerkung hängt aber vom gesicherten Anspruch ab und wird mit diesem übertragen. Eine solche Übertragung kann vertraglich aber auch ausgeschlossen werden, wovon Bauträger oft Gebrauch machen. Der Weiterverkauf aus der Vormerkung heraus soll unterbunden werden.
Die Kosten richten sich nach dem Wert des gesicherten Anspruchs
123recht.de: Mit welchen Kosten ist bei der Auflassungsvormerkung zu rechnen? Wer trägt diese Kosten?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Es entstehen gesetzliche Gebühren bei Notarin oder Notar und beim Grundbuchamt, die man bei Bedarf auch nachprüfen lassen kann. Diese Kosten sind im Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotKG) geregelt und hängen vom Wert des gesicherten Anspruchs und von den weiteren vertraglichen Vereinbarungen ab, so dass hier keine Verallgemeinerungen möglich sind. Beide Kostentabellen, sowohl die Tabelle A für Gerichte als auch die Tabelle B für die Notarinnen und Notare, sind aber degressiv, so dass die Kosten nicht etwa proportional mit dem Gegenstandswert steigen, sondern die Kostenzunahme immer weniger wird, je höher der Gegenstandswert angesetzt wird.
Die auflösend bedingte Vormerkung erlischt automatisch
123recht.de: Kann die Auflassungsvormerkung auch wieder erlöschen? Wie funktioniert das?
Rechtsanwalt Dr. Neumann: Da die Vormerkung vom Bestand des Anspruchs abhängt, kann sie auch wieder erlöschen. Das Grundbuch ist dann unrichtig geworden und kann auf Antrag bei Vorlage gültiger Nachweise – öffentliche Urkunden oder Beglaubigungen – berichtigt werden. Diesen Mechanismus macht man sich neuerdings in der Kunst der Beurkundung von Immobilienkaufverträgen wie folgt zunutze. Früher wurde das Notariat mit der Löschung der Vormerkung für bestimmte Fälle bevollmächtigt. Dies birgt für den Verkäufer aber das Risiko, dass der Käufer oder sein etwaiger Insolvenzverwalter diese Vollmacht jederzeit widerrufen könnte. Durch die – neue – auflösend bedingte Vormerkung ist ein solcher Widerruf nun nicht mehr möglich, was die Rechtssicherheit für die Verkäufer/innen erhöht. Noch nicht alle Notariate sind auf diese vorzugswürdige Methode umgestiegen, das ist aber lediglich eine Frage der Zeit.
123recht.de: Herr Dr. Neumann, wir bedanken uns ganz herzlich für das informative Gespräch.
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Der berühmte Kostenexperte Frank Tondorf wies mich zudem darauf hin, dass auch die Gerichte die Tabelle B zur Ermittlung der Wertgebühr einer Vormerkungseintragung anwenden, nicht die (teurere) Tabelle A.