Der Bausparkassenvertreter als besondere Form des Handelsvertreters

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Provisionsberechnung, Ausgleichszahlungen, Kündigungsschutz - welche Besonderheiten gibt es beim Bausparkassenvertreter?

Wer als selbstständiger Handelsvertreter bei einer Bausparkasse unter Vertrag steht, gilt als so genannter Bausparkassenvertreter. Die Rechts- und Gesetzeslage ist insoweit teilweise sehr speziell. 123recht.de hat mit Rechtsanwalt Johannes Kromer gesprochen, der neben seiner selbstständigen Anwaltstätigkeit mehrere Jahre als Syndikusrechtsanwalt einer großen Bausparkasse im Bereich Vermittler-Recht und -Compliance tätig war.

123recht.de: Herr Kromer, was sind die rechtlichen Besonderheiten des Bausparkassenvertreters? Es gibt doch sehr viele Rechtsanwälte, die Handelsvertreter beraten. Zudem gibt es doch auch sehr viel Rechtsprechung dazu.

Johannes Kromer
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seit 2013
Rechtsanwalt
Tannenweg 17
72654 Neckartenzlingen
Tel: 07127/349-1208
Web: https://www.rechtsanwalt-kromer.de
E-Mail:
Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Maklerrecht, Vertragsrecht

Rechtsanwalt Kromer: Das ist vom Grundsatz her richtig. Allerdings ist der Bausparkassenvertreter speziell und nur wenige Anwälte haben hier häufiger Berührungspunkte. Dies ist natürlich auch einfach der Tatsache geschuldet, dass die Bausparkassenvertreter, im Vergleich zu sonstigen Handelsvertretern, eine absolute Minderheit sind.

Auch der Gesetzgeber hat den Bausparkassenvertreter an einigen Stellen gesondert hervorgehoben und besagt beispielsweise, dass die Vorschriften für Handelsvertreter nur sinngemäß gelten sollen und nimmt manche Regelungen des Handelsvertreters für den Bausparkassenvertreter sogar ausdrücklich aus.

123recht.de: Interessant, können Sie uns diese Unterschiede benennen?

Rechtsanwalt Kromer: Alle Unterschiede zu benennen würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Es geht bereits damit los, dass der Bausparkassenvertreter ja in der Regel gerade auch zu Immobilienfinanzierungen berät und auch Darlehen vermittelt. Dies ist natürlich ein sehr sensibler Bereich, da der Gesetzgeber und die Rechtsprechung bestimmte Anforderungen an eine Beratungsqualität stellen. Entsprechend hat auch der Bausparvertreter häufig sehr konkrete Vorgaben von seiner Bausparkasse.

Bausparkassenvertreter sind in der Regel selbständig

123recht.de: Dies wären dann weniger gesetzliche Regelungen, sondern vielmehr Vorgaben der Bausparkasse? Ist das nicht unproblematisch, ein Arbeitgeber hat doch ein Weisungsrecht.

Rechtsanwalt Kromer: Schön, dass Sie den Begriff des Arbeitgebers verwenden. Ein Arbeitgeber hat definitiv weitreichende Weisungsbefugnisse. Wenn wir vom Bausparkassenvertreter sprechen, sprechen wir jedoch in der Regel von einem Selbstständigen. Ein Selbstständiger ist gerade nicht in dem Maße an Weisungen gebunden, wie ein Arbeitnehmer. Ein Selbstständiger bestimmt im Grundsatz selbst wann, wo und vor allem auch wie er arbeitet. Werden hier Grenzen durch unzulässige Weisungen überschritten, dann stellt sich häufig die Frage der Scheinselbstständigkeit.

Achtung bei Scheinselbständigkeit

123recht.de: Was bedeutet das Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit?

Rechtsanwalt Kromer: Der Scheinselbständige ist kein echter Selbstständiger, sondern ein „verkappter“ Arbeitnehmer. Die Unterschiede sind gravierend. Der Arbeitnehmer kann sich auf zahlreiche gesetzlichen Schutzvorschriften wie beispielsweise das Kündigungsschutzgesetz berufen, erhält bezahlten Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und zum Beispiel die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung und Krankenversicherung. Insbesondere wenn sich das Vertragsverhältnis dem Ende nähert und eine Kündigung im Raum steht oder ausgesprochen wird, versuchen einige Bausparkassenvertreter, diesen vermeintlichen Trumpf auszuspielen.

123recht.de: Was sagen Sie dazu? Sie sind doch auch im Arbeitsrecht tätig.

Rechtsanwalt Kromer: Jeder Fall ist anders. Natürlich sind die Bausparkassen für das Thema sensibilisiert. Gerade im Bausparbereich haben Sie häufig mehrstufige Vermittlerstrukturen. Hier ist es teilweise auch einfach die jeweilige Führungskraft, die den Unterschied ausmacht. Allerdings bin ich ein Freund der ganzheitlichen Beratung. Es macht nur wenig Sinn, sich auf eine vermeintliche Scheinselbstständigkeit zu berufen, wenn der Handelsvertretervertrag mit der nächsten Bausparkasse bereits unterschrieben ist und ein großer Ausgleichsanspruch zu erwarten ist. Umgekehrt kann man natürlich dann nicht mehr von einer echten Selbständigkeit sprechen, wenn der Bausparkassenvertreter seiner Tätigkeit nur in der Bankfiliale eines Kooperationspartners erbringt und sich dort an die Arbeitszeiten der Bankmitarbeiter anpassen muss und mit dessen PC-Systemen vernetzt ist und noch seiner Führungskraft allabendlich einen Bericht über die Tagesaufgaben abliefern muss.

Der aufgebaute Kundenstamm bleibt beim Unternehmen

123recht.de: Lassen Sie uns auf das Thema Ausgleichsanspruch eingehen. Dieser wird doch vom Unternehmen gezahlt, wenn ein Handelsvertreter ausscheidet. Also eine Art Abfindung?

Rechtsanwalt Kromer: Richtig, der Gesetzgeber billigt dem Handelsvertreter dafür einen Ausgleich, dass das Unternehmen weiterhin von dem aufgebauten Kundenstamm profitiert und der Handelsvertreter dafür keine Vergütung mehr erhält.

123recht.de: Das passt doch auch für den Bausparkassenvertreter?

Rechtsanwalt Kromer: Von der Idee her passt dies hier auch sehr gut. Allerdings gibt es auch insoweit eine Besonderheit: Der Bundesgerichtshof hat sich umfangreich zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den so genannten Warenvertreter geäußert. Der Unterschied ist aber, dass ein Warenvertreter in der Regel deutlich mehr von seinem aufgebauten Kundenstamm hat. Wer als Handelsvertreter beispielsweise Druckerpatronen an gewerbliche Kunden vertreibt, kann davon ausgehen, dass ein Kunde regelmäßig bestellt. Beim Bausparkassenvertreter ist dies nur zum Teil so. Die wenigsten Menschen benötigen beispielsweise regelmäßig eine neue Baufinanzierung. Daher ist allgemein anerkannt und auch vom Bundesgerichtshof bestätigt, dass die Ausgleichsermittlung beim Bausparkassenvertreter anders zu berechnen ist.

Der Ausgleichsanspruch des Bausparkassenvertreters richtet sich nach der durchschnittlichen Jahresprovision der letzten vier Jahre

123recht.de: Können Sie die Ausgleichsberechnung erklären?

Rechtsanwalt Kromer: Es gibt keine starre gesetzliche Vorgabe. In der Regel wird mit dem Bausparkassenvertreter die Geltung der so genannten „Grundsätze“ vereinbart. Auch ohne vertragliche Vereinbarung werden diese von den Gerichten als Erfahrungsschatz herangezogen. Für den Bausparvertreter sind insbesondere die Grundsätze „Bausparen“ und „Finanzdienstleistungen“ relevant, daneben gibt es noch Grundsätze für unterschiedliche Versicherungssparten.

Die Berechnungen von Bausparen und Finanzdienstleistungen erfolgen vom Grundsatz her so, dass zunächst eine durchschnittliche Jahresprovision aus den letzten 4 Jahren ermittelt wird. Hiervon gilt ein bestimmter Prozentsatz als Ausgleichspflichtig, wobei dann – je nach Tätigkeitsdauer – verschiedene Multiplikatoren und ggf. ein Treuebonus zu berücksichtigen sind.

123recht.de: Das hört sich zwar nach viel Rechnerei an, scheint aber soweit klar zu sein?

Rechtsanwalt Kromer: Richtig ist, dass die Grundsätze kein Hexenwerk sind, wenn man sich an die einzelnen Schritte hält. Allerdings gibt es auch hier viele Fallstricke. Sie haben generell im Vertrieb beispielsweise häufig besondere Bonifikationen zur Motivation. Diese können einen beträchtlichen Teil der Einnahmen ausmachen. Oft werden diese in der Ausgleichsberechnung nicht freiwillig berücksichtigt. Schwierig wird es natürlich auch, wenn ein Bausparvertreter im Rahmen einer geordneten Übergabe über einen längeren Zeitraum einen Kollegen einarbeiten soll und die Kundenbestände teilweise bereits nach und nach auf den neuen Kollegen überträgt. Damit sinken natürlich, was sofort ersichtlich ist, die Provisionseinnahmen und damit aber auch der Ausgleichsanspruch.

Häufigen Streit gibt es bei der Provisionsberechnung

123recht.de: Was sind noch sonstige Brennpunkte?

Rechtsanwalt Kromer: Einmal, und hier gibt es kaum Unterschiede zu Handelsvertretern, ist das Thema Buchauszug sehr streitanfällig. Jeder Handelsvertreter und Bausparvertreter kann einen so genannten Buchauszug verlangen, um die Provisionsabrechnungen zu prüfen. Er muss hierfür keinerlei Gründe benennen. Im Buchauszug finden sich sodann alle Geschäfte, für die dem Bausparvertreter eine Provision gebühren könnte. Insbesondere in mehrstufigen Vermittlerstrukturen wird dies schnell sehr ausufernd, da richtigerweise auch die Umsätze untergeordneter Vertreter aufzuführen sind.

Ebenso gibt es natürlich immer wieder Streit über den Provisionsanspruch sowie dessen Berechnung. Die Provisionsbestimmungen werden teilweise recht häufig einseitig gewechselt, so dass sich regelmäßig die Frage stellt, ob eine Bausparkasse einfach andere Bedingungen ohne Zustimmung des Bausparvertreter einholen kann.

123recht.de: Vielen Dank für diese interessanten Einblicke. Gibt es solche Auseinandersetzungen eigentlich häufig?

Rechtsanwalt Kromer: Da unterscheidet sich der Bausparkassenvertreter nur wenig vom Warenvertreter. Wenn es „läuft“, macht man sich wenig Gedanken und riskiert noch weniger einen Streit. Es ist ja gerade so, dass eine Kündigung jederzeit unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich ist. Das Unternehmen muss keine Gründe hierfür angeben. Entsprechend kommen die Probleme dann meist am Ende eines Vertrages, nämlich nach der Kündigung und dann in der Regel auch geballt. Dies gilt aber nicht nur für die Kündigung durch die Bausparkasse. Generell besteht in der Branche eine sehr hohe Fluktuation.

123recht.de: Was würden Sie einem gekündigten Bausparvertreter raten?

Rechtsanwalt Kromer: Auch wenn es keines Kündigungsgrundes bedarf, kann eine anwaltliche Beratung sinnvoll sein. Wenn beispielsweise eine Scheinselbstständigkeit vorlag, dann läuft mit der Kündigung eine dreiwöchige Frist, binnen derer die Kündigungsschutzklage erhoben werden könnte. Auch ansonsten lohnt es sich natürlich insbesondere nach einer Kündigung genau darauf zu achten, dass die vertraglichen Verpflichtungen noch erfüllt werden, z.B. ausgeschriebene Bonifikationen auch tatsächlich zur Auszahlung kommen. Auch eine etwaige Freistellung sollte geprüft werden, damit diese beispielsweise nicht bei der Ausgleichsberechnung zum Nachteil gereicht und eine korrekte Freistellungsvergütung gezahlt wird.

123recht.de: Vielen Dank für Ihr informatives Interview.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung. Ich setze mich bundesweit für Ihre Interessen ein.

Rechtsanwalt Kromer
Tannenweg 17
72654 Neckartenzlingen
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