Die Elternzeit nach der Geburt des Kindes

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Dauer, Beantragung, Elterngeld und mehr - was müssen Eltern bei der Elternzeit beachten?

Elternzeit ermöglicht es Arbeitnehmern, durch eine Auszeit vom Job Zeit für ihr Kind zu haben. Kann aber jeder Arbeitnehmer einfach Elternzeit nehmen? Kann der Arbeitgeber Elternzeit auch verweigern und was bedeutet es genau, in Elternzeit zu sein? 123recht.de gibt auf diese und weitere wichtige Fragen im Interview mit Rechtsanwalt Hussein Madani Antworten.

123recht.de: Herr Madani, was genau versteht man unter "Elternzeit"?

Hussein Madani
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Rechtsanwalt
Ahrberger Weg 12
31157 Sarstedt
Tel: 01739229113
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Antwortet: ∅ 2 Std. Stunden

Rechtsanwalt Madani: Elternzeit ist ein arbeitsrechtlicher Anspruch von Arbeitnehmern, der diesen die Möglichkeit gibt, nach der Geburt ihres Kindes eine Auszeit vom Berufsleben zu nehmen, um sich um die Betreuung und Erziehung des Kindes zu kümmern. Der Anspruch ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt.

Gesellschaftspolitisch verfolgt die Elternzeit das Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und die Gleichstellung von Müttern und Vätern bei der Betreuung von Kindern zu stärken. Sie soll Eltern ermöglichen, gemeinsam Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder zu übernehmen, ohne dabei finanzielle oder berufliche Nachteile befürchten zu müssen.

Elternzeit kann ab der Geburt des Kindes für bis zu drei Jahre genommen werden

123recht.de: Wann beginnt die Elternzeit und wie lange dauert diese?

Rechtsanwalt Madani: Die Elternzeit kann grundsätzlich ab der Geburt des Kindes für bis zu drei Jahre genommen werden. Ich erkläre es gerne so, dass jeder Elternteil quasi ein „Konto“ mit drei Jahren Elternzeit hat, die im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten flexibel in Anspruch genommen werden können.

123recht.de: Kann die Elternzeit also aufgeteilt werden?

Rechtsanwalt Madani: Ja genau, Elternzeit kann in bis zu drei Zeitabschnitte aufgeteilt werden. Hierbei ist zu beachten, dass eine Übertragung auf die Zeit nach dem dritten Geburtstag des Kindes einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf.

123recht.de: Ist es möglich, die Elternzeit zu verlängern oder vorzeitig zu beenden?

Rechtsanwalt Madani: Eine Verlängerung der Elternzeit ist in der Regel nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. In Ausnahmefällen, wie bei einer erneuten Schwangerschaft oder schwerer Erkrankung, kann die Elternzeit vorzeitig beendet werden. In der Praxis sind meiner Erfahrung nach aber viele Arbeitgeber flexibel und machen vieles möglich.

Elternzeit ist schriftlich beim Arbeitgeber zu beantragen

123recht.de: Bedarf es einer Beantragung der Elternzeit beim Arbeitgeber? Wie hat diese zu erfolgen?

Rechtsanwalt Madani: Ja, die Elternzeit muss beim Arbeitgeber schriftlich beantragt werden, und zwar spätestens sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn der Elternzeit. Für Elternzeit, die nach dem dritten Geburtstag des Kindes genommen wird, gilt eine Frist von 13 Wochen. Dabei handelt es sich um eine so genannte Gestaltungserklärung, das heißt, durch die schriftliche Mitteilung übt der Arbeitnehmer sein Recht auf Elternzeit aus und legt verbindlich fest, wann und für wie lange die Elternzeit genommen wird.

123recht.de: Können Probleme für den Arbeitnehmer bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach der Elternzeit auftreten?

Rechtsanwalt Madani: Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Rückkehr an den Arbeitsplatz. Probleme können jedoch in der Praxis auftreten, etwa wenn die Position während der Abwesenheit anders besetzt wurde. Der Arbeitgeber ist im Rahmen der arbeitsvertraglichen Regelungen allerdings verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine gleichwertige Stelle anzubieten.

15 bis 32 Stunden pro Woche kann Teilzeit gearbeitet werden

123recht.de: Besteht die Möglichkeit der Ausübung einer Teilzeittätigkeit während der Elternzeit?

Rechtsanwalt Madani: Ja, es ist möglich, während der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten. Der Anspruch besteht für eine Arbeitszeit von 15 bis 32 Stunden pro Woche, sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und der Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt. Die Teilzeit muss für mindestens zwei Monate ausgeübt werden. Um Probleme zu vermeiden ist es empfehlenswert, die Teilzeit gleichzeitig mit der Elternzeit zu beantragen.

"Während der Elternzeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz"

123recht.de: Besteht für den Arbeitnehmer Kündigungsschutz während der Elternzeit?

Rechtsanwalt Madani: Ja, während der Elternzeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz. Dieser beginnt frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit und endet mit dem letzten Tag der Elternzeit. Eine Kündigung ist nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung der zuständigen Behörde möglich.

Arbeitgeber dürfen Urlaubsanspruch kürzen

123recht.de: Wie sieht es mit dem Urlaubsanspruch aus?

Rechtsanwalt Madani: Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit um ein Zwölftel pro vollen Monat der Elternzeit kürzen, es sei denn, dies wurde im Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Nicht genommener Urlaub kann nach der Elternzeit genommen werden.

Elterngeld wird auf Grundlage des Nettoeinkommens berechnet

123recht.de: Wie erfolgt die Berechnung und Auszahlung des Elterngeldes?

Rechtsanwalt Madani: Das Elterngeld wird auf Grundlage des Nettoeinkommens der letzten zwölf Monate vor der Geburt berechnet und beträgt zwischen 65 % und 100 % des Einkommens, abhängig von dessen Höhe. Der Mindestbetrag liegt bei 300 €, der Höchstbetrag bei 1.800 € pro Monat. Für Geburten ab dem 1. April 2024 gibt es neue Einkommensgrenzen: Paare und Alleinerziehende haben nur bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 200.000 Euro Anspruch auf Elterngeld. Ab dem 1. April 2025 wird diese Grenze auf 175.000 Euro abgesenkt.

Die Auszahlung erfolgt monatlich, und die Eltern können das Elterngeld als Basiselterngeld (max. 12 bzw. 14 Monate bei gemeinsamer Inanspruchnahme) oder als ElterngeldPlus (doppelt so lange mit halben Beträgen) beziehen. Ab April 2024 ist der gleichzeitige Bezug des Basiselterngeldes durch beide Elternteile nur noch für maximal einen Monat möglich.

123recht.de: Wird Elternzeit auf die Rentenversicherung angerechnet?

Rechtsanwalt Madani: Ja, die Zeit der Elternzeit wird auf die Rentenversicherung angerechnet, indem der Staat Beiträge zur Rentenversicherung zahlt. Dies gilt maximal bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.

123recht.de: Hat die Elternzeit Auswirkungen auf Versicherungen wie Kranken- und Unfallversicherung?

Rechtsanwalt Madani: Während der Elternzeit bleibt der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beitragsfrei versichert, wenn Elterngeld bezogen wird oder ein Anspruch auf Familienversicherung besteht.

123recht.de: Müssen weiterhin Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlt werden?

Rechtsanwalt Madani: Für die Rentenversicherung werden staatliche Beiträge gezahlt. In die Arbeitslosenversicherung müssen während der Elternzeit jedoch keine Beiträge entrichtet werden.

Elternzeit steht grundsätzlich nur den leiblichen Eltern zu

123recht.de: Können auch andere Verwandte Elternzeit nehmen?

Rechtsanwalt Madani: Elternzeit steht grundsätzlich nur den leiblichen Eltern zu. Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen auch Großeltern oder andere Verwandte Elternzeit nehmen können. Dies ist möglich, wenn der Elternteil, der das Kind betreuen würde, schwer erkrankt, behindert oder verstorben ist. Eine weitere Ausnahme besteht, wenn die Eltern minderjährig sind oder sich in Ausbildung befinden und daher nicht in der Lage sind, die Betreuung des Kindes selbst zu übernehmen.

123recht.de: Gibt es Besonderheiten bei Beamten?

Rechtsanwalt Madani: Ja, auch Beamte haben einen Anspruch auf Elternzeit. Die Regelungen sind in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder festgelegt und ähneln im Wesentlichen denen der Arbeitnehmer. Es gibt jedoch einige Unterschiede, etwa bei der Anrechnung auf Beförderungszeiten.

Wechsel des Arbeitgebers beendet die Elternzeit

123recht.de: Ist es möglich, während der Elternzeit den Arbeitgeber zu wechseln?

Rechtsanwalt Madani: Ja, ein Arbeitgeberwechsel während der Elternzeit ist grundsätzlich möglich. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Elternzeit rechtlich an das bestehende Arbeitsverhältnis gebunden ist. Wechselt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, endet formal das alte Arbeitsverhältnis, und die Elternzeit wird ebenfalls beendet. Es muss also beim neuen Arbeitgeber eine neue Elternzeit beantragt werden, sofern weiterhin Elternzeit gewünscht wird.

Vor dem Arbeitgeberwechsel sollten Arbeitnehmer prüfen, ob beim neuen Arbeitgeber eine nahtlose Fortsetzung der Elternzeit möglich ist und die gesetzlichen Fristen eingehalten werden. Dies sollte auch transparent mit dem neuen Arbeitgeber besprochen werden.

123recht.de: Darf während der Probezeit Elternzeit genommen werden und wie sieht es bei befristeten Arbeitsverhältnissen aus?

Rechtsanwalt Madani: Ja, Elternzeit kann auch während der Probezeit oder in befristeten Arbeitsverhältnissen genommen werden. Allerdings endet der Anspruch auf Elternzeit mit dem Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses.

123recht.de: Hat eine erneute Schwangerschaft während der Elternzeit Auswirkungen?

Rechtsanwalt Madani: Bei einer erneuten Schwangerschaft kann die laufende Elternzeit vorzeitig beendet werden, um den Mutterschutz in Anspruch zu nehmen. Anschließend kann erneut Elternzeit beantragt werden.

123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.

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