Die Haftung des Anwalts

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Anwaltshaftung bei Falschberatung, Fristversäumnissen etc. - Das müssen Mandanten wissen, wenn der Rechtsanwalt Fehler macht

Eine sehr unangenehme Situation. Der Mandant geht mit einem Problem zu seinem Rechtsanwalt und wird falsch beraten. So werden aus einem Rechtsstreit schnell zwei. Was nun? Besteht Anspruch auf Schadensersatz? Was kann der Mandant tun? Rechtsanwältin Bianca Vetter erklärt im Interview, wie der Mandant zu seinem Recht kommt und wie Fehler entsprechend vermieden werden können.

123recht.de: Was ist Anwaltshaftung?

Bianca Vetter
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seit 2009
Rechtsanwältin
Marktstraße 17 / 19,
70372 Stuttgart
Tel: 0711-7223-6737
Web: https://www.hsv-rechtsanwaelte.de
E-Mail:
Zivilrecht, Familienrecht, Strafrecht, Gebührenrecht der RAe, Kaufrecht

Rechtsanwältin Vetter: Die Anwaltshaftung beschreibt den Fall, in dem ein Rechtsanwalt im Zusammenhang mit dem Bearbeiten eines Mandates einen Fehler gemacht und dieser zu einem Schaden des Mandanten geführt hat.

Ein kleines Beispiel hierfür: Der Rechtsanwalt müsste für einen Mandanten eine Forderung geltend machen, wird jedoch nicht tätig und notiert sich auch nicht die Frist des Verjährungseintritts. Durch das Nichtnotieren des Verjährungszeitspunktes wird der Anwalt erst nach der eingetretenen Verjährung tätig. Dies führt jedoch dazu, dass der Mandant die Forderung aufgrund des Verjährungseintritts nicht mehr geltend machen kann. Daher hat der Mandant einen Schaden erlitten, der sich durch die nicht mehr geltend machende Forderung widerspiegelt.

123recht.de: Was ist die Anwaltsberatung eigentlich für ein Vertrag?

Rechtsanwältin Vetter: Der Anwaltsvertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. Dienstvertrag. Die entsprechende Vorschrift hierzu ist § 675 BGB.

Der Rechtsanwalt hat die Interessen seines Mandanten zu vertreten

123recht.de: Welche Pflichten hat der Rechtsanwalt?

Rechtsanwältin Vetter: Zunächst hat der Rechtsanwalt die Wünsche und die ihm von seinem Mandanten übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Dies bedeutet, dass der Rechtsanwalt die Interessen seines Mandanten zu vertreten hat.

Dies kann einerseits die Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren sein, wobei der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren dann auch die notwendigen Schriftsätze zu erstellen hat. Aber auch die Vertretung des Mandanten gegenüber dessen Gegner ist darunter zu verstehen. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt die Rechtsposition seines Mandanten sowohl gegenüber den Gegnern als auch bei Gericht vertreten und verteidigen und hierfür die notwendigen Schriftsätze erstellen und zusenden muss. Auch die Schriftsätze, die der Rechtsanwalt erhält, muss er dem Mandanten übersenden und mit diesem besprechen.

Dies kann allerdings auch andererseits darin bestehen, dass der Rechtsanwalt eine Fragestellung des Mandanten beantworten und im Vorfeld der Beantwortung die rechtliche Seite der Fragestellung des Mandanten prüfen muss.

Der Rechtsanwalt hat in diesem Zusammenhang auch zu prüfen, ob der Anspruch des Mandanten gerechtfertigt ist oder ob es Probleme bei der Verwirklichung des Anspruches gibt. Der Rechtsanwalt hat daher den Mandanten darüber zu informieren, wenn es hinsichtlich der Wünsche des Mandanten oder seines Anspruches Probleme gibt.

Keine Haftung ohne Schaden

123recht.de: Wann kann man von einem Haftungsfall sprechen?

Rechtsanwältin Vetter: Wie ich bereits erläutert habe, besteht die Anwaltshaftung aus mehreren wichtigen Voraussetzungen.

Zunächst muss der Rechtsanwalt einen Fehler gemacht haben. Ein solcher Fehler kann beispielsweise darin liegen, dass der Rechtsanwalt wichtige Fristen versäumt oder auch Umstände, die den Anspruch des Mandanten belegen und beweisen können, nicht vorgetragen hat. Ein Fehler kann auch darin liegen, dass der Rechtsanwalt den Mandanten über wichtige Umstände falsch beraten nd der Mandant aufgrund dieser falschen Beratung gehandelt hat.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Schaden des Mandanten einzig und allein auf den Fehler des Rechtsanwaltes zurückzuführen ist. Wäre beispielsweise der Schaden auch ohne den Fehler des Rechtsanwaltes entstanden, müsste der Rechtsanwalt nicht haften.

Ein klassisches Beispiel in Bezug auf das Versäumen der Verjährungsfrist hierzu: Der Rechtsanwalt hat die Verjährungsfrist falsch notiert. Dem Mandanten würde jedoch der Anspruch auch deswegen nicht zustehen, weil der Anspruch auch aus anderen Gründen, etwa wegen einer Aufrechnung des Gegners mit einer Gegenforderung, nicht zugestanden hätte. Der Rechtsanwalt hätte in diesem Fall zwar einen Fehler begangen, aber dem Mandanten hätte der Anspruch auch wegen der Aufrechnung mit der Gegenforderung des Gegners nicht zugestanden. Daher wäre eine Anwaltshaftung hier trotz des Fehlers des Rechtsanwaltes nicht gegeben.

123recht.de: Wer ist in der Beweispflicht?

Rechtsanwältin Vetter: Die Beweispflicht für das Vorliegen einer Anwaltshaftung trifft den Mandanten.

123recht.de: An wen kann sich der Mandant wenden?

Rechtsanwältin Vetter: Zur Geltendmachung einer Anwaltshaftung kann sich der Mandant an einen Rechtsanwalt wenden, der den Sachverhalt prüft.

Es gilt die normale gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren

123recht.de: Gibt es Verjährungsfristen zu beachten? Wann beginnen diese?

Rechtsanwältin Vetter: Auch im Rahmen einer Anwaltshaftung gilt die normale gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren gemäß der Vorschrift des § 195 BGB. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Mandant erstmals von einer Anwaltshaftung des Rechtsanwaltes Kenntnis erlangt hat.

Mandanten sollten notfalls mit anwaltlicher Unterstützung den Schaden Ihrem Anwalt melden

123recht.de: Wie kommt der geschädigte Mandant zu seinem Recht?

Rechtsanwältin Vetter: Der Mandant kann und sollte bei Kenntniserlangung den Rechtsanwalt anschreiben und seinen Schaden aufgrund der Anwaltshaftung gegenüber dem Rechtsanwalt geltend machen. In dem Schreiben sollte der Mandant den Rechtsanwalt auch auffordern, seine Berufshaftpflichtversicherung über den Schadensfall zu informieren. Hierbei sollte der Mandant dem Rechtsanwalt auch eine Frist nennen, bis wann er den Schadensbetrag bezahlen soll.

Nach meiner Erfahrung ist davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt nicht gleich bezahlt bzw. dessen Versicherung mitteilt, dass sie keine Haftung des Rechtsanwaltes sieht. In diesem Fall sollte der Mandant auf jeden Fall zu einem Rechtsanwalt gehen, der die Situation hinsichtlich der möglichen Haftung des Rechtsanwaltes prüfen kann.

123recht.de: Können Sie ein Beispiel für einen realen Haftungsfall in Ihrer/einer Kanzlei beschreiben?

Rechtsanwältin Vetter: Ich hatte einen Haftungsfall, bei dem der Rechtsanwalt gegenüber dem Familiengericht versäumt hat, günstige Umstände bei der Berechnung eines Unterhaltes für den Mandanten zu benennen. Es ging dabei um die Frage, welchen Wohnvorteil (die Ehefrau bewohnte das Eigenheim der Parteien, weshalb bei ihr die ersparte Mietzahlung als zusätzliches „Einkommen“ anzusetzen war) die Ehefrau des Mandanten zur Berechnung des Unterhaltes hatte. Nachdem der Rechtsanwalt diese günstigen Umstände nicht benannt hat, hat das Gericht einen zu niedrigen bzw. nicht angemessenen Wohnvorteil bei der Ehefrau angesetzt, weshalb diese zu Unrecht einen höheren Unterhalt vom Familiengericht zugesprochen bekommen hat.

Inzwischen hat auch ein Gericht entschieden, dass der Rechtsanwalt diesen Fehler begangen hat und dem Mandanten einen entsprechenden Schaden zu bezahlen hat.

Intensive Beratungsgespräche zur Minimierung von Schadensfällen

123recht.de: Wie kommunizieren Sie mit Ihren Mandanten, um Missverständnisse und potentielle Haftungsrisiken zu vermeiden?

Rechtsanwältin Vetter: Bereits beim 1. Beratungsgespräch wird von mir handschriftlich notiert, was der Mandant mir bezüglich der Angelegenheit nennt. Nach diesem Beratungsgespräch ist es generell so, dass Schreiben an die Gegenseite oder das Gericht dem Mandanten zuvor zugesendet werden, damit dieser die Schreiben nochmals lesen kann und etwaige inhaltliche Fehler besprochen werden können. Auch Rückfragen zu dem Schreiben können dann mit dem Mandanten abgeklärt werden.

Wenn ich erkenne, dass der Anspruch des Mandanten möglicherweise nicht oder nur teilweise begründet ist, schreibe ich dies dem Mandanten ebenfalls. Ich gebe daher dem Mandanten schriftlich einen Hinweis darauf, dass sein Anspruch möglicherweise nicht in voller Höhe besteht.

In der heutigen Zeit ist es üblich, dass die Mandanten eine E-Mail-Adresse haben und die Mandanten daher per E-Mail über solche Umstände von mir informiert werden. Ansonsten werden die Mandanten auf dem Postweg darüber informiert. Sollte ausnahmsweise eine telefonische Rücksprache mit dem Mandanten erfolgen, erstelle ich eine Notiz über das Gespräch.

123recht.de: Welche Strategien verwenden Sie, um sicherzustellen, dass Mandanten realistische Erwartungen an den Ausgang ihres Haftungsfalls haben?

Rechtsanwältin Vetter: Zunächst soll der Mandant den Sachverhalt, wie er sich aus seiner Sicht dargestellt hat, erläutern. Der Mandant soll darlegen, wie sich das Mandat bei dem anderen Rechtsanwalt gestaltet hat. Nach der Sachverhaltsschilderung, die ich mir auch notiere, bitte ich den Mandanten, Verständigungsfragen meinerseits zu beantworten.

Zudem bitte ich den Mandanten, mir den gesamten Schriftverkehr mit dem Rechtsanwalt zu übersenden.

Wenn der Rechtsanwalt ein gerichtliches Verfahren für den Mandanten geführt hat, beantrage ich in der Regel eine Akteneinsicht in die betreffende Gerichtsakte. Anhand der Gerichtsakte kann ich mir dann ein umfassendes Bild zumindest von dem Gerichtsverfahren machen.

Nach einer nochmaligen Prüfung der Angelegenheit gebe ich dem Mandanten meine Einschätzung zu dem Sachverhalt. Hierbei weise ich den Mandanten auch darauf hin, wenn ich noch Probleme hinsichtlich der Beweislage sehe. Ich bitte den Mandanten dann auch noch um weitere Beweismittel oder um die Beantwortung von Fragen.

Anwaltssoftware hilft beim Einhalten von Fristen

123recht.de: Welche Rolle spielt die Technologie in Ihrer Kanzlei, um Fehler und Haftungsrisiken zu minimieren?

Rechtsanwältin Vetter: Wir verwenden eine Rechtsanwaltssoftware. In dieser können beispielsweise Fristen eingetragen werden. Hierbei werden nicht nur die Fristen, daher der Tag, an dem die Frist endet, eingetragen, sondern es wird auch eine so genannte Vorfrist eingetragen. Die Vorfrist gibt uns den Hinweis, dass in der bestimmten Akte demnächst eine Frist ausläuft.

Zusätzlich machen wir es allerdings auch so, dass wir einen handschriftlichen Kalender haben, in dem wir die Fristen und auch Termine eintragen. Denn auch beim Versäumen eines Termins kann dem Mandanten ein Schaden entstehen.

Die Daten, die sich in der Software befinden bzw. die Schriftstücke werden bei uns regelmäßig gesichert.

123recht.de: Haben Sie zusätzliche spezielle Software oder Systeme zur Überwachung von Listen und zur Verwaltung von Mandantenakten?

Rechtsanwältin Vetter: Wir verwenden in unserer Kanzlei ein spezielles Programm, das für Rechtsanwälte entworfen wurde. Dieses beinhaltet neben der Führung von Akten auch die Fristenkontrolle sowie einen Terminkalender, aus dem nicht nur die einzelnen Besprechungstermine oder Gerichtstermine, sondern auch die Fristen ersichtlich sind.

123recht.de: Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen Fehler bemerken, der potentiell zu einem Haftungsanspruch führen könnte?

Rechtsanwältin Vetter: In einem solchen Fall informieren wir sicherheitshalber unsere Berufshaftpflichtversicherung. Mit dieser wird dann das weitere Vorgehen, etwa auch das Informieren des Mandanten besprochen.

Wenn der Mandant direkt auf uns zukommt, wird ebenfalls unsere Berufshaftpflichtversicherung informiert.

123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.

Rechtsanwältin Bianca Vetter

HSV Rechtsanwälte
Marktstraße 17 / 19
70372 Stuttgart

Telefon-Nr.: 0711-72236737
Email: vetter@hsv-rechtsanwaelte.de