Die Pkw-Maut - sinnvolle Abgabe oder Rohrkrepierer?

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Was Autofahrer über die kommende Maut wissen sollte

Neue Straßen braucht unser Land. Aber woher das Geld dafür nehmen? Die Lösung: Ab 2016 kommt eine Pkw-Maut. Schon lange wird hitzig über den Sinn diskutiert. Ist es eine Maut nur für Ausländer, wie werden deutsche Autofahrer belastet und ist das europarechtskonform? 123recht.de versucht im Interview mit Kourosh Aminyan, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

123recht.de: Herr Aminyan, eine Maut, was ist das überhaupt und wofür soll sie verwendet werden?

Kourosh Aminyan
Partner
seit 2007
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Migrationsrecht
Salierring 43
50677 Köln
Tel: 0221 - 294 262 60
Web: http://www.rechtsanwalt-aminyan.de
E-Mail:
Internationales Recht, Strafrecht

Rechtsanwalt Aminyan: Die Maut ist eine so genannte Infrastrukturabgabe und dient zur Finanzierung unserer Straßen. Die Nutzer des Straßennetzes in Deutschland sollen so an der Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) der Straßen beitragen.

Maut wird nach Umweltfreundlichkeit, Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt erhoben

123recht.de: Wie wird die Maut berechnet? Wird es verschiedene zeitliche Staffelungen geben?

Rechtsanwalt Aminyan: Der Preis für die Jahresvignette bestimmt sich für Pkw grundsätzlich entsprechend der Systematik im Kraftfahrzeugsteuergesetz. Er wird nach der Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge sowie nach Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt.

Man kann also sagen, dass sich die Maut-Pflicht nach der Kfz-Steuerpflicht richtet. Eine zeitliche Staffelung wird es nicht geben. Allerdings müssen zunächst die technischen und verwaltungsorganisatorischen Voraussetzungen für die Erfassung und Erhebung der Maut erfolgen, die für das Jahr 2015 geplant sind. Die Infrastrukturabgabe wird sodann ab dem 01.01.2016 finanzwirksam werden.

Automatische Abbuchung wie bei Kfz-Steuer

123recht.de: Wie wird die Maut erhoben werden und eine Kontrolle erfolgen? Wird auf bestehende Systeme wie in Italien und Österreich zurückgegriffen?

Rechtsanwalt Aminyan: Die Erhebung und damit die Kontrolle läuft über eine automatische Abbuchung der jeweiligen Maut, ähnlich nach dem bereits bekannten Prinzip der Kfz-Steuer. Dies war zumindest bisher geplant. Eine Maut mittels Aufkleber wie aus Italien oder Österreich bekannt wird es wohl nicht geben. Aktuell spricht das Bundesverkehrsministerium über eine elektronische Vignette, die über das Kfz-Kennzeichen erfasst werden soll. Genaueres bleibt daher abzuwarten.

123recht.de: Wie wird die Erhebung der Maut bei Ausländern erfolgen?

Rechtsanwalt Aminyan: Halter von nicht in Deutschland steuerpflichtigen Kraftfahrzeugen können zwischen einer Vignette für zehn Tage (10 Euro), zwei Monaten (20 Euro) oder einem Jahr (Höhe abhängig von den Eigenschaften des Fahrzeugs) wählen. Wie diese erfasst und erhoben werden, ist bislang auch noch nicht entschieden.

Alle Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t unterliegen der Maut

123recht.de: Gilt die Maut nur für Autos oder sind auch Motoräder betroffen?

Rechtsanwalt Aminyan: Die Infrastrukturabgabe ist für die Nutzung des öffentlichen Straßennetzes in Deutschland durch Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t zu entrichten. Damit werden auch Motorräder erfasst.

123recht.de: Gibt es Ausnahmen von der Vignetten-Pflicht?

Rechtsanwalt Aminyan: Alle Halter von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw sind verpflichtet, eine Jahresvignette zu erwerben. Ausnahmen hiervon sind Fahrzeuge, die ganz oder teilweise steuerbefreit sind wie z.B. Elektroautos oder Fahrzeuge von behinderten Personen. Halter von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Kraftfahrzeugen werden über eine Freigrenze in der Kfz-Steuer entlastet, die die Ausgaben für die Infrastrukturabgabe vollständig und unbürokratisch kompensiert.

123recht.de: Welche Folgen drohen mir, wenn ich keine Vignette habe? Oder ist das durch das System unmöglich?

Rechtsanwalt Aminyan: Ob es rein faktisch möglich sein wird, eine Vignette nicht zu haben, kann derzeit nicht gesagt werden, da die Pläne zur genauen Erfassung der Maut noch nicht vorliegen.

Klagen von Einzelpersonen werden voraussichtlich keinen Erfolg haben

123recht.de: Die Kritik ebbt ja nicht ab. Ist die Maut überhaupt verfassungskonform oder sollte man klagen? Ist es europarechtlich vereinbar, dass Deutsche die Maut mit der Kfz-Steuer verrechnen dürfen? Die Kommission hatte da ja so ihre Bedenken.

Rechtsanwalt Aminyan: Dazu sagt das Bundesverkehrsministerium:

„Die Einführung der Infrastrukturabgabe, die an die allgemeine Zielsetzung der EU-Kommission anknüpft, die Nutzerfinanzierung auszuweiten, ist europarechtlich zulässig. Die EU-Mitgliedstaaten haben grundsätzlich die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Säulen der Infrastrukturfinanzierung Verschiebungen vorzunehmen, die Steuerfinanzierung über die Kfz-Steuer oder die Mineralölsteuer zu reduzieren und im Gegenzug die Nutzerfinanzierung durch die Einführung einer Vignette zu stärken.

Die Steuergesetzgebung, d. h. die Festsetzung von Steuersätzen sowie die Regelung von Freibeträgen ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten. Halter von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw leisten für die Nutzung des öffentlichen Straßennetzes den gleichen Beitrag zur Finanzierung der Infrastruktur wie Halter von nicht in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw. Die Pflicht zur Zahlung der Infrastrukturabgabe besteht unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Wohnort des Nutzers und ist daher vereinbar mit Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Die Diskriminierungsfreiheit bei der Entrichtung und Erhebung der Infrastrukturabgabe wird sichergestellt, in dem Halter von nicht in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw die Vignetten im Internet erwerben können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Vignetten an Tankstellen zu erwerben. Aufgrund der höheren Verwaltungskosten können Jahresvignetten dort nur zum Preis von 103,04 € für Benzin- und von 112,35 € für Dieselfahrzeuge erworben werden. 10-Tages- und 2-Monatsvignetten kosten im Internet und an Tankstellen gleichermaßen 10 € bzw. 20 €."

Die Klage einer Einzelperson wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es gibt aber zahlreiche Stimmen (Datenschützer, Automobilverbände etc.), die bei dem jetzigen Gesetzgebungsverfahren schon ihre Bedenken gegenüber dem Bundesverkehrsministerium geäußert haben. Sollten solche Bedenken bei dem Gesetzesentwurf keine oder kaum Berücksichtigung finden, kann davon ausgegangen werden, dass – bei Verletzungen von EU- und /oder nationalen Normen – Klagen eingereicht werden können, z.B. als Verfassungsklage beim Bundesverfassungsgericht oder Europäischen Gerichtshof (EUGH).

Laut Bundesverkehrsministerium soll Mautgesetzt die härtestmöglichen Datenschutzregeln enthalten

123recht.de: Zur Kritik von Datenschützern: Was wird da befürchtet? Ist diese Kritik aus Ihrer Sicht berechtigt?

Rechtsanwalt Aminyan: Laut Angaben des Bundesverkehrsministeriums soll das neue Gesetz die "härtestmöglichen" Datenschutzregeln enthalten, so dass sich die Bürger sicher sein können, dass von ihnen keine Profile erstellt und gespeichert werden, um sie anderweitig zu nutzen. Aber auch hier bleibt es abzuwarten, da die Erfassung der Maut noch nicht endgültig entschieden ist.

123recht.de: Kritiker bemängeln schon jetzt, dass die jetzt abgespeckte Maut eh nichts einbringen wird und nur ein bürokratisches Monster darstellt. Wie sehen Sie das?

Rechtsanwalt Aminyan: Meines Erachtens ist das nur Stimmungsmache. Die gleiche Kritik hörte man ebenfalls bei der Einführung der Umweltplakette. Der Verwaltungsaufwand, der bereits jetzt für die steuerliche Erfassung der Fahrzeuge besteht, wird demnächst nur verlagert. Dass es anfangs zu Anlaufschwierigkeiten kommen kann, ist systemimmanent und unvermeidbar. Im Ergebnis wird die Pkw-Maut aber die Kfz-Steuer ablösen und ein wirksames Mittel sein, um die Finanzierung des Straßennetzes, das auch von unseren Nachbar in Anspruch genommen wird, dauerhaft zu sichern.

123recht.de: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Leserkommentare
von ATH am 23.11.2014 02:43:22# 1
Herr RA Aminyan, Nur für ''''s Protokoll: Ihre abschließende Einschätzung, dass die Kritik an der Maut nur Stimmungsmache sei, entspringt einzig Ihrem persönlichem Empfinden. Auch Ihr Hinweis auf die Umweltplakette ist zu hinterfragen. Vieler Orts ist man sich einig, dass die Umweltplakette - außer jeder Menge "Knöllchen" - die Erwartungen keineswegs erfüllt hat. Die technische Entwicklung wäre auch ohne Umweltplakette entsprechend fortgeschritten. Stellt man sich vor, man müsste für diese Plakette auch noch eine jährliche Gebühr aufbringen, wäre auch hier die Abzocke komplett.

Die Einnahmen des Staates sind seit Jahren auf Rekordniveau. Infrastrukturmaßnahmen, wie der Straßenbau gehören zum elementaren Aufgabengebiet des Staates zumindest in unserem bisherigen Staatsverständnis. Weiterhin trägt gerade der Autofahrer in der Summe seiner Abgaben bereits ein Vielfaches der Belastungen, die zur Erhaltung der Autobahnen und Bundesstraßen notwendig sind. Mit Einführung der Maut entzieht sich die Staat ein weiteres Mal seiner Pflicht, seine Einnahmen auch zum Wohle seines Volkes einzusetzen. Der Hinweis auf eine Verrechnung mit der Kfz-Steuer ist eine Farce. Die Kfz-Steuer wird ja nicht abgeschafft und niemand wird garantieren können, dass wir trotz Maut nicht in einigen Jahren wieder das gleiche Steuerniveau wie jetzt (nur dann eben zusätzlich mit Maut) erreichen werden.

Die Maut ist einzig eine Lex-Seehofer. Niemand will sie, niemand braucht sie...außer Bayerns Ministerpräsident. Wenn das Schule macht, zahlen dann bald vielleicht auch alle Binnenschiffer eine "Paddelabgabe" zu Gunsten des Hamburger Hafens? Oder alle Urlauber führen eine "Flügelmaut" zur Fertigstellung des BER ab?

Unser Straßennetz wird im Wesentlichen von uns in Anspruch genommen. Und deswegen richtet sich auch die Maut im Wesentlichen gegen den deutschen Autofahrer. Alle gegenteiligen Aussagen sind nur Lippenbekenntnisse, ebenso wie es einmal hieß die LKW-Maut sei eben kein Einstieg in eine Straßenbenutzungsgebühr und ebenso wie Frau Merkel einst betonte, dass es mit ihr keine Maut für PKWs geben würde.