Die Spekulationssteuer beim Immobilienverkauf

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Was müssen Verkäufer bei Veräußerungsgeschäften beachten?

Die Spekulationssteuer hat bestimmt schon jeder einmal gehört. Besonders beim Verkauf von Immobilien findet sie oft Erwähnung. Aber was genau ist die Spekulationssteuer und wann wird diese fällig? Rechtsanwalt Michael Krämer erklärt im Interview mit 123recht.de, was Verkäufer beachten müssen.

123recht.de: Herr Krämer, was ist die Spekulationssteuer?

Michael Krämer
seit 2019 bei
123recht.de
Rechtsanwalt
Lindenallee 35A
55590 Meisenheim am Glan
Tel: 01702047283
E-Mail:
Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, Erbrecht, Zivilrecht, Strafrecht, Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Sozialrecht, Immobilienrecht, Versicherungsrecht
Preis: 119 €
Antwortet: ∅ 16 Std. Stunden

Rechtsanwalt Krämer: Eine „Spekulationssteuer“ gibt es im deutschen Steuerrecht begrifflich nicht. Gemeint sind damit die Privaten Veräußerungsgeschäfte. Hierbei handelt es sich nur um eine Fallgruppe innerhalb der Sonstigen Einkünfte der Einkommensteuer. Der Begriff stammt noch aus einer Zeit, in der Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Wertpapieren, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als ein Jahr lag („Spekulationsfrist“), steuerfrei möglich war. Seit dem 01.01.2009 (Unternehmenssteuerreform 2008) unterliegen diese Gewinne, unabhängig von der Haltedauer, als Kapitaleinkünfte der Einkommensteuer (Abgeltungssteuer). Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen erfüllen in der Regel keinen Steuertatbestand und sind deshalb steuerfrei möglich. Das Einkommensteuerrecht sieht jedoch Ausnahmetatbestände vor. Dies sind Gewinne aus im Privatvermögen gehaltene Beteiligungen (z.B. an einer GmbH), aus Veräußerungen von Wertpapieren und aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter (Private Veräußerungsgeschäfte).

Private Veräußerungsgeschäfte unterliegen "Spekulationssteuer"

123recht.de: Wann ist ein Privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig?

Rechtsanwalt Krämer: Zu unterscheiden ist zunächst zwischen der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (Grundbesitz) und der Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern. Ein grundstücksgleiches Recht ist beispielsweise ein Erbbaurecht und ist in der Praxis eher selten anzutreffen. Bei Grundstücken liegt ein Privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre vergangen sind.

Bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstücken gilt diese Frist jedoch nicht, wenn das Wohnobjekt entweder seit der Anschaffung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder wenn es in den beiden Jahren vor der Veräußerung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Bei anderen Wirtschaftsgütern, die keine Grundstücke sind, liegt ein Privates Veräußerungsgeschäft nur vor, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als ein Jahr vergangen ist. Ausgenommen sind aber hier aber die Gegenstände des täglichen Gebrauchs.

123recht.de: Wo begegnet uns die „Spekulationssteuer“ heute?

Rechtsanwalt Krämer: Obwohl wir im Alltag häufig Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, beispielsweise auf Flohmärkten, Secondhand-Shops oder Internetauktionsplattformen, verkaufen, handelt es sich dabei in den seltensten Fällen um steuerpflichtige Private Veräußerungsgeschäfte. Dies liegt daran, dass es sich in den meisten Fällen um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie beispielsweise Kleidung und Unterhaltungsmedien handelt.

Zu beachten ist aber, dass davon solche Gegenstände nicht umfasst sind, die ein Wertsteigerungspotenzial aufweisen. In Betracht kommen deshalb Schmuck, Kunst, Antiquitäten und Oldtimer. Da aber der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung häufig länger als ein Jahr beträgt, sind auch Gewinne aus der Veräußerung dieser Gegenstände häufig nicht steuerpflichtig. In der Beratungspraxis konzentrieren sich die Rechtsfragen deshalb auf die Veräußerung von Grundbesitz. Zum einen sind die Gewinne, gerade in den letzten Jahren, erheblich gestiegen und zum anderen umfasst die „Spekulationsfrist“ einen Zeitraum (10 Jahre), der nicht so leicht zu prognostizieren ist. Nicht selten kommt es daher vor, dass schon vor Ablauf der zehn Jahre eine Veräußerung erfolgen soll, die ursprünglich so früh nicht geplant war.

Ein weiteres Beratungsfeld tut sich derzeit im Bereich des Handels mit Kryptowährungen auf. Auch diese sind als privates Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren und können deshalb grundsätzlich nach einem Jahr steuerfrei veräußert werden. Insgesamt ist es ein neues und sehr spannendes Feld, in dem sehr viele Rechtsfragen bislang ungeklärt sind. Eine Beratung ist hier zwingend erforderlich, weil damit nicht nur Risiken minimiert, sondern auch Chancen genutzt werden können.

Beim Hausverkauf mit Gewinn und weniger als zehn Jahren nach Kauf freut sich das Finanzamt

123recht.de: Wann genau wird diese Steuer beim Immobilienverkauf fällig?

Rechtsanwalt Krämer: Bei der Veräußerung von privatem Grundbesitz kommt es zu einer Belastung mit Einkommensteuer, wenn dieses als Privates Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren ist, also wenn zwischen dem Zeitpunkt der Veräußerung und der Anschaffung weniger als zehn Jahre vergangen sind und ein Gewinn erzielt worden ist.

123recht.de: Gibt es weitere Zeiträume, die für die Spekulationssteuer relevant sind?

Rechtsanwalt Krämer: Neben der einjährigen und der zehnjährigen Frist gibt es keine weiteren Zeiträume. Zu beachten ist aber, dass sich die einjährige Frist – für Wirtschaftsgüter, die keine Grundstücke sind - auf zehn Jahre verlängert, wenn das Wirtschafsgut kein Gegenstand des täglichen Gebrauchs ist und dieser zur Erzielung von Einkünften eingesetzt wird. Dies wäre beispielsweise bei einer Oldtimer-Vermietung der Fall. Diese Vorschrift hat der Gesetzgeber eingeführt, um Missbrauch vorzubeugen.

Auch geerbte Immobilien unterliegen der Schenkungssteuer

123recht.de: Was müssen Erben beim Hausverkauf beachten? Kann auch dort Spekulationssteuer anfallen?

Rechtsanwalt Krämer: Wird eine Immobilie geerbt oder unentgeltlich (durch Schenkung) erworben, gilt nichts anderes. Zu beachten ist lediglich, dass es dann darauf ankommt, wann der Erblasser oder Schenker die Immobilie erworben hat. Dieser Zeitpunkt ist dann für die Fristberechnung maßgeblich.

123recht.de: Was gilt, wenn die Immobilie nur mit Verlust verkauft wird?

Rechtsanwalt Krämer: Der Verlust aus einem solchen Geschäft lässt sich steuerlich nicht verwerten. Es ist nur möglich den Verlust mit einem Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften im Vorjahr (Verlustrücktrag) zu verrechnen oder den Verlust auf kommende Jahre vorzutragen (Verlustvortrag). Die Verrechnung mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten ist nicht möglich.

Die Höhe richtet nach dem persönlichen Einkommensteuertarif

123recht.de: Wie wird die Spekulationssteuer konkret berechnet?

Rechtsanwalt Krämer: Die Berechnung ist grundsätzlich sehr einfach. Es gilt die folgende Formel:

  • Veräußerungserlös
  • abzgl. Anschaffungskosten (inkl. Kaufnebenkosten, wie Grunderwerbsteuer, Notar etc.)
  • abzgl. nachträgliche Herstellungskosten (z.B. Renovierungen)
  • abzgl. Anteile des Betriebsvermögens (z.B. Arbeitszimmer).
  • zzgl. geltend gemachte Abschreibungen (bei Vermietung)
  • = zu Versteuernder Gewinn/Verlust

Die Höhe der Steuer richtet sich dann konkret nach dem persönlichen Einkommensteuertarif in Höhe von bis zu 45 Prozent („Reichensteuer“).

123recht.de: Wie wird die Steuer in der Praxis erhoben? Meldet sich das Finanzamt, bekomme ich direkt einen Bescheid, muss ich das proaktiv angeben?

Rechtsanwalt Krämer: Der erzielte Gewinn muss in der privaten Einkommensteuererklärung deklariert werden. Aufgrund der zahlreichen Besonderheiten und relativ hohen Beträge lohnt es sich fast immer – auch wenn man die Steuererklärung sonst selbst macht – an dieser Stelle einen steuerlichen Berater zu konsultieren.

123recht.de: Die Steuer kann ja ggf. schon recht hoch ausfallen, wie schnell muss man sie bezahlen?

Rechtsanwalt Krämer: Die Steuer entsteht mit Ablauf des Jahres, in dem die Veräußerung stattgefunden hat. Dies wäre, wenn Sie heute veräußern, der 31.12.2021. Ihre Steuererklärung müssen Sie bis zum 31.07.2022 (ohne steuerlichen Berater) bzw. 28.02.2023 (mit steuerlichem Berater) abgegeben haben. Erfahrungsgemäß wäre dann damit zu rechnen, dass diese innerhalb von zwei Monaten nach dem Abgabetermin zur Zahlung fällig ist.

123recht.de: Gibt es legale Möglichkeiten, die Spekulationssteuer zu umgehen?

Rechtsanwalt Krämer: Eine konkrete Umgehungsstrategie gibt es nicht. Dennoch ist es ratsam, sich frühzeitig beraten zu lassen, wenn eine Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Frist beabsichtigt ist. Oft lassen sich praktische Lösungsansätze, wie beispielsweise eine vorübergehende Vermietung, finden, die dazu führen, dass eine Besteuerung vermieden werden kann. Es ist aber immer erforderlich die Umstände des Einzelfalls zu analysieren, um hier gezielt beraten zu können. Das gleiche gilt bei der Veräußerung von zu eigenen Wohnzwecken genutztem Grundbesitz. Dies ist zwar steuerfrei möglich, jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Weil die Abgrenzung oft schwierig und mit Risiken verbunden ist, lohnt es sich auch hier, sich individuell beraten zu lassen.

123recht.de: Herr Krämer, wir bedanken uns ganz herzlich für das informative Gespräch.

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