Die betriebliche Altersversorgung
Mehr zum Thema: Experteninterviews, betriebliche, Altersversorgung, bAV, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, EntgeltumwandlungDie betriebliche Altersversorgung als Alternative zur staatlichen Rente?
Immer mehr Rentner bei gleichzeitig sinkenden, einzahlenden Arbeitnehmern belasten die Rentenkassen zukünftig noch stärker als bisher. Ist die betriebliche Altersversorgung eine zusätzliche sinnvolle Alternative, um den Lebensabend finanziell zu sichern? Welche Arten gibt es davon und was müssen Arbeitnehmer beachten? Rechtsanwalt Volkan Ulukaya erläutert im Interview mit 123recht.de, was Sie wissen müssen.
123recht.de: Herr Ulukaya, was ist eine betriebliche Altersversorgung und welche Arten gibt es?
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Rechtsanwalt Ulukaya: Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist als Absicherung der Arbeitnehmer:innen im Alter, bei Berufsunfähigkeit und auch zur Absicherung der Hinterbliebenen beim Tod des Arbeitnehmers gedacht. Sie enthält also die Zusage des Arbeitgebers, seine Beschäftigten auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses z.B. mit einer Betriebsrente zu versorgen. Sie dient der Absicherung des Lebensstandards des Arbeitnehmers und in der heutigen Zeit, v.a. der Füllung etwaiger Rentenlücken, die durch die niedrigeren gesetzlichen Renten zwangsläufig entstehen.
Es gibt 5 Durchführungsarten der bAV:
- die Direktzusage des Arbeitgebers als unmittelbare betriebliche Versorgungsleistung ohne Einbindung einer externen Versorgungseinrichtung,
- die Unterstützungskasse als mittelbare Versorgung über eine externe (meist als Verein geführte) Einrichtung,
- die Direktversicherung, z.B. in Form einer Lebensversicherung, in die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer einzahlt,
- die Pensionskasse als externe und rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die die Gelder verwaltet,
- die Pensionsfonds, die ebenfalls als externe Einrichtungen die Pensionsgelder verwalten und darüber hinaus z.B. am Kapitalmarkt anlegen.
123recht.de: Welche Gesetze regeln die betriebliche Altersvorsorge?
Rechtsanwalt Ulukaya: Grundlegend ist das Betriebsrentengesetz (BetrAVG genannt). Aber auch im Einkommensteuergesetz, in den Sozialgesetzbüchern und auch im Versicherungsrecht finden sich rechtliche Vorschriften für die bAV.
123recht.de: Was ist der Unterschied zwischen einer Betriebsrente und der betrieblichen Altersvorsorge?
Rechtsanwalt Ulukaya: Die Betriebsrente ist der Regelfall einer bAV, nämlich die monatlich ausgezahlte Versorgung. Aber in einigen Fällen ist auch eine Einmalzahlung möglich, darin besteht der Unterschied.
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltumwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge
123recht.de: Muss der Arbeitgeber eine betriebliche Altersvorsorge ermöglichen?
Rechtsanwalt Ulukaya: Ja, aber nur eine bAV im Wege einer sog. Entgeltumwandlung. Der pflichtversicherte (!) Arbeitnehmer muss dafür auf Teile seines Gehalts oder Sonderzahlungen verzichten. Über die Art der bAV bestimmt jedoch der Arbeitgeber.
Einen Anspruch auf Förderung der bAV durch Bezuschussung besteht bei Neuverträgen bzw. seit 2022 auch nur in Höhe von max. 15 Prozent der Entgelte, die der Arbeitnehmer umwandelt. Wenn der Arbeitnehmer also z.B. jährlich das Weihnachts- oder Urlaubsgeld in Höhe von 1000€ umwandelt, muss der Arbeitgeber max. 150€ bezuschussen. Allerdings zahlen die Arbeitgeber den Zuschuss meist nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern geben nur einen Teil der - durch die Entgeltumwandlung - ersparten Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung an die Beschäftigten weiter.
123recht.de: Was für Voraussetzungen müssen Arbeitnehmer erfüllen?
Rechtsanwalt Ulukaya: Das hängt von der jeweiligen Art der bAV ab. Arbeitgeber können z.B. bei Unterstützungskassen, Pensionsfonds bzw. Pensionskassen eine Versorgungsordnung (ggfl. mitbestimmt durch Betriebsrat) erlassen, die sowohl den Zugang zur bAV und die Voraussetzungen und Höhe einer Versorgung regelt. Üblich ist z.B. eine Mindestbetriebstreue, also eine bestimmte Betriebszugehörigkeit.
Betriebsrenten werden regelmäßig angepasst
123recht.de: Was sind die Vorteile und Nachteile einer betrieblichen Altersvorsorge?
Rechtsanwalt Ulukaya: Nicht zuletzt, weil die gesetzlichen Renten zukünftig vor gewaltigen Herausforderungen stehen, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die bAV zu stärken. So wurde der Zugang zur bAV erleichtert und die Absicherung der bAV in den vergangenen Jahren gestärkt.
Der Vorteil für die Beschäftigten liegt in der zusätzlichen Absicherung im Alters- oder Invaliditätsfall. Der Nachteil besteht darin, dass die Beschäftigten z.B. im Falle einer Entgeltumwandlung auf Teile ihres Entgelts verzichten müssen, um sich so eine bAV aufzubauen. In der Regel ist es auch nicht möglich, auf die bereits angesparten Beträge vor der regulären Auszahlung zuzugreifen. Einige Versorgungsarten haben eine sehr konservative Anlagestrategie oder litten in den vergangenen Jahren unter der Niedrigzinsphase. Im direkten Vergleich z.B. mit einem regelmäßigen Aktiensparplan kam es nicht selten vor, dass eine bAV – zumindest zeitweise – schlechter abschnitt. Dafür lag das Risiko niedriger, da die bAV im besonderen Maße gegen Zahlungsausfälle des Arbeitgebers abgesichert sind.
Ein großer Vorteil ist darin zu sehen, dass z.B. bei laufender Betriebsrente eine regelmäßige Anpassung erfolgen muss, vgl. § 16 BetrAVG. D.h., dass Arbeitgeber alle drei Jahre die laufend gezahlte Betriebsrente entweder an den Verbraucherpreisindex oder an die durchschnittliche Nettolohnentwicklung vergleichbarer Beschäftigter anpassen müssen. Im Kern muss der Arbeitgeber die Kaufkraft zu Beginn der Betriebsrenten erhalten und deshalb ständig anpassen.Nur bei schlechter wirtschaftlicher Lage ist er von dieser Pflicht entbunden. Allerdings sollten Betriebsrentner:innen eine unterbliebene Anpassung nicht einfach akzeptieren, sondern ggfl. innerhalb von 3 Monaten Widerspruch einlegen und sich beraten lassen, ob hier nicht doch eine Steigerung der Rente erfolgen muss. Ich führe z.B. gerade bundesweit ein Massenverfahren gegen eine deutsche Großbank, die eine Anpassung auf 2 %, statt auf mind. 11% vorgenommen hat. Das können und wollen die Betriebsrentner:innen zurecht nicht akzeptieren und klagen deshalb gegen die Anpassungsentscheidung. Ihnen hilft das Gesetz und ich helfe ihnen. diese Rechte durchzusetzen.
Unterm Strich würde ich also meinen, dass die Vorteile einer bAV regelmäßig überwiegen.
123recht.de: Wie viel kostet eine betriebliche Altersvorsorge?
Rechtsanwalt Ulukaya: Das ist höchst unterschiedlich und kann pauschal nicht beantwortet werden.
Die Auszahlung richtet sich nach der Versorgungsart
123recht.de: Wann und wie erfolgt die Auszahlung und wer zahlt die betriebliche Altersvorsorge aus?
Rechtsanwalt Ulukaya: Auch das hängt von der jeweiligen Versorgungsart ab. Im Erlebensfall ist z.B. die Betriebszugehörigkeit ausschlaggebend, ob man überhaupt sog. unverfallbare Anwartschaften aufgebaut hat. In der Regel wird die Auszahlung der bAV aber mit dem Eintritt in die Rente (egal ob Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente) verknüpft.
Auf die betriebliche Altersvorsorge fallen Einkommenssteuern und auch Sozialversicherungsbeiträge an
123recht.de: Fallen auf die betriebliche Altersvorsorge Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an?
Rechtsanwalt Ulukaya: Ja, bei der Auszahlung der bAV fallen Einkommenssteuern und auch Sozialversicherungsbeiträge an. Näheres hierzu sollte z.B. bei einer möglichen Einmalzahlung vorab mit einem/einer Steuerberaterin abgeklärt werden.
123recht.de: Was passiert mit der Rente, wenn der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber kündigt?
Rechtsanwalt Ulukaya: Grundsätzlich kann der/die Beschäftigte entscheiden, die bAV unter bestimmten Voraussetzungen auf einen neuen Arbeitgeber zu übertragen, vgl. § 4 BetrAVG.
Sog. unverfallbare Anwartschaften – das sind Ansprüche, die einem Beschäftigten nicht mehr genommen werden können – bleiben bestehen, auch bei einer Kündigung. Das regelt § 1b BetrAVG. Diese Ansprüche dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen, die in § 3 BetrAVG geregelt sind, abgefunden bzw. ausgezahlt werden. Hieran sollte v.a. bei einer Eigenkündigung gedacht werden.
123recht.de: Werden bei Jobwechsel die Verträge automatisch übernommen?
Rechtsanwalt Ulukaya: Nein, dies muss vom Beschäftigten innerhalb von 1 Jahr nach Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses verlangt werden. Näheres regelt § 4 Abs. 2 und 3 BetrAVG.
Die betriebliche Altersversorgung ist gegen Insolvenz abgesichert
123recht.de: Was passiert, wenn das Unternehmen insolvent wird?
Rechtsanwalt Ulukaya: Die bAV ist umfangreich gegen eine Insolvenz des Arbeitgebers abgesichert. In der Regel werden z.B. Pensionsfonds ausgelagert oder mittels eines Pensionssicherungsvereins rechtlich verselbständigt und gehören damit nicht zum Betriebsvermögen, auf das ein:e Insolvenzverwalter:in Zugriff hätte.
123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.
-Rechtsanwalt Volkan Ulukaya-
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