Die (elektronische) Patientenakte
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Patienten, Patientenakte, Einsicht, Arzt, elektronischWelche Information über den Patienten werden dokumentiert, wer darf Patientendaten einsehen?
Die Patientenakte ist eine Sammlung verschiedener Informationen, die Behandlungen von Patienten betreffen. Kann man dies einfach bei seinem Arzt einsehen? Was hat es mit der elektronischen Patientenakte auf sich? Rechtsanwalt Sascha Kugler erklärt im Interview mit 123recht.de, was Patienten wissen müssen.
123recht.de: Herr Kugler, was ist eine Patientenakte und was steht da drin?


seit 2006
Rechtsanwalt Kugler: Eine Patientenakte ist eine Sammlung von verschiedenen medizinischen Aufzeichnungen und Informationen über die gesundheitliche Verfassung eines Patienten. Sie enthält relevante Informationen, die Ärzte, Krankenhäuser und andere medizinische Fachkräfte während der Behandlung eines Patienten erstellen oder zusammentragen. Typische Einträge in einer Patientenakte können medizinische Diagnosen, Laborergebnisse, Behandlungsverlauf, Medikation, medizinische Bilder, Notizen von Ärzten und Pflegepersonal sowie andere relevante Gesundheitsinformationen sein.
Eine Patientenakte ist Pflicht
123recht.de: Müssen Ärzte eine Patientenakte anlegen?
Rechtsanwalt Kugler: Ärzte unterliegen schon aus haftungsrechtlichen Gründen einer Dokumentationspflicht. Es gilt die Regel, wer schreibt, der bleibt. Bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation greift im Falle des Vorwurfs eines Behandlungsfehlers eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten, so dass die Führung und Pflege der Patientenakte für den behandelnden Arzt essentiell ist.
123recht.de: Welche Daten werden in die Patientenakte aufgenommen?
Rechtsanwalt Kugler: Die Daten, die in die Patientenakte aufgenommen werden, können vielfältig sein und hängen von der jeweiligen Gesundheitsversorgung und der individuellen gesundheitlichen Situation des Patienten ab. Diese können allgemeine persönliche Informationen, medizinische Diagnosen, Behandlungsverlauf, Röntgenbilder, Labortests, Medikationsinformationen und vieles mehr umfassen.
Patienten steht ein gesetzliches Einsichtsrecht zu
123recht.de: Haben Patienten ein Recht auf Einsichtnahme?
Rechtsanwalt Kugler: Ja, der Patient hat gem. § 630g Abs. 1 BGB grundsätzlich das Recht – ohne besondere Angabe von Gründen – vollumfassend in die ihn betreffenden Patientenunterlagen Einsicht zu nehmen. Zudem handelt es sich bei der Gewährung der Einsicht in die Krankenunterlagen auch um eine berufsrechtliche Pflicht des Arztes, die in § 10 Abs. 2 BO abgebildet ist.
123recht.de: Darf man als Patient seine Patientenakte kopieren?
Rechtsanwalt Kugler: Ja, denn der Patient kann anstelle (oder neben) einer Einsichtnahme auch die Überlassung von elektronischen Abschriften bzw. die Überlassung von Kopien in Papierform gem. § 630g Abs. 2 BGB verlangen.
123recht.de: Darf der Arzt die Einsichtnahme ablehnen?
Rechtsanwalt Kugler: Dies ist nach § 630g Abs. 1 BGB bzw. § 10 Abs. 2 BO nur in begründeten Ausnahmefällen möglich, z.B. wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Dies ist bei therapeutischen Gründen etwa dann der Fall, wenn die begründete Gefahr besteht, dass durch die Einsichtnahme eine Behandlung in nicht nur geringfügigem Ausmaß nachteilig beeinflusst würde. Auch Rechte Dritter können entgegen stehen, wenn insbesondere in einer Eltern-Kind-Situationen bei der Abwägung der Patienteninteressen und den Interessen der Dritten an Geheimhaltung eine Rolle spielen.
123recht.de: Was können Patienten tun, wenn die Einsicht verweigert wird?
Rechtsanwalt Kugler: Wenn einem Patienten der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakte verweigert wird und dieser der Meinung ist, dass dies unrechtmäßig ist, kann der Patient rechtliche Schritte in Erwägung ziehen. Dies kann z.B. in Form einer anwaltlichen oder gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs und/oder gegebenenfalls durch Einreichung einer Beschwerde bei den zuständigen Aufsichtsbehörden erfolgen.
123recht.de: Dürfen Dritte, z.B. Angehörige, Einsicht nehmen?
Rechtsanwalt Kugler: Dritte, wie Angehörige oder andere Personen, dürfen in der Regel nur dann Einsicht in die Patientenakte nehmen, wenn der Patient ausdrücklich seine Zustimmung im Rahmen einer Vollmacht erteilt hat oder es eine gesetzliche Legitimation dafür gibt, wie zum Beispiel bei Minderjährigen oder bestellten Betreuern.
Die übliche Aufbewahrungspflicht liegt bei zehn Jahren
123recht.de: Besteht eine Aufbewahrungspflicht der Patientenakte?
Rechtsanwalt Kugler: Sämtliche ärztliche Aufzeichnungen sind gem. § 10 Abs. 3 BO, § 630f Abs. 3 BGB sowie für den vertragsärztlichen Bereich § 57 Abs. 2 BMV-Ä für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht, z.B. 30 Jahre bei Röntgenaufnahmen.
123recht.de: Gesundheitsminister Lauterbach plant die elektronische Patientenakte (ePA) Anfang 2025 für alle Patienten einzuführen. Was ist der Hintergrund?
Rechtsanwalt Kugler: Die geplante Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) durch Gesundheitsminister Lauterbach im Jahr 2025 hat primär den Hintergrund, die Verwaltung und den Zugriff auf Gesundheitsinformationen durch Digitalisierung zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Durch die Digitalisierung sollen Gesundheitsdaten leichter zugänglich und die Kommunikation zwischen verschiedenen medizinischen Einrichtungen verbessert werden, um den Patienten im Ergebnis besser behandeln zu können.
123recht.de: Wird die ePA Pflicht?
Rechtsanwalt Kugler: Seit Januar 2021 müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten bereits eine elektronische Patientenakte (ePA) anbieten. Die Planung sieht eine Pflicht vor, die Umsetzung ist jedoch hoch umstritten. Stichwort: gläserner Patient. Eine Verpflichtung gegen den Willen des Patienten dürfte im Ergebnis schwer in Einklang mit den geltenden Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung vereinbar sein.
123recht.de: Welche Informationen werden darin gespeichert und wer bestimmt das?
Rechtsanwalt Kugler: Sämtliche Informationen, die auch in einer analogen Patientenakte gespeichert sind.
Zugriff auf die elektronische Patientenakte hat nur der Patient
123recht.de: Wie funktioniert der Zugriff und wer kann die elektronische Patientenakte einsehen?
Rechtsanwalt Kugler: Grundsätzlich kann der Patient auf seine elektronische Patientenakte (ePA) nur selbst zugreifen. Der Patient kann aber Dritten Zugriff auf seine ePA erteilen. Dabei ist zu beachten, dass der Patient ggf. nicht nur einzelnen Personen wie z. B. der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt ein Einsichtsrecht erteilt, sondern bei größeren Leistungserbringern wie beispielsweise einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einem Krankenhaus umfasst dies neben dem behandelnden Arzt auch eine Vielzahl weiterer Personen z.B. des medizinischen Fachpersonals. Ein Zugriff darf jedoch nur erfolgen, soweit dies tatsächlich zu Behandlungszwecken erforderlich ist. Überdies ist jeder Zugriffsberechtigte gesetzlich verpflichtet, zu protokollieren, wer wann, auf welche Daten in der ePA zugegriffen hat.
123recht.de: Sind die Daten sicher?
Rechtsanwalt Kugler: Die Sicherheit der Daten in der elektronischen Patientenakte ist ein zentraler Aspekt und sorgt immer wieder für Diskussionsstoff. Eine 100 % Sicherheit gibt es nicht. Es sind bei der Verarbeitung aber umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen verpflichtend vorgeschrieben, um den Schutz der Gesundheitsinformationen zu gewährleisten. Dazu gehören z.B. Verschlüsselung, Zugriffskontrollen und Verarbeitung auf deutschen Servern.
123recht.de: Welche Vorteile werden sich von der ePA erhofft?
Rechtsanwalt Kugler: Die Hoffnung besteht darin, dass durch Digitalisierung z.B. Doppeluntersuchungen vermieden werden, Diagnosen durch den besseren Informationsfluss genauer gestellt werden können und auch der Patient seinen Gesundheitszustand besser im Blick hat.
123recht.de: Gibt es auch Bedenken?
Rechtsanwalt Kugler: Es gibt erhebliche Bedenken gerade von Seiten der Datenschützer. So hat der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Herr Ulrich Kelber, jüngst kritisiert, dass unklar sei, wer bestimmte Daten einspeise und wie man sie eventuell sperren könne. Offen sei etwa auch, ob Daten aus psychotherapeutischer Behandlung einfließen sollten und welche Möglichkeiten die Patienten bekämen, schnell ihre Daten anzuschauen oder zu löschen.
123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.
Rechtsanwalt und Partner
DEKRA zertifizierte Fachkraft für Datenschutz
TÜV - zertifizierter Compliance Officer
LIGANT Rechtanwälte und Notar
Kurfürstendamm 136
10711 Berlin
Tel.: 030 880 340 0
Fax: 030 880 340 31
kugler@ligant.de
www.ligant.de
www.itm-dsgvo.de
www.easy-hinweis
