"Die wichtigste Folge der Eheschließung ist die gegenseitige Unterhaltspflicht"

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Verlobung, Namensänderung, Ehegattensplitting, Schlüsselgewalt und Erbrecht – die rechtlichen Folgen einer Ehe

Der Sommer ist Hochzeitszeit, aber auch den Rest des Jahres geben sich viele Paare das Jawort. Grund für eine Hochzeit ist die Liebe zweier Menschen füreinander. Die Eheschließung ist aber nicht nur eine Herzensangelegenheit. Viele Dinge ändern sich. Ein Interview mit Rechtsanwältin Anja Holzapfel, Fachanwältin für Familienrecht, rund um das Thema Eheschließung.

123recht.de: Frau Holzapfel, was genau ist eine Verlobung? Was muss ich tun um mich zu verloben und ist eine Verlobung bindend?

Rechtsanwältin Holzapfel: Eine Verlobung ist ein Vertrag, mit dem zwei Personen sich gegenseitig versprechen, die Ehe miteinander einzugehen. Dieser Vertrag ist formfrei; durch einen Heiratsantrag und dessen Annahme erfolgt die Verlobung.

Grundsätzlich ergibt sich aus der Verlobung die Verpflichtung zur Eheschließung. Die Eheschließung kann allerdings trotz der Verlobung nicht erzwungen werden.

123recht.de: Wenn mein Partner die Verlobung auflöst, kann ich die Geschenke zurückfordern? Wer übernimmt die etwaig entstandenen Kosten der Hochzeit?

Rechtsanwältin Holzapfel: Bei der Auflösung der Verlobung kann jeder der Partner das zurückfordern, was er dem anderen geschenkt hat (§ 1301 BGB). Hinsichtlich der Kosten der Hochzeit gilt das Verschuldensprinzip: Derjenige, der die Verlobung auflöst, ist dem anderen zum Schadensersatz verpflichtet. Er muss also die Aufwendungen ersetzen, die der andere in Erwartung der Ehe gemacht hat.
Wenn die Auflösung der Verlobung allerdings auf ein Verschulden des anderen Teils zurückzuführen ist, so trifft diesen die entsprechende Schadensersatzpflicht.

Die Ehefähigkeitsprüfung beinhaltet den Nachweis einer aufgelösten Vorehe

123recht.de: Was ist das Aufgebot und was beinhaltet die Ehefähigkeitsprüfung?

Rechtsanwältin Holzapfel: Der Begriff „Aufgebot" ist eine veraltete Bezeichnung für die Anmeldung der beabsichtigten Eheschließung beim zuständigen Standesamt gem. § 12 PStG. Ursprung ist die "öffentliche Verkündung" der bevorstehenden Ehe.

Im Rahmen der Ehefähigkeitsprüfung prüft das Standesamt, bei dem die Eheschließung angemeldet ist, ob der Eheschließung ein Hindernis entgegensteht. Es werden also die Ehevoraussetzungen geprüft. Durch öffentliche Urkunden müssen die Eheschließenden ihren Personenstand, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, ihre Staatsangehörigkeit und die Auflösung eventueller Vorehen bzw. eingetragener Lebenspartnerschaften nachweisen.

123recht.de: Was ist der Unterschied zwischen standesamtlicher und kirchlicher Trauung? Ist beides notwendig?

Rechtsanwältin Holzapfel: In Deutschland gilt die so genannte Zivilehe. Das bedeutet, dass die Wirkungen der Eheschließung nur durch die standesamtliche Eheschließung eintreten. Die kirchliche Eheschließung hingegen hat keine rechtlichen Konsequenzen und ist im rechtlichen Sinne auch nicht „notwendig", um wirksam verheiratet zu sein.

123recht.de: Der große Tag. Warum muss ich unbedingt "Ja" sagen? Und warum muss ich unterschreiben?

Rechtsanwältin Holzapfel: Die Eheschließung ist ein familienrechtlicher Vertrag, der allerdings einer besonderen Form bedarf. Deshalb müssen die zukünftigen Ehepartner vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Im Anschluss an die Abgabe dieser Erklärungen muss der Standesbeamte dies in einer Niederschrift beurkunden, die dann von den Ehegatten unterschrieben werden muss. Diese Formvorschriften sind im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Personenstandsgesetz geregelt.

Gegenseitige Unterhaltspflicht und Ehegattenerbrecht

123recht.de: Was ändert sich mit dem Jawort? Welche Rechte und Pflichten resultieren aus einer Ehe?

Rechtsanwältin Holzapfel: Die wichtigsten Folgen der Eheschließung sind die gegenseitige Unterhaltspflicht und das Ehegattenerbrecht.

Mit der Eheschließung entsteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht, die für die Zeit des Zusammenlebens, aber auch für die Zeit nach einer Trennung und – in vielen Fällen – für die Zeit nach der Scheidung der Ehe gilt.

Durch die Eheschließung wird jeder Ehepartner für den Fall, dass der andere vor ihm verstirbt, gesetzlicher Erbe; je nach familiärer Konstellation gegebenenfalls mit anderen Personen zusammen, z.B. Kindern oder Eltern des Verstorbenen. Durch ein Testament kann zwar der Ehepartner enterbt werden, auch in diesem Fall stünde ihm jedoch ein so genannter Pflichtteil zu.

Ein weiterer Unterschied besteht bezüglich des Sorgerechts gemeinsamer Kinder: Wenn die Eltern eines Kindes bei dessen Geburt miteinander verheiratet sind, besteht automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Bei nicht miteinander verheirateten Eltern steht der Mutter das Sorgerecht allein zu, wenn die Eltern nicht ausdrücklich eine Sorgeerklärung im Sinne des § 1626a BGB abgeben, nach der sie die elterliche Sorge gemeinsam ausüben wollen.

123recht.de: Wieso ändert sich die Steuerklasse und was ist Ehegattensplitting?

Rechtsanwältin Holzapfel: Die Eheschließung berechtigt zur gemeinsamen Veranlagung der Ehegatten. Bei der Berechnung der Steuerpflicht wird die Splittingtabelle zugrundegelegt, das heißt, das insgesamt erzielte Einkommen wird so behandelt, als wenn jeder von beiden genau die Hälfte des Gesamteinkommens verdient. Das nennt man Ehegattensplitting. Wegen der Steuerprogression ist dies für Ehen, in denen ein Partner mehr verdient als der andere, vorteilhaft.

Um diesen Steuervorteil nicht erst im Folgejahr bei der Steuererklärung, sondern bereits im laufenden Jahr zu realisieren, kann sich der besser verdienende Ehepartner die Steuerklasse III eintragen lassen. Er erhält dann als Freibetrag nicht nur sein eigenes steuerfreies Existenzminimum, sondern auch den Freibetrag des Partners. Dessen Einkünfte werden dann nach Steuerklasse V versteuert. Je größer die Einkommensdifferenz zwischen den Ehepartnern, umso größer ist die Gesamtersparnis bei der Steuer.

Ehevertrag ist sinnvoll, wenn die gesetzlichen Regelungen nicht passen

123recht.de: Was ist ein Ehevertrag, was regelt dieser? Wann ist ein Ehevertrag sinnvoll?

Rechtsanwältin Holzapfel: In einem Ehevertrag können die Parteien für die Zeit der Ehe, aber auch für den Fall einer eventuellen Trennung und Scheidung Regelungen treffen. Z. B. können die gegenseitigen Unterhaltspflichten geregelt werden. Weiterhin wird häufig der Güterstand abweichend vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft geregelt oder der Versorgungsausgleich, der bei einer Scheidung durchzuführen wäre, ausgeschlossen oder modifiziert.

Eine Vereinbarung ist immer dann sinnvoll, wenn die gesetzlichen Regelungen nicht zu der persönlichen Situation passen. Das kann – um nur ein Beispiel zu nennen - bei Selbständigen der Fall sein, die befürchten müssen, dass ihr Unternehmen im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung bewertet werden muss und dass für eine eventuelle Wertsteigerung im Laufe der Ehe dann ein hoher Zugewinnausgleich zu zahlen ist, der möglicherweise die Liquidität gefährdet.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, zunächst durch einen auf Familienrecht spezialisierten Anwalt oder durch einen Notar überprüfen zu lassen, ob die gesetzlichen Regelungen im Fall von Trennung und Scheidung für die eigene familiäre und berufliche Situation angemessen sind. Wenn dies nicht der Fall ist, kann durch eine vertragliche Regelung eine individuelle Lösung erzielt werden, die Rechtssicherheit schafft.

123recht.de: Ich hab geheiratet und den Namen meines Mannes angenommen. Was muss ich nun tun?

Rechtsanwältin Holzapfel: Derjenige, der den Namen seines Partners annimmt, sollte seine Vertragspartner informieren, mit denen er Dauerschuldverhältnisse eingegangen ist. Dies gilt besonders für Banken und Versicherungen, aber auch für den Arbeitgeber. Üblicherweise genügt die Übersendung der Heiratsurkunde und der Bescheinigung über den Ehenamen in Kopie.

123recht.de: Wenn ich nicht sofort einen neuen Personalausweis habe, wie unterschreibe ich in der Zwischenzeit z.B. bei Kartenzahlung?

Rechtsanwältin Holzapfel: Der Ehename gilt ab der Eheschließung. Richtig ist es daher, wenn derjenige, dessen Name sich ändert, ab der Heirat auch diesen Namen im Rechtsverkehr benutzt.

Sinnvoll ist, sich vorher mit den Banken, von denen man Kreditkarten besitzt, in Verbindung zu setzen, damit möglichst frühzeitig auf den Ehenamen ausgestellte Scheck- oder Kreditkarten bestellt werden. Unmittelbar nach der Heirat können dann, unter Vorlage der Bescheinigung über den Ehenamen, die neuen Karten abgeholt oder zugeschickt werden.

123recht.de: Normal ist, dass man nach der Hochzeit in die Flitterwochen fliegt. Bis zum Abflug hat man meist noch nicht den neuen Pass. Kann ich mit dem alten Pass reisen?

Rechtsanwältin Holzapfel: Mit der Namensänderung bei der Eheschließung wird der alte Pass ungültig. Empfehlenswert ist deshalb folgende Vorgehensweise: Wenn die Eheschließung beim Standesamt angemeldet wird (s. Ziffer 3), erhalten die zukünftigen Eheleute eine Bescheinigung über das Vorliegen der Ehevoraussetzungen, das vereinbarte Heiratsdatum und die beabsichtigte Namensänderung. Damit kann derjenige, dessen Name sich ändert, bereits einen neuen Reisepass und einen neuen Personalausweis beantragen. Die neuen Ausweispapiere können dann unmittelbar nach der Eheschließung abgeholt werden.

Schlüsselgewalt: Ehepartner kann auch ohne Unterschrift mitverpflichtet werden

123recht.de: Warum muss ich so oft angeben, ob ich verheiratet bin? Bspw. bei Finanzierungsverträgen. Ich kaufe doch für mich.

Rechtsanwältin Holzapfel: Bei manchen Verträgen wird der Ehepartner, auch wenn er nicht selbst unterschreibt, mit verpflichtet. Das ergibt sich aus § 1357 BGB, der regelt, dass „Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie" auch mit Wirkung für den anderen Ehepartner abgeschlossen werden können (sog. „Schlüsselgewalt"). Das kann auch bei Finanzierungsverträgen der Fall sein. Aus diesem Grunde möchte der Vertragspartner wissen, ob er noch einen zweiten Vertragspartner hat, nämlich den anderen Ehegatten.

Darüber hinaus benötigt jeder Ehepartner dann die Einwilligung des anderen, wenn er über sein Vermögen im Ganzen verfügt, § 1365 BGB. Das kann z.B. bei der Veräußerung einer Immobilie der Fall sein. In solchen Fällen wird gefragt, ob der Betreffende verheiratet ist, um die Einwilligung des anderen Ehepartners einholen zu können.

123recht.de: Vielen Dank Frau Holzapfel!

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