Generelle Informationen zum Unterhalt

Mehr zum Thema: Experteninterviews, Unterhalt, Kinder, Freibeträge, Unterhaltspflichtige, Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt
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Berechnung, Freibeträge, Erwerbsobliegenheit - Was muss der Unterhaltspflichtige beachten?

Bei der Frage nach Unterhalt denken viele sicher direkt an Unterhalt für den Expartner oder den Kindesunterhalt. Aber ist das schon alles? Und welche grundlegenden Informationen betreffen die Frage nach Unterhalt noch so? Rechtsanwalt Timm Jacobsen erläutert im Interview mit 123recht.de die Grundlagen.

123recht.de: Herr Jacobsen, welche Arten von Unterhalt gibt es?

Timm Jacobsen
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Rechtsanwalt Jacobsen: Es gibt verschiedene Arten von Unterhalt, je nachdem, in welcher Situation sich die Beteiligten befinden. Während der Ehe gibt es den Ehegattenunterhalt, bei dem beide Ehegatten verpflichtet sind, zur gemeinsamen Lebensführung beizutragen. Sobald sich die Ehepartner trennen, kann einer von ihnen Anspruch auf Trennungsunterhalt haben, damit der bisherige Lebensstandard bis zur Scheidung weitgehend erhalten bleibt. Nach der Scheidung gibt es den nachehelichen Unterhalt, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen – zum Beispiel, wenn jemand wegen der Betreuung eines Kindes oder aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Neben dem Ehegattenunterhalt gibt es auch den Kindesunterhalt, den der Elternteil zahlen muss, der das Kind nicht hauptsächlich betreut. Außerdem kann unter Umständen Elternunterhalt fällig werden, wenn ein pflegebedürftiger Elternteil nicht mehr selbst für sich aufkommen kann und die Kinder finanziell einspringen müssen.

Je nach Unterhaltsart erfolgt die Berechnung nach unterschiedlichen Methoden

123recht.de: Wie wird der Unterhaltsbetrag berechnet?

Rechtsanwalt Jacobsen: Das hängt davon ab, um welche Art von Unterhalt es geht. Beim Kindesunterhalt orientiert man sich an der sog. Düsseldorfer Tabelle, die das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und das Alter des Kindes berücksichtigt. Beim Ehegattenunterhalt wird in der Regel nach der sogenannten Halbteilungsmethode gerechnet: Man nimmt die bereinigten Nettoeinkommen beider Ex-Partner, addiert sie und teilt sie dann durch zwei. Derjenige mit dem höheren Einkommen zahlt dem anderen die Differenz. Bei nachehelichem Unterhalt und Trennungsunterhalt gibt es noch einen Erwerbstätigenbonus, der demjenigen zugute kommt, der arbeitet. Beim Elternunterhalt wird geprüft, wie viel das unterhaltspflichtige Kind selbst zum Leben benötigt, wobei ein hoher Selbstbehalt gilt.

Unterhaltspflichtigen stehen Freibeträge zu

123recht.de: Gibt es Freibeträge?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja, niemand muss Unterhalt zahlen, wenn er dadurch selbst nicht mehr genug zum Leben hätte. Es gibt für verschiedene Unterhaltsarten aber unterschiedliche Selbstbehalte. Zum Beispiel hat ein unterhaltspflichtiger Elternteil beim Kindesunterhalt einen Selbstbehalt oder einen Freibetrag von mindestens 1.450 Euro, wenn er arbeitet. Falls er nicht arbeitet, liegt der Selbstbehalt niedriger, nämlich bei 1.200 Euro. Beim Familienunterhalt gibt es keine festen Zahlen, aber die Leistungsfähigkeit und der notwendige Eigenbedarf sind zu berücksichtigen. Beim Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt beträgt der Selbstbehalt für den Eigenbedarf 1.600 Euro falls erwerbstätig und 1.475 Euro, wenn nicht erwerbstätig.

Ohne Bedürftigkeit kein Unterhalt

123recht.de: Gibt es Konstellationen, in denen keine Unterhaltspflicht besteht?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja, die gibt es! Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass derjenige, der Unterhalt fordert, auch wirklich bedürftig sein muss. Wer genug eigenes Einkommen oder Vermögen hat, kann keinen Unterhalt verlangen. Ein Unterhaltsanspruch kann auch verwirkt werden, zum Beispiel, wenn sich der Ex-Partner in einer neuen, verfestigten Partnerschaft befindet oder wenn er dem Unterhaltspflichtigen schweres Fehlverhalten vorzuwerfen hat – etwa körperliche Gewalt oder eine Straftat. Außerdem gibt es Grenzen der Leistungsfähigkeit. Wenn jemand nicht genug verdient oder aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten kann, kann es sein, dass er keinen Unterhalt zahlen muss.

Unterhaltspflichtige müssen sich um eine angemessene Tätigkeit bemühen

123recht.de: Können Unterhaltspflichtige gezwungen werden, sich einen Job oder einen besser bezahlten Job zu suchen?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja, das nennt man Erwerbsobliegenheit. Wer grundsätzlich arbeiten kann, muss sich um eine angemessene Tätigkeit bemühen. Wenn jemand absichtlich arbeitslos bleibt oder nur einen schlecht bezahlten Job annimmt, obwohl er mehr verdienen könnte, kann man unter Umständen sogar eine Straftat nach § 170 StGB wegen Verletzung der Unterhaltspflicht begehen. Das Familiengericht kann dann ein fiktives Einkommen ansetzen. Das heißt, es wird so getan, als würde die Person ein bestimmtes Einkommen erzielen, und der Unterhalt wird danach berechnet. Aber das gilt nicht, wenn jemand wirklich unverschuldet gehindert ist, zu arbeiten – zum Beispiel, wenn jemand krank ist oder kleine Kinder betreut, kann ihm nicht zugemutet werden, Vollzeit zu arbeiten.

Bei Erwerbsminderung kann Unterhaltspflicht entfallen

123recht.de: Welche Auswirkungen kann eine Erwerbsminderung haben?

Rechtsanwalt Jacobsen: Eine Erwerbsminderung kann dazu führen, dass der Unterhalt entweder sinkt oder ganz entfällt. Das hängt davon ab, ob die Person eine Erwerbsminderungsrente bekommt, noch teilweise arbeiten kann oder Vermögen hat. Falls sie noch einer Beschäftigung nachgehen kann, wird geprüft, ob sie mit dieser Arbeit zumindest einen Teil des Unterhalts zahlen kann. Wenn jemand aber dauerhaft nicht mehr arbeiten kann, kann das bedeuten, dass er von der Unterhaltspflicht befreit wird.

Pflegebedürftigkeit kann eine Rolle spielen

123recht.de: Hat Pflegebedürftigkeit eine Auswirkung auf den Unterhalt / Versorgungsausgleich?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja, Pflegebedürftigkeit kann durchaus eine Rolle spielen. Wenn jemand selbst pflegebedürftig wird, kann er möglicherweise keinen Unterhalt mehr zahlen, weil er sein Einkommen für seine eigene Pflege benötigt. Beim Versorgungsausgleich, also der Aufteilung der Rentenanwartschaften nach einer Scheidung, kann die Pflegezeit berücksichtigt werden, insbesondere wenn ein Ehegatte während der Ehe einen anderen gepflegt hat. Auch beim Elternunterhalt spielt Pflegebedürftigkeit eine Rolle– wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird und die Heimkosten nicht selbst zahlen kann, kann es sein, dass die Kinder einspringen müssen.

Bei Nichtzahlung können ernste Konsequenzen drohen

123recht.de: Wie kann man die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen vorantreiben, wenn nicht gezahlt wird?

Rechtsanwalt Jacobsen: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Falls ein Unterhaltstitel vorliegt, also eine gerichtliche Entscheidung oder eine Jugendamtsurkunde, kann direkt eine Zwangsvollstreckung eingeleitet werden. Dazu gehören Lohn- und Kontopfändungen. Falls es um Kindesunterhalt geht, kann man beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss beantragen – das bedeutet, der Staat zahlt und holt sich das Geld später vom Unterhaltspflichtigen zurück. In extremen Fällen kann auch eine Strafanzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB) gestellt werden.

Anpassung von Unterhaltszahlungen

123recht.de: Können Unterhaltspflichtige die Anpassung von Unterhaltszahlungen bei veränderten Lebensumständen verlangen? Wie erfolgt das?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja, Unterhaltszahlungen sind nicht in Stein gemeißelt. Wenn sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ändert – sei es durch Jobverlust, Gehaltserhöhung oder neue Unterhaltspflichten –, kann der Unterhalt angepasst werden. Das kann entweder einvernehmlich geregelt werden oder es muss ein Antrag auf Abänderung beim Familiengericht eingereicht werden, falls sich die Parteien nicht einigen. So ein Verfahren geht aber schneller, als wenn der erste Unterhalt bestimmt wird.

Unterhaltsberechtigte haben einen Auskunftsanspruch

123recht.de: Bestehen Auskunftsansprüche über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja! Es gibt Auskunftsansprüche für die Unterhaltsberechtigten nach §§ 1580, 1605 BGB. Das bedeutet, dass der Unterhaltsberechtigte regelmäßig – in der Regel alle zwei Jahre – verlangen kann, dass der Pflichtige seine Einkommensverhältnisse offenlegt. Falls sich das Einkommen wesentlich geändert hat, kann auch schon früher eine Auskunft gefordert werden. In Ausnahmefällen muss der Unterhaltsverpflichtete sogar von sich aus über grundlegende Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse informieren, etwa weil er geerbt oder im Lotto gewonnen hat.

123recht.de: Wie erfolgt die Vollstreckung von Unterhaltstiteln?

Rechtsanwalt Jacobsen: Unterhaltstitel werden genauso vollstreckt wie andere Forderungen auch. Die Besonderheiten des Unterhaltstitels werden schon bei der Höhe des Anspruches berücksichtigt. Das heißt, man muss auch dann den Weg über den Gerichtsvollzieher oder Gericht gehen, um in Konten zu pfänden.

123recht.de: Wird Naturalunterhalt berücksichtigt?

Rechtsanwalt Jacobsen: Ja, insbesondere wenn es um Kinder geht. Ein Elternteil, der das Kind betreut, erfüllt seinen Unterhaltsanteil durch Naturalunterhalt, also durch Erziehung, Betreuung und Versorgung. In solchen Fällen muss nur der andere Elternteil Barunterhalt zahlen.

Beim Wechselmodell sind beide Elternteile unterhaltspflichtig

123recht.de: Welche Auswirkung auf die Unterhaltspflicht besteht bei gemeinsamer Betreuung von Kindern?

Rechtsanwalt Jacobsen: Wenn ein sog. Wechselmodell besteht, also beide Elternteile das Kind etwa gleich viel betreuen, wird der Unterhalt anteilig nach den Einkommen beider Eltern berechnet. Das bedeutet, dass nicht automatisch einer allein Unterhalt zahlt, sondern beide entsprechend ihrem Verdienst zur Versorgung des Kindes beitragen. Auch zusätzliche Kosten wie doppelte Kinderzimmer oder Kleidung können dabei berücksichtigt werden. Hier gab es in den letzten Jahren die meisten Änderungen, um die gemeinsame Erziehung zu fördern.

123recht.de: Vielen Dank für die wertvollen Informationen.

Rechtsanwalt Timm Jacobsen

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