Hat der Mieter ein Rücktrittsrecht vom Mietvertrag?

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Wie können Mieter sich von einem bestehenden Mietvertrag lösen?

Ein Mietvertrag ist unterschrieben oder per Handschlag besiegelt - und dann ist auf einmal doch alles ganz anders. Es kommt zu unerwarteten Änderungen im Leben, ihr Chef versetzt Sie ins Ausland, sie ziehen beruflich in eine neue Stadt, eine plötzliche Trennung vom Partner. Und nun? Kann man vom frisch abgeschlossenen Mietvertrag einfach zurücktreten oder diesen auf andere Art und Weise auflösen? Rechtsanwalt Leon Beresan erklärt im Interview mit 123recht.de, was es zu beachten gibt.

Beim Mietvertrag besteht kein Widerrufsrecht

123recht.de: Herr Beresan, Mieter unterschreiben Mietverträge und wollen dann doch nicht mehr. Was für Möglichkeiten haben sie?

Leon Beresan
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Rechtsanwalt Beresan: Ein abgeschlossener Mietvertrag ist grundsätzlich wirksam, also für beide Seiten bindend. Hat es sich der Mieter bei einem unbefristeten Mietvertrag dann doch anders überlegt, besteht lediglich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Frist von drei Monaten, § 573 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung bleibt bei Vorliegen wichtiger Gründe vorbehalten, § 543 Abs. 1 S. 1 BGB.

Ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB besteht lediglich bei so genannten Haustürgeschäften (§ 312b BGB), also wenn der Vermieter oder ein Mitarbeiter der Hausverwaltung den Mieter zu Hause aufsucht und diesem einen neuen Mietvertrag „aufdrängt". In diesem Fall besteht ein Widerrufsrecht innerhalb von vierzehn Tagen, beginnend ab dem Zeitpunkt, in dem der Mieter schriftlich über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

123recht.de: Ein Rücktritt vom Mietvertrag ist nicht möglich?

Rechtsanwalt Beresan: Es besteht kein gesetzliches Recht, von einem Mietvertrag zurückzutreten. Ein vertragliches Rücktrittsrecht ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

„Rücktrittsrecht muss ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart sein"

123recht.de: Wie sehen diese Voraussetzungen aus? Wann kann man vom Mietvertrag zurücktreten?

Rechtsanwalt Beresan: Das Rücktrittsrecht muss ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart sein und sich auf die Zeit bis zur Überlassung der Mietsache beziehen. Soweit dabei auf die Nennung der Rücktrittsgründe verzichtet wurde, gestaltet sich der Rücktritt unproblematisch. Das gilt sowohl für Mieter als auch für Vermieter.

Wurde ein Rücktrittsrecht hingegen nicht vertraglich vereinbart, ist ein Rücktritt vor Einzug nur bei gegenseitigem Einverständnis durch einen Mietaufhebungsvertrag möglich.

Nach dem Einzug in die Wohnung bleibt wiederum lediglich die Möglichkeit einer ordentlichen oder – bei Vorliegen eines wichtigen Grunds – außerordentlichen Kündigung.

123recht.de: Was wären die Folgen eines wirksamen Rücktritts?

Rechtsanwalt Beresan: Die Wirkungen des Rücktritts sind in § 346 Abs. 1 BGB genannt. Demnach sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Soweit der Mieter etwa bereits eine Mietkaution bzw. den ersten Mietzins gezahlt hat, hat er im Falle eines wirksamen Rücktritts also einen Anspruch auf Rückzahlung der entsprechenden Beträge in voller Höhe. Das Mietobjekt darf in diesem Fall nicht vom Mieter bezogen werden.

Der Rücktritt sollte aus Beweisgründen immer schriftlich erfolgen

123recht.de: Muss der Mieter Formvorschriften beim Rücktritt beachten?

Rechtsanwalt Beresan: Der Rücktritt erfolgt gemäß § 349 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil und bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch stets die Schriftform.

123recht.de: Wenn nur die ordentliche Kündigung bleibt, kann es zu einer Kündigung vor Einzug durch den Mieter kommen. Wann beginnt dann die dreimonatige Frist zu laufen? Ab Kündigung, oder ab geplantem Beginn des Mietvertrags?

Rechtsanwalt Beresan: Wann die Frist für eine vor dem Einzug erklärte ordentliche Kündigung beginnt, hängt insbesondere von den Vereinbarungen der Vertragsteile ab. Kann eine Abrede hierüber nicht festgestellt werden, so beginnt die Kündigungsfrist mit dem Zugang der Kündigungserklärung.

Die Notwendigkeit einer - unter Umständen ergänzenden - Vertragsauslegung kann sich vor allem aus der Interessenlage der Vertragsteile ergeben. So etwa, wenn der Vermieter - erkennbar für den Mieter - größere Aufwendungen gemacht hat, die im Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen, und er erwarten durfte, durch die Miete, die sein Vertragspartner zahlen sollte, einen wirtschaftlichen Ausgleich zu erhalten. In diesem Fall beginnt die Kündigungsfrist ab geplantem Beginn des Mietvertrages.

(vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1979 – VIII ZR 88/78 –, BGHZ 73, 350-355).

Auch mündliche Mietverträge sind gültig

123recht.de: Was gilt bei mündlichen Zusagen, wenn der Mieter dann doch wegen bestimmter Klauseln im Mietvertrag absagt? Ist der Mieter dem Vermieter dann schadensersatzpflichtig?

Rechtsanwalt Beresan: Ein Mietvertrag kann auch in mündlicher Form rechtswirksam geschlossen werden. Die Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages trägt der Vermieter.

Eine wirksame mündliche Annahme des Mietangebots führt dazu, dass der Mieter den Mietzins entrichten muss. Es besteht dann, wie bereits erläutert, lediglich eine Kündigungsmöglichkeit, wobei im Normalfall die Frist von drei Monaten eingehalten werden muss. Der Mieter sollte deshalb grundsätzlich zunächst die Gelegenheit nutzen, sich über die Konditionen und Regelungen des Mietvertrages zu verständigen.

Eine Schadensersatzforderung des Vermieters kommt in Betracht, wenn sich die Vermietung des Mietobjekts aufgrund der Weigerung des Mieters, den Mietvertrag einzuhalten, verzögert. Sinnvoll erscheint eine solche Forderung jedoch lediglich dann, wenn das Mietobjekt nachweislich zu einem höheren Mietzins vermietet werden könnte, als dem Mieter ursprünglich angeboten. Andernfalls würde sich auch die Schadensersatzforderung auf die Zahlung des Mietzinses für drei Monate beschränken.

Ein Mietvertrag kann wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung angefochten werden

123recht.de: Kann man einen Mietvertrag anfechten?

Rechtsanwalt Beresan: Ja, dies ist nach den allgemeinen Anfechtungsregeln der §§ 119 ff. BGB möglich.

In Betracht kommt zunächst eine Anfechtung gemäß § 119 BGB. Demnach kann sowohl der Vermieter als auch der Mieter seine auf den Abschluss eines Mietvertrags gerichtete Willenserklärung anfechten, wenn er bei der Abgabe der Erklärung über deren Inhalt im Irrtum war. Die Anfechtung muss in diesem Fall unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erklärt werden, § 121 Abs. 1 S. 1 BGB.

Im Falle einer arglistigen Täuschung über wesentliche Umstände (§ 123 BGB) steht der getäuschten Partei zudem sowohl ein Anfechtungs- als auch ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung zu. Eine arglistige Täuschung kann etwa dann bejaht werden, wenn der Mieter beim Vertragsschluss in der Selbstauskunft über seine finanziellen Verhältnisse lügt. Soweit gegen den Mieter ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist er verpflichtet, dies dem Vermieter ungefragt zu offenbaren. Auch den Vermieter treffen beim Vertragsabschluss Offenbarungspflichten zu Besonderheiten der Mietsache, die sich auf den Vertragszweck auswirken. Falsche Angaben hierüber können den Vorwurf einer arglistigen Täuschung begründen.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt (§ 124 BGB).

123recht.de: Vielen Dank Herr Beresan für das informative Gespräch.