Kinder im Straßenverkehr

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Bis zu welchem Alter sind Kindersitze Pflicht, dürfen Kinder auf dem Radweg fahren? Mit Fahrradhelm oder ohne und was bedeutet der ausgestreckte Arm am Zebrastreifen?

Sie sind klein, schnell und unberechenbar: Kinder. Dadurch sind sie im Straßenverkehr die gefährdetsten Teilnehmer. Wie können bzw. müssen wir die kleinen Leute schützen, was sagt der Gesetzgeber?

Kinder in den Kindersitz!

123recht.de: Herr Neubauer, ich bin passionierte Autofahrerin und bringe meine Kinder auf diesem Wege von A nach B. Was muss ich hier bzgl. Anschnallpflicht, Kindersitz und "vorne sitzen" beachten?

Rechtsanwalt Neubauer: Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, die kleiner als 150 cm sind, dürfen in Pkw auf allen Sitzen, für die Sicherheitsgurte vorgeschrieben sind, grundsätzlich nur unter Benutzung eines amtlich genehmigten Kindersitzes mitgenommen werden.

Dies bedeutet, dass ein Kind nach Vollendung des 12. Lebensjahres grundsätzlich keine Rückhalteeinrichtung benötigt, auch wenn dieses kleiner als 150 cm ist. Gleiches gilt für Kinder unter 12 Jahren, sofern diese größer als 150 cm sind. In diesen Fällen dürfen die Kinder auf allen Sitzen befördert werden, somit auch grundsätzlich auf dem Beifahrersitz. Dabei müssen sie die vorgeschriebenen Sicherheitsgurte für Erwachsene anlegen. Das Amtsgericht Köln hat insoweit entschieden, dass der Fahrzeugführer auch während der Fahrt darauf zu achten hat, dass das Kind angeschnallt bleibt (AG Köln, Urteil vom 14.03.2005, Az.: 809 OWi 723/04).

Ausnahmsweise erlaubt die Straßenverkehrsordnung die Sicherung eines Kindes ab Vollendung des dritten Lebensjahres durch einen Sicherheitsgurt für Erwachsene, wenn neben diesem bereits zwei weitere Kinder in einem Kindersitz befördert werden und für eine weitere Rückhalteeinrichtung kein Raum mehr zur Verfügung steht.

Verfügt das Fahrzeug über keine Sicherheitsgurte, so dürfen Kinder unter drei Jahren nicht mitgenommen werden. Nach Vollendung des dritten Lebensjahrs müssen Kinder, die kleiner als 150 cm sind, zwingend auf dem Rücksitz befördert werden.

123recht.de: Mein Mann benutzt gern das Fahrrad. Muss er, um unsere Tochter mitzunehmen, unbedingt einen Kindersitz benutzen? Wo muss der montiert werden?

Rechtsanwalt Neubauer: Die Mitnahme von Kindern auf dem Fahrrad ist nur auf besonderen Sitzen zulässig. Zudem muss durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen gewährleistet sein, dass die Füße des Kindes keinesfalls in die Speichen des Fahrrads hineingeraten können. Dabei lässt der Gesetzgeber offen, ob der Kindersitz vorne zwischen Lenker und Fahrer oder aber hinten am Fahrrad montiert wird. Alternativ dürfen bis zu zwei Kinder in einem hinter dem Fahrrad befindlichen Anhänger mitgenommen werden.

Mitfahren auf Papas Fahrrad nur für unter 7-jährige

123recht.de: Gelten noch weitere Regeln oder Normen, die beachtet werden müssen, z.B. Alters- oder Gewichtsgrenzen?

Rechtsanwalt Neubauer: Auf Fahrrädern dürfen gemäß § 21 Abs. 3 StVO grundsätzlich nur Kinder unter 7 Jahren mitgenommen werden.Dies gilt sowohl für die Beförderung mittels Kindersitz oder Fahrradanhänger. Die Altersbegrenzung entfällt jedoch, sofern behinderte Kinder transportiert werden. Der Fahrer des Fahrrads muss mindestens 16 Jahre alt sein. Fahrradsitze, die vorne montiert werden, sind bis zu einem Körpergewicht von 15 kg zugelassen; die zulässige Belastbarkeit heckseitiger Fahrradkindersitze liegt bei 22 kg.

123recht.de: Herrscht eine Helmpflicht für Kinder als Mitfahrer?

Rechtsanwalt Neubauer: Anders als in den europäischen Nachbarländern – wie beispielsweise in Österreich – herrscht in Deutschland grundsätzlich keine Helmpflicht für Fahrradfahrer. Daher müssen auch Kinder, die auf dem Fahrrad mitgenommen werden, keinen Helm tragen. Das Transportieren eines Kindes ohne Fahrradhelm im Kindersitz eines Fahrrads stellt nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Celle auch kein grob fahrlässiges Verhalten dar(OLG Celle, Urteil vom 11.06.2008, Az.: 14 U 179/07).

Kinder unter 8 radeln ausschließlich auf dem Gehweg

123recht.de: Wie ist das bei Kindern, die schon selbst radeln? Müssen bzw. dürfen die auf der Straße fahren? Und wie sieht es hier mit der Helmpflicht aus?

Rechtsanwalt Neubauer: Gemäß § 2 Abs. 5 StVO müssen Kinder bis zur Vollendung des achten Lebensjahrs zwingend die Gehwege benutzen. Kinder in einem solchen Alter sind somit grundsätzlich von der Fahrbahn oder dem Radweg ausgeschlossen, da sie aufgrund ihres entwicklungsbedingten Verkehrsunverständnisses auf der Fahrbahn besonders gefährdet sind.

Beim Überqueren der Fahrbahn müssen Kinder absteigen. Dies bedeutet, dass das Fahrrad an einer Kreuzung oder Einmündung geschoben werden muss.

Zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr dürfen Kinder zum Rad fahren die Gehwege benutzen. Sie können aber auch wahlweise auf der Fahrbahn oder einem Radweg fahren.

Kinder ab 10 Jahren dürfen den Gehweg nicht mit dem Fahrrad befahren, sondern müssen die Fahrbahn oder einen eventuell vorhandenen Fahrradweg benutzen.

Da für Radfahrer von Gesetzes wegen keine Helmpflicht besteht, müssen auch Kinder grundsätzlich keinen Fahrradhelm verwenden. Der Bundesgerichtshof hat jüngst entschieden, dass jedenfalls einen erwachsenen Radfahrer bei einem Unfall im Jahre 2011 mangels allgemeinen Verkehrsbewusstseins bezüglich der Obliegenheit, einen Fahrradhelm zu tragen, kein Mitverschulden treffe (BGH, Urteil vom 17.06.2014, Az.: VI ZR 281/13).Die Obliegenheit, einen Helm zu tragen, dürfte jedoch zwischen Kindern und Erwachsenen unterschiedlich zu behandeln sein.

Nach einer im Jahre 2013 durchgeführten Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen trugen bereits 3/4 der Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren einen Fahrradhelm, so dass ein allgemeines Verkehrsbewusstsein hier – im Gegensatz zu erwachsenen Verkehrsteilnehmern – durchaus nahe liegt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Gerichte in aktuellen Fällen bei Fahrradunfällen von Kindern, die keinen Schutzhelm tragen, von einem Mitverschulden ausgehen werden.

123recht.de: Kommen wir zu den kleinen Fußgängern. Die meisten werden wohl mit ihrer Einschulung zum ersten Mal allein auf den Gehwegen unterwegs sein. Gibt es hier ebenfalls bestimmte Regeln für Kinder?

Bei rot stehen, bei grün gehen!

Rechtsanwalt Neubauer: Fußgänger haben grundsätzlich den Gehweg zu benutzen, sofern dieser vorhanden ist. Kinder sollten dabei auf der von der Fahrbahn abgewandten, sicheren Seite laufen.

Fehlt ein Gehweg, ist am äußeren Fahrbahnrand zu gehen. Dabei besteht außerorts Linksgehpflicht, da sich der Fußgänger besser auf den ihm dann entgegenkommenden Verkehr einstellen kann.

Vor und beim Überschreiten der Fahrbahn muss der Fahrverkehr in beide Richtungen äußerst sorgfältig beachtet werden. Kinder sollten stets am Gehwegrand stehenbleiben und mehrfach nach links und rechts schauen, bevor sie die Straße überqueren. Grundsätzlich ist die Fahrbahn zügig und auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten.

Bei haltenden Bussen oder Straßenbahnen sollten Kinder die Straßenseite stets hinter dem Fahrzeug wechseln, um für die Teilnehmer des fließenden Verkehrs nicht verdeckt zu werden.

Bei dichterem Verkehr darf die Fahrbahn nur an Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Markierungen von Ampeln oder auf Fußgängerüberwegen überquert werden.

Für Kinder empfiehlt es sich natürlich, stets gekennzeichnete Straßenüberwege – wie Ampelanlagen oder Zebrastreifen – zu benutzen. An Ampeln darf die Straße nur bei Grün und innerhalb der Markierungen überschritten werden.

123recht.de: Ich sehe gelegentlich Kinder, die am Zebrastreifen den Arm nach vorne strecken. Was hat es damit auf sich?

Rechtsanwalt Neubauer: Ein Kind, das an einem Zebrastreifen den Arm ausstreckt, bekundet regelmäßig seine Absicht, die Straße überqueren zu wollen. Dabei blicken Kinder oft auch explizit in Richtung des heranfahrenden Fahrzeugs, um dadurch ihre Absicht, den Zebrastreifen benutzen zu wollen, noch einmal deutlich zu signalisieren.

Reflektierende Kleidung ist sinnvoll

123recht.de: Bin ich als Elternteil haftbar, wenn meinem Kind ein Unfall geschieht und es nicht ausreichend reflektierend gekleidet war?

Rechtsanwalt Neubauer: Bis zur Vollendung des 10. Lebensjahrs sind Kinder bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen nicht verantwortlich, es sei denn, es liegt eine vorsätzliche Herbeiführung des Verkehrsunfalls vor. Eltern können jedoch dann in Anspruch genommen werden, wenn ihnen eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vorgeworfen werden kann.

Das Tragen von heller und reflektierender Kleidung im Straßenverkehr ist für Kinder grundsätzlich sinnvoll, da diese so besser durch Verkehrsteilnehmer wahrgenommen werden können. Eltern sind jedoch von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, ihre Kinder mit speziell reflektierender Kleidung auszustatten. Auch zählt die Auswahl bestimmter Kleidung nicht zu der den Eltern obliegenden Aufsichtspflicht, so dass eine Haftung insoweit abzulehnen ist.

123recht.de: Vielen Dank Herr Neubauer!