Kindergeld - wer bekommt wieviel?

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Unterhalt, Wechselmodell, Ausland - Wer bekommt Kindergeld und welche Bedingungen müssen erfüllt sein?

Dass Familien mit Kindern für diese Kindergeld beziehen können, dürfte den meisten Lesern bekannt sein. Doch auf welcher Grundlage wird es eigentlich gezahlt und wie ist es bei getrennten Eltern geregelt? Und bekommen auch im Ausland lebende Kinder Kindergeld? Rechtsanwältin Thurid Neumann weiß mehr:

123recht.de: Frau Neumann, wo ist das Kindergeld geregelt?

Thurid  Neumann
Partner
seit 2016
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Beyerlestr. 1
78464 Konstanz
Tel: 07531917791
Web: http://www.neumann-und-neumann.de
E-Mail:

Rechtsanwältin Neumann: Das Kindergeld ist in den §§ 62 ff Einkommenssteuergesetz für unbeschränkt Steuerpflichtige und im Bundeskindergeldgesetz für beschränkt Steuerpflichtige geregelt. Das Kindergeld ist als Steuervergütung anzusehen.

123recht.de: Wer hat einen Anspruch auf Kindergeld?

Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz hat, wer

  • im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

  • ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, oder

  • als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

Die Beurteilung der Steuerpflicht obliegt dem jeweiligen Finanzamt. Hierfür müssen mindestens 90% der Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, nicht den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S.2 Nr. 1 EStG übersteigen.

Es kommt also nicht nur auf den Wohnort oder den gewöhnlichen Aufenthalt an, sondern auch auf die Steuerpflicht. Wer danach im Ausland arbeitet, aber im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, hat Anspruch auf Kindergeld. Wer im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, hat dennoch Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder so behandelt wird.

Unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. § 62 Abs. 2 EStG) kann auch ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld erhalten.

Nicht nur für leibliche Kinder kann Kindergeld bezogen werden

123recht.de: Welche Kinder bekommen Kindergeld?

Rechtsanwältin Neumann: Als Kinder werden berücksichtigt:

  • leibliche Kinder

  • Pflegekinder

  • adoptierte Kinder

  • vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten

  • vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

123recht.de: Für welchen Zeitraum besteht Anspruch auf Kindergeld?

Rechtsanwältin Neumann: Ein Kindergeldanspruch besteht mindestens vom Kalendermonat an, in dem das Kind geboren wird bis zum 18. Lebensjahr.

Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Ein Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat wird berücksichtigt, wenn es

  • für einen Beruf ausgebildet wird oder sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und zum Beispiel der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer liegt.

  • eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann

  • ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes leistet

  • wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

123recht.de: Wie viel Kindergeld wird gezahlt?

Rechtsanwältin Neumann: Das Kindergeld beträgt aktuell (2018) monatlich für erste und zweite Kinder jeweils 194 Euro, für dritte Kinder 200 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 225 Euro.

Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt

123recht.de: Wer bekommt das Kindergeld ausbezahlt?

Rechtsanwältin Neumann: Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt.

Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Bei einer Trennung der Eltern bekommt also der Elternteil das Kindergeld, in dessen Haushalt das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat.

Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten.

Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt. Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll.

123recht.de: Wer bekommt das Kindergeld bei einem Wechselmodell?

Rechtsanwältin Neumann: Die Familienkasse bezahlt das Kindergeld immer nur an einen Elternteil aus.

50% des Kindergeldes entfallen auf den Betreuungsunterhalt, 50% auf den Barunterhalt.

Der Elternteil, der das Kindergeld nicht von der Familienkasse erhält, kann immerdie Auskehrung eines Viertels verlangen, da er bei einem Wechselmodell auch 50% der Betreuung übernimmt. Wer auch die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils verlangt, muss die Anteile der Eltern am Barunterhalt darlegen und beweisen. Dazu sind die Einkommensverhältnisse beider Seiten offenzulegen (BGH, Beschluss v. 20.04.2016, XII ZB 45/15).

123recht.de: Warum wird Kindergeld auf den Kindesunterhalt angerechnet?

Rechtsanwältin Neumann: Da 50% des Kindergeldes auf den Betreuungsunterhalt entfallen und 50% auf den Barunterhalt und der Elternteil, der das Kind betreut, das Kindergeld erhält, wird das Kindergeld hälftig vom Kindesunterhaltsbetrag, der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt, in Abzug gebracht. So bekommt der Elternteil, der den Barunterhalt bezahlt, 50% des Kindergeldes.

Kindergeld wird bei der Familienkasse beantragt

123recht.de: Wo beantragt man das Kindergeld?

Rechtsanwältin Neumann: Die Familienkasse ist zuständig für die Prüfung der Ansprüche auf Kindergeld. Welche Familienkasse zuständig ist, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Wohnort oder dem gewöhnlichen Aufenthalt.

123recht.de: Bekomme ich auch rückwirkend Kindergeld?

Rechtsanwältin Neumann: Das Kindergeld wird rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.

123recht.de: Wie ändert man die Auszahlung des Kindergeldes?

Rechtsanwältin Neumann: Wer Kindergeld beantragt oder erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen.

Wechselt also ein Kind in den Haushalt des anderen Elternteils, so muss dies der bisher kindergeldberechtigte Elternteil unverzüglich der Familienkasse mitteilen. Der nun neu kindergelberechtigte Elternteil muss einen entsprechenden Antrag auf Kindergeld bei der Familienkasse stellen.

Solange der außereuropäische Auslandsaufenthalt kürzer als ein Jahr ist, gibt es weiterhin Kindergeld

123recht.de: Was ist, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat?

Rechtsanwältin Neumann: Eine weitere Voraussetzung für den Bezug des Kindergeldes ist, dass das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes hat, egal, ob die Ansprüche aus dem Einkommenssteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz abgeleitet werden.

123recht.de: Was ist, wenn das Kind im Ausland ein Austauschjahr macht oder im Ausland studiert?

Rechtsanwältin Neumann: Ist das Kind zum Beispiel wegen einer Schul- oder Berufsausbildung oder einem Studium in einem Staat außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums, besteht der Anspruch auf Kindergeld in der Regel problemlos weiter, wenn die Auslandsaufenthalte von weniger als einem Jahr sind, da es dann seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält. Bei längeren Auslandsaufenthalten hängt der Anspruch von den Inlandsaufenthalten des Kindes ab, also z.B. von den Besuchen während der Semesterferien.

123recht.de: Was ist mit Diplomatenkindern?

Rechtsanwältin Neumann: Hat das Kind in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, lebt aber im ausländischen Haushalt seiner Eltern (Kind lebt im Haus eines Diplomaten im Ausland), besteht der Anspruch auf Kindergeld, wenn die Eltern im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind.

123recht.de: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Frau Neumann.

Thurid Neumann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Mediatorin

Kanzlei Neumann & Neumann
Beyerlestr. 1
78464 Konstanz

Tel.: 07531 / 91 77 91
mail: mail@neumann-und-neumann.de

www.neumann-und-neumann.de
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