Kündigung der Tagesmutter - und jetzt?

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Wenn die Tagesmutter auf einmal kündigt oder Eltern unzufrieden sind: Das müssen Betroffene wissen.

Die Tagesmutter kündigt fristlos. Darf sie das einfach so, ist der genannte Grund ausreichend? Unabhängig davon stehen die Eltern pötzlich ohne Betreuung da und können nicht zur Arbeit. Was ist zu tun und kann man sich wehren? Worauf müssen Eltern achten, wenn sie selbst der Tagesmutter kündigen wollen? 123recht.de im Gespräch mit Rechtsanwältin Judith Hiller.

123recht.de: Frau Hiller, viele Eltern nehmen eine Tagesmutter in Anspruch. Kommen dann zwei Verträge zustande, wenn die Betreuung auf Vermittlung der Stadt erfolgt?

Rechtsanwältin Hiller: Sollten sich Eltern für die Betreuung durch eine Tagesmutter entscheiden, kommen tatächlich zwei separate Verträge zustande, wobei ein Vertrag jeweils mit der Tagesmutter und den Eltern geschlossen wird und ein Vertrag zwischen den Eltern und dem jeweiligen Träger, häufig die Stadt. Die Tagesmutter wird dabei durch die Elternbeiträge sowie einem Zuschuss durch die Träger finanziert. Die Mehrheit der Tagesmütter hat einen Träger im Hintergrund, der als Beratungsstelle dient. Die Eltern müssen aufgrund dessen zwei Verträge abschließen.

Beide Verträge haben dabei unterschiedliche Inhalte, wobei der Vertrag mit der Tagesmutter eher darauf abzielt, das Verhältnis zwischen Tagesmutter, Eltern und Kind zu regeln, während der Vertrag mit dem Träger darauf abzielt, die finanzielle Komponente zu klären.

Unterschiedliche Kündigungsfristen beachten

123recht.de: Wie stellt sich allgemein die Kündigungssituation in dieser Konstellation dar? Was muss man bedenken, wenn man kündigen möchte?

Rechtsanwältin Hiller: Bei Inanspruchnahme einer Tagesmutter ist es wichtig zu beachten, dass innerhalb der beiden Verträge jeweils unterschiedliche Kündigungsfristen vorhanden sein können. Jeder Vertrag ist aufgrund der Vertragsautonomie individuell gestaltet, so dass sowohl die Tagesmutter als auch der Träger in seinen jeweiligen Verträgen unterschiedliche Kündigungsfristen verankert haben kann. Es müssen daher zwei Kündigungen geschrieben und versandt werden und jeweils die Kündigungsfrist Beachtung finden.

123recht.de: Wie sollte die Kündigung übergeben werden? Persönlich, wenn möglich, oder per Einschreiben mit Rückschein?

Rechtsanwältin Hiller:Für die Übergabe einer Kündigung gibt es verschiedene Varianten, wobei ein normaler Brief jederzeit ausreichend erscheint. Dabei sollte jedoch als Absender beachtet werden, dass im Fall des Streites der Versender nachweisen muss, dass das Kündigungsschreiben versandt und beim Empfänger eingegangen ist.

Um solche Streitigkeiten vorzubeugen, würde man immer empfehlen, dass eine Kündigung per Einschreiben mit Rückschein versandt wird. Damit hat der Versender die Möglichkeit und den Nachweis, dass das Schreiben rechtzeitig eingegangen ist.

Eine persönliche Übergabe durch den Kündigenden steht dem Einschreiben mit Rückschein gleich, wobei man bei dieser Variante beachten sollte, dass man sich vom Empfänger den Erhalt des Kündigungsschreibens bestätigen und quittieren lässt und dies am besten auf dem eigenen Kündigungsschreiben, welches man vorliegen hat.

123recht.de: Wie verhält sich das Ganze, wenn man gekündigt wird?

Rechtsanwältin Hiller: Selbstverständlich kann jede Vertragspartei den Vertrag lösen und kündigen. Dies kann sowohl von den Eltern als auch von den Tagesmüttern oder den Trägern ausgehen. Sofern nur ein Vertrag, so z.B. von der Tagesmutter aufgekündigt wird, da diese den Beruf der Tagesmutter aufgibt, existiert der Vertrag mit dem Träger weiterhin. Dieser müsste durch den Träger oder die Eltern separat gekündigt werden. Die Eltern können in dieser Situation im Gespräch mit dem Träger eine anderweitige Betreuung durch eine bislang unbeteiligte Tagesmutter besprechen. Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig. Vielmehr muss darauf geachtet werden, dass eine weitere Kündigung notwendig wird.

Fristlose Kündigung nur in Ausnahmefällen möglich

123recht.de: Die Tagesmutter kündigt unerwartet fristlos. Geht das? Unter welchen Voraussetzungen?

Rechtsabwältin Hiller: Es ist für alle Vertragsparteien immer grundsätzlich möglich, einen Vertrag fristlos zu beenden. Diese rechtliche Möglichkeit darf durch eine individuelle Vertragsgestaltung nicht ausgeschlossen werden. Die Tagesmutter kann somit zu diesem Mittel greifen, jedoch sind an eine fristlose Kündigung Bedingungen geknüpft, denn nicht jeder Grund ist für eine fristlose Kündigung geeignet. Es muss ein schwerwiegender Grund vorliegen, der dazu geeignet ist, sich sofort und ohne Einhaltung einer Frist vom Vertrag zu lösen.

Es muss daher eine Abwägung stattfinden, ob es einer Vertragspartei unzumutbar ist, weiterhin mit dem anderen Vertragspartner den Vertrag durchzuführen. Dafür kommen lediglich Ausnahmetatbestände in Betracht, so u.a. die fortlaufend nicht entrichteten Beiträge der Eltern für den Platz bei der Tagesmutter oder Gewalt bei der Übergabe des Kindes gegenüber der Tagesmutter oder den anderen betreuten Kindern. Sollte ein so schwerwiegender Grund nicht ersichtlich sein, ist eine fristlose Kündigung nicht möglich, sondern lediglich eine fristgerechte.

123recht.de: Was ist die Folge, wenn man fristlos gekündigt wird und selbst mit der Kündigung nicht einverstanden ist?

Rechtsanwältin Hiller: Sofern die Tagesmutter eine fristlose Kündigung ausspricht bedeutet dies, dass das Kind am nächsten Tag nicht mehr betreut wird. Die Eltern haben dann lediglich die Möglichkeit, sich an den Träger zu wenden, um dort einen Gesprächstermin zu erhalten, bei dem die Situation besprochen wird. Daneben ist es auch möglich, eine Feststellung über den Fortbestand des Betreuungsverhältnisses bei dem zuständigen Gericht einzureichen, wobei dabei beachtet werden muss, dass dies sehr zeitaufwendig ist und bis zu einer endgültigen Entscheidung keine Betreuung stattfindet. Es handelt sich also um eine gerichtliche Möglichkeit, aber dabei ist für die Eltern zu beachten, dass eine Betreuungsleistung während der Verfahrensdauer nicht erfolgen wird.

Schadensersatzanspruch gegenüber Tagesmutter ist schwer nachzuweisen

123recht.de:Macht sich die Tagesmutter u.U. schadensersatzpflichtig, wenn ein Erziehungsberechtigter dann kurzfristig zuhause bleiben muss, weil keine Ersatzbetreuung gefunden wird?

Rechtsanwältin Hiller: Es ist in der Situation zu differenzieren, denn die Eltern sind grundsätzlich allein dazu angehalten, eine Betreuung für das Kind zu besorgen. Eine Schadensersatzpflicht kann nur dann entstehen, wenn die Tagesmutter gegen einen Vertrag verstoßen hat oder sie mit ihrem Verhalten das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum des anderen verletzt hat.

Ein Anspruch kann sich dann aus dem Betreuungsvertrag ergeben. Dabei ist abzuschätzen, auf was der Schadensersatzanspruch gestützt werden soll, ob entgangenes Arbeitsentgelt oder auf zusätzliche Kosten für die Betreuungsleistung. Die Kosten für die Ersatzbetreuung werden sicherlich nicht erstattungsfähig sein, da ab fristloser Kündigung durch die Eltern keine Beiträge mehr für die Tagesmutter geleistet werden. Es verbleibt lediglich ein Schadensersatzanspruch auf entgangenen Arbeitslohn. Dafür müsste jedoch im Vorfeld feststehen, dass keine Ersatzbetreuung gefunden wurde und die eigene Betreuung die einzig verbliebene Variante war und dabei ein Schaden durch Arbeitsausfall entstanden ist.

Die Argumentation im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist sehr umfangreich und muss detailliert widergeben, dass keine andere Variante der Betreuung zur Verfügung stand und diese Situation wird schwer nachweisbar sein.

"Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Elternteil freizustellen"

123recht.de: Wie wirkt sich die Situation auf das Arbeitsverhältnis aus? Ein Elternteil wird zwangsläufig zumindest vorübergehend nicht arbeiten können.

Rechtsanwältin Hiller: Der Elternteil, der aufgrund eines aufgekündigten Betreuungsvertrages zuhause bleiben muss, kann entweder Urlaubstage einsetzen, Überstunden in Freizeit umtauschen oder unbezahlte Freistellung bei seinem Arbeitgeber beantragen.

Dabei ist es entscheidend, ob der Arbeitgeber so kurzfristig Urlaub gewährt und ob überhaupt noch Urlaubstage zur Verfügung stehen. Daneben ist relevant, ob ein Verzicht auf einen Angestellten für eine Firma tragbar und möglich ist. Sollten diese Varianten mit dem Arbeitgeber nicht möglich sein, ergibt sich nur noch die Möglichkeit einer Kündigung. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Elternteil freizustellen.

Eltern können Betreuungsplatz einklagen

123recht.de: Man steht nach einer Kündigung ohne Betreuung dar - was ist mit einem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz?

Rechtsanwältin Hiller: Ab dem 01. August 2013 haben Kinder schon ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zum dritten Lebensjahr einen einklagbaren Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege.

Diese Neuerungen wurden durch das Kinderförderungsgesetz (KiföG) eingeführt. Dessen Ziel ist es, den Ausbau von Betreuungsangeboten voran zu treiben. Wörtlich heißt es im Gesetz § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII:

"Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege."

Klar geregelt ist also, dass ein einklagbarer Anspruch auf einen Kitaplatz oder eine Tagesmutter besteht. Eindeutig ist insofern auch, dass ein Wahlrecht der Eltern besteht, ob Tagesmutter oder Kitaplatz. Allerdings eingeschränkt auf bereits vorhandene Plätze. Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung besteht nicht.

Den Eltern kann damit empfohlen werden, einen Betreuungsplatz einzuklagen. Die Klage kann jedoch nicht darauf gerichtet werden, dass den Eltern bei einem fehlenden Betreuungsplatz ein Arbeitsausfall zusteht, da dies gerade nicht aus dem Gesetzwortlaut herausgelesen werden kann.

123recht.de: Vielen Dank Frau Hiller.