Kurzarbeit wegen Covid 19

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Was sind die Voraussetzungen und wer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld während der Corona-Krise?

Einige kennen es aus der Baubranche, doch zur Zeit der Corona-Krise taucht der Begriff "Kurzarbeit" auch in vielen anderen Branchen auf. Aber was ist Kurzarbeit eigentlich genau? Wir haben Rechtsanwalt Michael Krämer gefragt:

Kurzarbeit kann branchenunabhängig eingeführt werden.

123recht.de: Herr Krämer, was verbirgt sich hinter dem Begriff Kurzarbeit? Müssen Angestellte in der Zeit nur halbtags arbeiten?

Michael Krämer
seit 2019 bei
123recht.de
Rechtsanwalt
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Tel: 01702047283
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Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, Erbrecht, Zivilrecht, Strafrecht, Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Sozialrecht, Immobilienrecht, Versicherungsrecht
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Rechtsanwalt Krämer: Kurzarbeit bedeutet, dass die regelmäßige Arbeitszeit in einem Betrieb aufgrund eines erheblichen Arbeitsausfalls vorübergehend verringert wird.

123recht.de: Kann in jeder Branche Kurzarbeit angemeldet werden?

Rechtsanwalt Krämer: Ja, Kurzarbeit kann branchenunabhängig eingeführt werden.

123recht.de: Unter welchen Voraussetzungen?

Rechtsanwalt Krämer: Die Bewilligung von Kurzarbeitergeld setzt zunächst einen erheblichen Arbeitsausfall mit Entgeltausfall als Hauptvoraussetzung voraus. Der erhebliche Arbeitsausfall liegt grundsätzlich vor, wenn mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer im Betrieb mit einem Entgeltausfall in Höhe von mehr als 10 Prozent betroffen sind. Aktuell ist diese Hürde auf 10 Prozent der Arbeitnehmer abgesenkt worden.

Der Arbeitsausfall muss auf externen Gründen beruhen und darf kein typisches Unternehmerrisiko darstellen. Ausgeschlossen sind deshalb branchenübliche, betriebsübliche oder saisonale Arbeitsausfälle. Der Arbeitsausfall darf auch nur vorübergehender Natur sein. Letztlich muss der Arbeitsausfall auch unvermeidbar sein. Vermeidbar könnte er beispielsweise sein, wenn Ansprüche auf Urlaub bestehen oder der Arbeitgeber den Beschäftigten im Betrieb Tätigkeiten zuweisen kann, die weitestgehend unabhängig von der Auftragslage sind, wie beispielsweise die Wartung von Maschinen.

Üblicherweise (ohne Covid-19-Sonderregeln) müsste der Arbeitgeber die Arbeitszeitkonten auch negativ werden lassen, um Arbeitsausfälle zu vermeiden; dies insbesondere in Branchen in denen mit Nachholeffekten zu rechnen ist.

Daraus folgt, dass ein Betrieb Kurzarbeit nicht einfach so anmelden kann, weil die "Geschäfte nicht so gut laufen". Es muss sich um unabwendbare äußere Ereignisse handeln.

Kurzarbeit dient der Verhinderung von Arbeitslosigkeit

123recht.de: Die Alternative zu Kurzarbeit wäre also die Kündigung?

Rechtsanwalt Krämer: Der Hauptzweck dieser Entgeltersatzleistung besteht in der Verhinderung von Arbeitslosigkeit und der Stabilisierung bestehender Beschäftigungsverhältnisse. Es handelt sich um eine von Arbeitnehmern und Arbeitgebern (über die Arbeitslosenversicherung) beitragsfinanzierte Versicherungsleistung, die auch nur sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zugute kommt.

Aufgrund der strengen Regelungen handelt es sich deshalb nicht um eine Subvention, sondern um eine Versicherungsleistung und ist mit Sofort-Hilfen nicht direkt vergleichbar. Außerhalb der aktuellen Pandemie musste der Arbeitgeber die auf das Kurzarbeitergeld entfallenden Sozialabgaben selbst tragen. So war sichergestellt, dass die Beschäftigungsmöglichkeit auch für die Zukunft gesichert ist. Es wäre für den Arbeitgeber wirtschaftlich unvernünftig, Sozialabgaben zu tragen, obwohl er dem Mitarbeiter langfristig keine Beschäftigung bieten kann. Dieser Mechanismus wird aktuell dadurch ausgehebelt, dass das auch Sozialabgaben durch die Agentur für Arbeit erstattet werden.

Die Arbeitszeit kann bis auf Null reduziert werden

123recht.de: Muss der Arbeitnehmer sich auf die Kurzarbeit einlassen?

Rechtsanwalt Krämer: Voraussetzung für die Einführung von Kurzarbeit in Bezug auf die Mitarbeiter ist, dass dies arbeitsrechtlich wirksam vereinbart wird. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers ist nur in Fällen möglich, in denen im Arbeitsvertrag diese Möglichkeit ausdrücklich vereinbart wurde. Ohne arbeitsrechtliche Vereinbarung ist entweder eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat oder, sofern kein Betriebsrat existiert, eine individuelle Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer notwendig.

123recht.de: Um bis zu wie viel Prozent kann die Arbeitszeit gekürzt werden?

Rechtsanwalt Krämer: Die Arbeitszeit kann bis auf Null reduziert werden.

123recht.de: Woher bekommen Arbeitnehmer in der Zeit ihr Gehalt/Lohn?

Rechtsanwalt Krämer: Die Arbeitnehmer erhalten ihr Entgelt weiterhin vom Arbeitgeber.

Kurzarbeit muss nur angezeigt, nicht beantragt werden

123recht.de: Wie läuft die Einführung von Kurzarbeit in der Praxis ab? Muss man sie beantragen?

Rechtsanwalt Krämer: Die Kurzarbeit selbst muss nicht vorab beantragt werden. Wie bereits erläutert ist die Einführung von Kurzarbeit zunächst eine auf Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit gerichtete Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Allerdings muss die Einführung von Kurzarbeit im ersten Schritt gegenüber der Agentur für Arbeit angezeigt werden. In diesem ersten Schritt wird die Agentur für Arbeit, wenn die Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld vorliegen, bestätigen, dass die Voraussetzungen dem Grunde nach vorliegen. Im Anschluss daran wird der Arbeitgeber monatlich die Höhe des Kurzarbeitergeldes berechnen, dieses an die Beschäftigten auszahlen und den Leistungsantrag an die Agentur für Arbeit stellen, die dann das an die Arbeitnehmer gezahlte Kurzarbeitergeld erstattet.

123recht.de: Entspricht das Kurzarbeitergeld dem Gehalt?

Rechtsanwalt Krämer: Nein, das Kurzarbeitergeld ist niedriger als das regelmäßige Entgelt. Das Kurzarbeitergeld errechnet sich nach einer pauschalen Formel, die sich aus dem Sozialgesetzbuch III ergibt. Überschlagen kann man sagen, dass das Kurzarbeitergeld 60 Prozent (ohne Kind) oder 67 Prozent (mit Kind) des Differenzbetrages zwischen dem Soll-Netto (Netto ohne Kurzarbeit) und dem Ist-Netto (Netto mit Kurzarbeit) beträgt.

123recht.de: Muss es versteuert werden?

Rechtsanwalt Krämer: Das Kurzarbeitergeld selbst ist steuerfrei, unterliegt aber dem so genannten Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, dass es selbst nicht zu versteuern ist, sich aber steuererhöhend auf andere steuerpflichtige Einkünfte auswirkt, weil diese trotzdem mit einem höheren Steuersatz zu versteuern sind.

Der Arbeitgeber darf das Kurzarbeitergeld aufstocken

123recht.de: Kann der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld aufstocken?

Rechtsanwalt Krämer: Ja, der Gesetzgeber sieht hierbei sogar Vergünstigungen vor. Aufstockungsbeträge sind grundsätzlich lohnsteuerpflichtig, aber sozialabgabenfrei, wenn die Summe aus Kurzarbeitergeld und Aufstockungsbetrag 80 Prozent des Entgeltausfalls nicht übersteigen. Wichtig ist darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer am Ende immer noch einen Entgeltausfall hat, da der Entgeltausfall Voraussetzung für das Kurzarbeitergeld ist. Ein aktueller Gesetzesentwurf sieht zudem die Steuerfreiheit des Aufstockungsbetrages vor. Verabschiedet ist diese Gesetzesänderung aber noch nicht.

123recht.de: Dürfen Arbeitnehmer in der Zeit einen anderen Job ausüben und trotzdem ihr Kurzarbeitergeld beziehen?

Rechtsanwalt Krämer: Grundsätzlich ist dies aus sozialrechtlicher Sicht kein Problem. Da das Arbeitsverhältnis fortbesteht, muss dringend geprüft werden, ob der Arbeitsvertrag eine solche Nebentätigkeit zulässt. Üblicherweise wird der Arbeitgeber hierüber zumindest zu informieren sein. Eine solche Nebentätigkeit wirkt sich aber dahingehend aus, dass sich das Kurzarbeitergeld entsprechend reduziert. Für während Kurzarbeit aufgenommene Nebenbeschäftigungen in systemrelevanten Branchen und Berufen wird die vollständige Anrechnung des Entgelts auf das Kurzarbeitergeld befristet vom 1. April bis zum 31. Oktober 2020 ausgesetzt. Eine Anrechnung findet nur statt, wenn das Entgelt zusammen mit dem Kurzarbeitergeld das Entgelt übersteigt, dass der Arbeitnehmer oder Arbeitsausfall gehabt hätte.

Wenn die Nebentätigkeit schon vor Beginn der Kurzarbeit durchgeführt wurde, ergibt sich keine Auswirkung.

123recht.de: Bekommt der Chef auch Kurzarbeitergeld?

Rechtsanwalt Krämer: Ob auch der Chef Kurzarbeitergeld bekommt, hängt zunächst von der Rechtsform ab. In Einzelunternehmen oder Personengesellschaften kommt dies nicht in Betracht. Als Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, beispielsweise einer GmbH, kommt dies grundsätzlich dann in Betracht, wenn der Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Liegt auch diese Voraussetzung vor, gilt für den Geschäftsführer dasselbe, wie für alle Beschäftigen. Es muss ein Arbeitsausfall vorliegen. Hieran können schnell Zweifel bestehen, da Geschäftsführer in der aktuellen Situation besonders gefordert sind und viele betriebswirtschaftlich notwendige Entscheidungen treffen müssen.

123recht.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.

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